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[printed letterhead:]
WIEN
XIII., WATTMANNGASSE 5

27 XI. 30.

Lieber verehrter Meister, 1

vor allem vielen Dank für die Übersendung des RameauBeethoven Aufsatzes. 2 Kann ich ihn noch einige Tage behalten?

Was Sie mir von Dr. Jonas schrieben, hat mich selbst aufs Sonderbarste berührt. Dass er sich an Sie wendet, ist mir unbegreiflich. Ich kann mir nur vorstellen, dass er jetzt um jeden Preis sich eine Existenz begründen will und dabei auf Mittel verfällt, die er bei ruhiger Besinning niemals in Erwägung ziehen würde. Ich selbst habe Dr. Jonas vor zwei Jahren mit Unterstützung einiger Schüler einen monatliche Rente {2} durch ein ganzes Jahr hindurch gegeben, um ihm die Möglichkeit zu geben, Arbeit zu leisten – und ihm die Ausrede zu nehmen, dass ihn die Not daran hindere. Er hat eine gross angelegte Arbeit über den Choral begonnen, was draus geworden ist habe ich nie erfahren. Es mag wohl darin der Grund liegen, dass Dr. Jonas sich nicht an mich wendet, weil er irgendwie fühlt dass ich ihm eine Empfehlung abschlagen müsste. Ich sagte ihm immer: zuerst die Leistung, und dann die Empfehlung! Da er die Leistung ausweisen kann, vermeidet er die Empfehlung von mir zu verlangen. 3 Sie haben selbstverständlich vollkommen recht, wenn auch Sie sie ihm abschlagen. —

Oppel hat mir erfreulicherweise für beide Vorträge 4 zugesagt. Auch Violin wird kommen.

Ich würde sehr gerne, falls Sie mit der Idee einverstanden {3} sind, meinen Vortrag über Sie, bei Ihnen, für Sie und jene Schüler von Ihnen auf diese Sie Wert legen (Elias, Hoboken, Brünauer) eventuell auch Prof. Deutsch vorlesen. Ich könnte allerdings nur Freitag abends (nächste Woche!) (von ½7 – ½9 etwa, wenn es Ihnen recht ist) weil Donnerstag mein Sextett aufgeführt wird, bis dahin Proben sind – und weil ich Samstag nach Berlin fahre.

Halten Sie diesen meinen Vorschlag für keine Zudringlichkeit, doch möchte ich Ihnen gern das Lesen ersparen und gleichzeitig auch Ihre Schüler daran teilnehmen lassen.

Wenn Sie den Dunn 5 sofort brauchen, schicke ich Ihn [sic] durch Herrn Willfort, der in Ihrer unmittelbarsten Nähe wohnt. Sonst bringe ich ihn. Denn sehen muss ich Sie auf jeden Fall, bevor ich fahre. Könnte ich also auf jeden Fall Fraitag den 5. Dezember ½7 kommen, entweder um vorzulesen, oder blos um Ihnen die beiden Vor- {4} träge zu übergeben?

Der Zufall führte mich in Angelegenheiten der Vervielfältigung meiner Vorlagen zu Herrn Tomay – und ich erstaunte nicht wenig – als ich dort Urlinienskizzen liegen sah!

Furtwängler schrieb sehr lieb, wie sehr er sich auf mein Kommen freue, ich soll ihn gleich anrufen.


Bitte um eine Zeile!
Allerherzlichstes von uns beiden Ihnen beiden!
Ihr
[signed:] Hans.

© Transcription William Drabkin, 2013


[printed letterhead:]
VIENNA
XIII, WATTMANNGASSE 5

November 27, 1930

Dear revered Master, 1

First of all, many thanks for sending me the essay on Rameau and Beethoven. 2 May I keep it for a few more days?

What you wrote to me about Dr. Jonas touched me personally in a most particular way. That he turns to you is inconceivable to me: I can only imagine that he would now do anything possible to earn a living, and thus grabs at measures that he would never consider taking if he were to think things out calmly. Two years ago, I myself gave Dr. Jonas a monthly salary {2} for a whole year, with the help of a few of my pupils, in order to give him the opportunity to complete some work, and deprived him of the excuse that necessity was preventing him from doing it. He had begun a monumental work on the chorale; what came of it I have never learned. This may explain why Dr. Jonas is not approaching me, since he feels somehow that I would have to refuse him a recommendation! Since he cannot produce the finished product, he avoids asking me for the recommendation. 3 You are of course entirely in the right if you, too, refuse him.

Oppel has, to my delight, accepted my invitations for both lectures. 4 Violin will be coming, too.

I would be very grateful if you were to agree to the idea of {3} my reading my lecture about you at your place, for you and those pupils of yours whom you hold in high regard (Elias, Hoboken, Brünauer), perhaps also Prof. Deutsch. At any rate, I could do this only on Friday of next week – from about 6:30 to 8:30 pm, if that is okay with you – as my Sextet will be performed on Thursday and there are rehearsals until then, and as I shall be travelling to Berlin on Saturday.

Do not take my suggestion as a sign of my pushiness; I just wanted to spare you having to read it and, at the same time, let your pupils, too, take part in it.

If you need Dunn's book 5 straightaway, I shall send it to you by way of Mr. Willfort, who lives very near you. Otherwise I shall bring it personally. For I must see you in any event before I leave. Can I see you in any case on Friday, December 5, at half past six in the evening, either to read out my two lectures or merely to leave them for you?

{4} Concerning the reproduction of my handout in multiple copies, chance took me to Mr. Tomay, and I was not a little surprised to see Urlinie graphs lying there!

Furtwängler wrote a very kind letter to me, saying how much he was looking forward to my coming, and that I should ring him immediately after I arrive.


Please, write me a line!
Most cordial wishes from the two of us to the two of you!
Yours,
[signed:] Hans

© Translation William Drabkin, 2013


[printed letterhead:]
WIEN
XIII., WATTMANNGASSE 5

27 XI. 30.

Lieber verehrter Meister, 1

vor allem vielen Dank für die Übersendung des RameauBeethoven Aufsatzes. 2 Kann ich ihn noch einige Tage behalten?

Was Sie mir von Dr. Jonas schrieben, hat mich selbst aufs Sonderbarste berührt. Dass er sich an Sie wendet, ist mir unbegreiflich. Ich kann mir nur vorstellen, dass er jetzt um jeden Preis sich eine Existenz begründen will und dabei auf Mittel verfällt, die er bei ruhiger Besinning niemals in Erwägung ziehen würde. Ich selbst habe Dr. Jonas vor zwei Jahren mit Unterstützung einiger Schüler einen monatliche Rente {2} durch ein ganzes Jahr hindurch gegeben, um ihm die Möglichkeit zu geben, Arbeit zu leisten – und ihm die Ausrede zu nehmen, dass ihn die Not daran hindere. Er hat eine gross angelegte Arbeit über den Choral begonnen, was draus geworden ist habe ich nie erfahren. Es mag wohl darin der Grund liegen, dass Dr. Jonas sich nicht an mich wendet, weil er irgendwie fühlt dass ich ihm eine Empfehlung abschlagen müsste. Ich sagte ihm immer: zuerst die Leistung, und dann die Empfehlung! Da er die Leistung ausweisen kann, vermeidet er die Empfehlung von mir zu verlangen. 3 Sie haben selbstverständlich vollkommen recht, wenn auch Sie sie ihm abschlagen. —

Oppel hat mir erfreulicherweise für beide Vorträge 4 zugesagt. Auch Violin wird kommen.

Ich würde sehr gerne, falls Sie mit der Idee einverstanden {3} sind, meinen Vortrag über Sie, bei Ihnen, für Sie und jene Schüler von Ihnen auf diese Sie Wert legen (Elias, Hoboken, Brünauer) eventuell auch Prof. Deutsch vorlesen. Ich könnte allerdings nur Freitag abends (nächste Woche!) (von ½7 – ½9 etwa, wenn es Ihnen recht ist) weil Donnerstag mein Sextett aufgeführt wird, bis dahin Proben sind – und weil ich Samstag nach Berlin fahre.

Halten Sie diesen meinen Vorschlag für keine Zudringlichkeit, doch möchte ich Ihnen gern das Lesen ersparen und gleichzeitig auch Ihre Schüler daran teilnehmen lassen.

Wenn Sie den Dunn 5 sofort brauchen, schicke ich Ihn [sic] durch Herrn Willfort, der in Ihrer unmittelbarsten Nähe wohnt. Sonst bringe ich ihn. Denn sehen muss ich Sie auf jeden Fall, bevor ich fahre. Könnte ich also auf jeden Fall Fraitag den 5. Dezember ½7 kommen, entweder um vorzulesen, oder blos um Ihnen die beiden Vor- {4} träge zu übergeben?

Der Zufall führte mich in Angelegenheiten der Vervielfältigung meiner Vorlagen zu Herrn Tomay – und ich erstaunte nicht wenig – als ich dort Urlinienskizzen liegen sah!

Furtwängler schrieb sehr lieb, wie sehr er sich auf mein Kommen freue, ich soll ihn gleich anrufen.


Bitte um eine Zeile!
Allerherzlichstes von uns beiden Ihnen beiden!
Ihr
[signed:] Hans.

© Transcription William Drabkin, 2013


[printed letterhead:]
VIENNA
XIII, WATTMANNGASSE 5

November 27, 1930

Dear revered Master, 1

First of all, many thanks for sending me the essay on Rameau and Beethoven. 2 May I keep it for a few more days?

What you wrote to me about Dr. Jonas touched me personally in a most particular way. That he turns to you is inconceivable to me: I can only imagine that he would now do anything possible to earn a living, and thus grabs at measures that he would never consider taking if he were to think things out calmly. Two years ago, I myself gave Dr. Jonas a monthly salary {2} for a whole year, with the help of a few of my pupils, in order to give him the opportunity to complete some work, and deprived him of the excuse that necessity was preventing him from doing it. He had begun a monumental work on the chorale; what came of it I have never learned. This may explain why Dr. Jonas is not approaching me, since he feels somehow that I would have to refuse him a recommendation! Since he cannot produce the finished product, he avoids asking me for the recommendation. 3 You are of course entirely in the right if you, too, refuse him.

Oppel has, to my delight, accepted my invitations for both lectures. 4 Violin will be coming, too.

I would be very grateful if you were to agree to the idea of {3} my reading my lecture about you at your place, for you and those pupils of yours whom you hold in high regard (Elias, Hoboken, Brünauer), perhaps also Prof. Deutsch. At any rate, I could do this only on Friday of next week – from about 6:30 to 8:30 pm, if that is okay with you – as my Sextet will be performed on Thursday and there are rehearsals until then, and as I shall be travelling to Berlin on Saturday.

Do not take my suggestion as a sign of my pushiness; I just wanted to spare you having to read it and, at the same time, let your pupils, too, take part in it.

If you need Dunn's book 5 straightaway, I shall send it to you by way of Mr. Willfort, who lives very near you. Otherwise I shall bring it personally. For I must see you in any event before I leave. Can I see you in any case on Friday, December 5, at half past six in the evening, either to read out my two lectures or merely to leave them for you?

{4} Concerning the reproduction of my handout in multiple copies, chance took me to Mr. Tomay, and I was not a little surprised to see Urlinie graphs lying there!

Furtwängler wrote a very kind letter to me, saying how much he was looking forward to my coming, and that I should ring him immediately after I arrive.


Please, write me a line!
Most cordial wishes from the two of us to the two of you!
Yours,
[signed:] Hans

© Translation William Drabkin, 2013

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary a day earlier than the date given, at OJ 4/4, p. 3547 (November 26, 1930): "Von Weisse (Br.): billigt mein Vorgehen Jonas gegenüber. Möchte Freitag, den 5. XII. um ½7h mir u. meinem Schülern den Vortrag über mich vorlesen." ("From Weisse (letter): he applauds my objections to Jonas; he would like to read his lecture on my work to me and my pupils on Friday, December 5, at 6:30.")

2 "Rameau or Beethoven?," the opening essay of the third Meisterwerk Yearbook. This was a proof copy, as the Yearbook was not published until the second week of December. Writing of a covering letter, to which Weisse responds here, is recorded in Schenker's diary at OJ 4/4, p. 3545 (November 23, 1930): "An Weisse (Br.): Begleitbrief zur Drucksache: Rameau-Aufsatz (2. Korrektur); führe Klage über Jonas im obigen Sinne." ("To Weisse (letter): covering letter for the printed papers: the essay on Rameau (second proof-corrections); I lodge a complaint against Jonas, in the above terms [i.e. as in the previous diary entry].")

3 No item in the catalogue of the Oswald Jonas Memorial Library corresponds to a project on the chorale, or on plainsong. Weisse did, however, write a letter of recommendation for Jonas in 1930; it is preserved as OJ 69/16.

4 Weisse's lecture at the Central Institute for Musical Education and Teaching in Berlin on December 9, 1930, and a follow-up lecture at a music college the following day.

5 John Petrie Dunn, A Student's Guide to Orchestration (London: Novello, [1928]). This is the first book in the English language to quote from Schenker's writings.

Commentary

Format
4p letter, holograph message and signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1945)--Jonas, Oswald (c.1945-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Hans Weisse, reproduced with kind permission
License
Permission to publish granted on March 10, 2008 by the heirs of Hans Weisse. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Documents Online, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2013-10-01
Last updated: 2013-10-01