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OJ 6/8, [14] - Handwritten letter, with envelope, from Schenker to Violin, dated December 19, 1932
[envelope]
{recto} [An:] ⇧ H Prof. M. Violin Hamburg Rotenbaumchaussee 221 [postmark:] || 3 WIEN [illeg] | 19. XII. 32 15 | * 4b * || {verso} [Absender:] Schenker Wien, III Keilgasse 8 [postmark:] || HAMBURG 37 | 20. 12. 32–16 | d || [letter] 19. 12. 32 ⇧ Fl! 1 Daß ich dir so lange eine Antwort schuldig bleibe, ist das je vorgekommen? Zeichen der Zeit, des elenden „Sozial“-Empfindens! In der Arbeit am „fr. S.“ wollte ich bis 1. 12 eine gewissere Linie erreichen, Anfangs Dezember ist mir dies mir auch wirklich gelungen, nun schaltete ich eine neue Arbeit ein, die ich binnen Tagen zu erledigen hoffte, die sich aber bis 15. 12 hinzog: „die Oktaven- u Quinten-Studie von Brahms, aus dem Nachlaß herausgegeben u. erläutert von H. Sch.“, die {2} du zu deinem Erstaunen u. Genuß auch zu deiner stolzen Freude in absehbarer Zeit in der Hand halten wirst. Eben diese Einschaltung hat meinen Augen u. Nerven ganz zermürbt. Eine solche Arbeit in so dunklen Tagen, druckt in jeder Hinsicht für Aug u. Gemüt! Und nun heißt es, weiter im „fr. S.“ bis ans Ende! Wenn nur Jemand neben mir da wäre, wie du, der mir immer ein so süßer Schütz- u Hilfsengel wirst! Wir Beide sind ja hilfslose Kinder in dieser Welt, wir wissen uns selbst keinen Rat, auch keinen Ratgeber. Da jede Mittelsperson mir abgeht, die für mich spricht, erinnert, {3} habe ich mich notgedrungen Furtw. eröffnet, wozu er selbst die Anregung gab mit den liebreichen Worten: „Weisse ist nicht mehr hier, so müssen wir die Dinge selbst austragen.“ usw. Meine Existenz steht auf den 2 St[unden] des Hob., auf 2 Augen. Ob sie noch in der nächsten Saison darauf stehen wird, wer kann das sagen? Elias ist finanziell kaputt, die ebenbürtige Zahlerin u. der allezeit hilfsbereite Mensch, Brün. zahlt nichts, keine Einnahme in Sicht, um uns herum kein „Blut“-Gefühl, kein „Kunst“-Gefühl – an Politik, Staat u. dgl. darf ich gar nicht denken, weil mich diese Schande körperlich umlegt, ich bin eben mit Sorgen u. Schmerzen bis an den äußersten {4} Rand geladen, nach einer so unsterblichen, einmaligen Leistung. Eigentlich mußte die gesamte deutsche Musikerschaft an den Nobel 2 einen Vorschlag machen, oder mit einer sozusagen kleinsten Dank-„steuer“ à 1 Mk eine „Ehrengabe“ bereitstellen, aber die Musiker sind eben wilde Tiere, – wie anders geht es in der Literatur usw. zu! Die Jonas-Angelegenheit 3 dürfte wohl im Sande verlaufen sein? Dein Standpunkt ist nur zu billigen[.] Jonas ist sonst ein glänzender Interpret, s. Einsteins „Zts. für Musik.“ 2 Novemberheft über meine „Eroica“! 4 Furtw. legte mir kürzlich einen Aufsatz {5} von Roth – gegen ihn – bei, der Gipfel eines tücklischen Verrats, – so machte dieser Elendskerl es mit Vrieslander, mit mir, nun mit ihm! Von V. Zuckerkandl in Berlin, sehr einst einem Schüler von mir, 5 ist kürzlich ein originelles Buch bei Hesse (Berlin) erschienen, 6 worin er zu meiner größte rn Freude das Bekenntis zu mir (dem „großen Theoretiker“) ablegt, als demjenigen, auf dem er ruht. Die Arbeit wurde durch Furtw, Klemperer u. Walter mit Rat u. Tat gefördert, von Furtw mit einer eigenen Vorbemerkung . . {6} 2 Übersetzungs-Anträge kommen aus Amerika, beziehen sich auf die Harmonielehre. Noch steigt die Leistungskurve, sollte man mich u. mein LieLiechen, ohne die (seit der „IX“) nichts herausgekommen wäre[,] am Straßenrand liegen lassen, wie ein faules Gewürm??! Der Einzige, der heute wirklich „Neues“ – das vielbegehrte „Neue“! – gebracht hat, „neu“ nach hinten in die Vergangenheit u. nach vorn in die Zukunft – Und was sollte ich wegen der (Ohr –) u Herzenstäuschart der Musiker, unserer Kollegen nicht vollenden ??! So. Jetzt weißt du Alles. Wie steht es [continued at top of the page, written upside down:]bei dir? © Transcription William Drabkin, 2015 |
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{recto} [To:] ⇧ Prof. M. Violin Hamburg Rotenbaumchaussee 221 [postmark:] || 3 VIENNA [illeg] | 19. XII. 32 15 | * 4b * || {verso} [From:] Schenker Vienna III Keilgasse 8 [postmark:] || HAMBURG 37 | 20. 12. 32–16 | d || [letter] December 19, 1932 ⇧ Floriz, 1 That I have owed you a letter for such a long time, has that ever happened before? Signs of the times, of the wretched “social” condition! In my work on Free Composition I wanted to reach a certain point by December 1; at the beginning of December, I actually succeeded in doing so. Then I embarked on a new piece of work which I hoped I could finish in a matter of days but which took me until December 15: Brahms’s Study of [Consecutive] Octaves and Fifths, from his Nachlass edited and elucidated by Heinrich Schenker , which {2} you shall hold in your hands in the near future, to your astonishment and pleasure, and also to your proud joy. This very initiative has thoroughly worn down my eyes and nerves. Such a work in such dark days, are oppressive for my eyes and my spirits in every respect! And now, onwards with Free Composition to the end! If only there were someone near me like yourself, who has been such a sweet guardian angel and assistant! The two of us are indeed helpless children in this world; we cannot give ourselves advice, we know no advisers either. Since every intermediary who could speak for me, or remind me, is leaving me, {3} I have in desperation turned to Furtwängler, in response to which he himself gave the impetus with the affection words: “Weisse is no longer here; we have to deliver the goods ourselves,” etc. My existence stands upon Hoboken’s two hours of lessons, and upon my two eyes. Whether they will still be standing in the next teaching year, who is able to say? Elias ist financially ruined, the worthy benefactress and ever-ready person. Brünauer pays nothing: no income in sight, all around us no feeling for “blood” for “art” – I cannot conceive of thinking about politics, since this disgrace physically crushes me; I am verily laden with cares and pains in all my extremities, {4} after such an immortal, unique accomplishment. The entire German musical community would have to make a recommendation to Nobel, 2 or set up a “testimonial [to me] with a sort of miniature, one-Mark “tax” of gratitude; but the musicians are themselves wild beasts – how different things are in literature, etc! Has the Jonas matter 3 run aground? One can only approve of your standpoint. In other respects Jonas is a splendid interpreter: see Einstein’s Zeitschrift für Musik [wissenschaft] vol. 2, November issue, on my “Eroica”! 4 Furtwängler recently sent me an article {5} by Roth – against him – the height of knavish betrayal; this is what the wretched fellow did with Vrieslander, with me, and is now doing with him! Viktor Zuckerkandl in Berlin, a pupil of mine from a very long time ago, 5 has published a book with Hesse (Berlin) 6 in which, to my greatest joy, he confesses his faith in me (the “greatest theorist”), the one from whom he takes his support. The work was promoted by Furtwängler, Klemperer, and Walter in word and deed, and with a preface by Furtwängler himself … {6} Two applications for translations have come from America; they are concerned with the Theory of Harmony . The curve of accomplishment will continue to rise, even if I and my Lie-Liechen, without whom nothing (since the Ninth Symphony ) would have appeared, were left in the gutter like foul vermin??! The only one who today has brought something really “new” – the much-coveted “new” – back into the past and forwards into the future. And what should I not bring to fruition concerning the the way in which musicians, our colleagues, deceive the (ear and) heart??! So now you know everything. How are things [continued at top of the page, written upside down:]with you? © Translation William Drabkin, 2015 |
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{recto} [An:] ⇧ H Prof. M. Violin Hamburg Rotenbaumchaussee 221 [postmark:] || 3 WIEN [illeg] | 19. XII. 32 15 | * 4b * || {verso} [Absender:] Schenker Wien, III Keilgasse 8 [postmark:] || HAMBURG 37 | 20. 12. 32–16 | d || [letter] 19. 12. 32 ⇧ Fl! 1 Daß ich dir so lange eine Antwort schuldig bleibe, ist das je vorgekommen? Zeichen der Zeit, des elenden „Sozial“-Empfindens! In der Arbeit am „fr. S.“ wollte ich bis 1. 12 eine gewissere Linie erreichen, Anfangs Dezember ist mir dies mir auch wirklich gelungen, nun schaltete ich eine neue Arbeit ein, die ich binnen Tagen zu erledigen hoffte, die sich aber bis 15. 12 hinzog: „die Oktaven- u Quinten-Studie von Brahms, aus dem Nachlaß herausgegeben u. erläutert von H. Sch.“, die {2} du zu deinem Erstaunen u. Genuß auch zu deiner stolzen Freude in absehbarer Zeit in der Hand halten wirst. Eben diese Einschaltung hat meinen Augen u. Nerven ganz zermürbt. Eine solche Arbeit in so dunklen Tagen, druckt in jeder Hinsicht für Aug u. Gemüt! Und nun heißt es, weiter im „fr. S.“ bis ans Ende! Wenn nur Jemand neben mir da wäre, wie du, der mir immer ein so süßer Schütz- u Hilfsengel wirst! Wir Beide sind ja hilfslose Kinder in dieser Welt, wir wissen uns selbst keinen Rat, auch keinen Ratgeber. Da jede Mittelsperson mir abgeht, die für mich spricht, erinnert, {3} habe ich mich notgedrungen Furtw. eröffnet, wozu er selbst die Anregung gab mit den liebreichen Worten: „Weisse ist nicht mehr hier, so müssen wir die Dinge selbst austragen.“ usw. Meine Existenz steht auf den 2 St[unden] des Hob., auf 2 Augen. Ob sie noch in der nächsten Saison darauf stehen wird, wer kann das sagen? Elias ist finanziell kaputt, die ebenbürtige Zahlerin u. der allezeit hilfsbereite Mensch, Brün. zahlt nichts, keine Einnahme in Sicht, um uns herum kein „Blut“-Gefühl, kein „Kunst“-Gefühl – an Politik, Staat u. dgl. darf ich gar nicht denken, weil mich diese Schande körperlich umlegt, ich bin eben mit Sorgen u. Schmerzen bis an den äußersten {4} Rand geladen, nach einer so unsterblichen, einmaligen Leistung. Eigentlich mußte die gesamte deutsche Musikerschaft an den Nobel 2 einen Vorschlag machen, oder mit einer sozusagen kleinsten Dank-„steuer“ à 1 Mk eine „Ehrengabe“ bereitstellen, aber die Musiker sind eben wilde Tiere, – wie anders geht es in der Literatur usw. zu! Die Jonas-Angelegenheit 3 dürfte wohl im Sande verlaufen sein? Dein Standpunkt ist nur zu billigen[.] Jonas ist sonst ein glänzender Interpret, s. Einsteins „Zts. für Musik.“ 2 Novemberheft über meine „Eroica“! 4 Furtw. legte mir kürzlich einen Aufsatz {5} von Roth – gegen ihn – bei, der Gipfel eines tücklischen Verrats, – so machte dieser Elendskerl es mit Vrieslander, mit mir, nun mit ihm! Von V. Zuckerkandl in Berlin, sehr einst einem Schüler von mir, 5 ist kürzlich ein originelles Buch bei Hesse (Berlin) erschienen, 6 worin er zu meiner größte rn Freude das Bekenntis zu mir (dem „großen Theoretiker“) ablegt, als demjenigen, auf dem er ruht. Die Arbeit wurde durch Furtw, Klemperer u. Walter mit Rat u. Tat gefördert, von Furtw mit einer eigenen Vorbemerkung . . {6} 2 Übersetzungs-Anträge kommen aus Amerika, beziehen sich auf die Harmonielehre. Noch steigt die Leistungskurve, sollte man mich u. mein LieLiechen, ohne die (seit der „IX“) nichts herausgekommen wäre[,] am Straßenrand liegen lassen, wie ein faules Gewürm??! Der Einzige, der heute wirklich „Neues“ – das vielbegehrte „Neue“! – gebracht hat, „neu“ nach hinten in die Vergangenheit u. nach vorn in die Zukunft – Und was sollte ich wegen der (Ohr –) u Herzenstäuschart der Musiker, unserer Kollegen nicht vollenden ??! So. Jetzt weißt du Alles. Wie steht es [continued at top of the page, written upside down:]bei dir? © Transcription William Drabkin, 2015 |
[envelope]
{recto} [To:] ⇧ Prof. M. Violin Hamburg Rotenbaumchaussee 221 [postmark:] || 3 VIENNA [illeg] | 19. XII. 32 15 | * 4b * || {verso} [From:] Schenker Vienna III Keilgasse 8 [postmark:] || HAMBURG 37 | 20. 12. 32–16 | d || [letter] December 19, 1932 ⇧ Floriz, 1 That I have owed you a letter for such a long time, has that ever happened before? Signs of the times, of the wretched “social” condition! In my work on Free Composition I wanted to reach a certain point by December 1; at the beginning of December, I actually succeeded in doing so. Then I embarked on a new piece of work which I hoped I could finish in a matter of days but which took me until December 15: Brahms’s Study of [Consecutive] Octaves and Fifths, from his Nachlass edited and elucidated by Heinrich Schenker , which {2} you shall hold in your hands in the near future, to your astonishment and pleasure, and also to your proud joy. This very initiative has thoroughly worn down my eyes and nerves. Such a work in such dark days, are oppressive for my eyes and my spirits in every respect! And now, onwards with Free Composition to the end! If only there were someone near me like yourself, who has been such a sweet guardian angel and assistant! The two of us are indeed helpless children in this world; we cannot give ourselves advice, we know no advisers either. Since every intermediary who could speak for me, or remind me, is leaving me, {3} I have in desperation turned to Furtwängler, in response to which he himself gave the impetus with the affection words: “Weisse is no longer here; we have to deliver the goods ourselves,” etc. My existence stands upon Hoboken’s two hours of lessons, and upon my two eyes. Whether they will still be standing in the next teaching year, who is able to say? Elias ist financially ruined, the worthy benefactress and ever-ready person. Brünauer pays nothing: no income in sight, all around us no feeling for “blood” for “art” – I cannot conceive of thinking about politics, since this disgrace physically crushes me; I am verily laden with cares and pains in all my extremities, {4} after such an immortal, unique accomplishment. The entire German musical community would have to make a recommendation to Nobel, 2 or set up a “testimonial [to me] with a sort of miniature, one-Mark “tax” of gratitude; but the musicians are themselves wild beasts – how different things are in literature, etc! Has the Jonas matter 3 run aground? One can only approve of your standpoint. In other respects Jonas is a splendid interpreter: see Einstein’s Zeitschrift für Musik [wissenschaft] vol. 2, November issue, on my “Eroica”! 4 Furtwängler recently sent me an article {5} by Roth – against him – the height of knavish betrayal; this is what the wretched fellow did with Vrieslander, with me, and is now doing with him! Viktor Zuckerkandl in Berlin, a pupil of mine from a very long time ago, 5 has published a book with Hesse (Berlin) 6 in which, to my greatest joy, he confesses his faith in me (the “greatest theorist”), the one from whom he takes his support. The work was promoted by Furtwängler, Klemperer, and Walter in word and deed, and with a preface by Furtwängler himself … {6} Two applications for translations have come from America; they are concerned with the Theory of Harmony . The curve of accomplishment will continue to rise, even if I and my Lie-Liechen, without whom nothing (since the Ninth Symphony ) would have appeared, were left in the gutter like foul vermin??! The only one who today has brought something really “new” – the much-coveted “new” – back into the past and forwards into the future. And what should I not bring to fruition concerning the the way in which musicians, our colleagues, deceive the (ear and) heart??! So now you know everything. How are things [continued at top of the page, written upside down:]with you? © Translation William Drabkin, 2015 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary for December 19, 1932: “An Violin (Br.): 5 Seiten! über die Lage” (“To Violin (letter): five pages! about my situation”). 2 Schenker expressed a similar sentiment about a Nobel prize for music in the Miscellanea of the third Masterwork Yearbook (p. 121, Eng. transl., p. 79). 3 Possibly Jonas’s book Das Wesen des musikalischen Kunstwerks, which had been completed but was not published until 1934, with financial assistance from Anthony van Hoboken. 4 Oswald Jonas’s review of the third Masterwork Yearbook; a copy survives in the Schenker Scrapbook (OC 2, p. 88). 5 “sehr einst”: a phrase referring to the twenty years since Zuckerkandl began his studies with Schenker, in 1912. 6 Zuckerkandl’s Musikalische Gestaltung der großen Opernpartien was published in 1932. |