25. 2. 34

Mein lieber Herr van Hoboken ! 1

War das eine Überraschung, als Ihre verehrte Gattin, eben „gesund entlassen,“ auch wirklich gesund aussehend, bester Stimmung, mit einem wunderschönen Bäumchen in der Hand bei uns eintrat! Für die Grüße, die sie von Ihnen brachte, danken wir herzlichst, wir freuten uns sehr zu hören, daß es auch Ihnen sehr gut geht. Das alles gab einen schönen Auftakt zu Stunden wirklichen Froh- u. Schönsinns! 2

Schade, daß ich am Sonntag Pech mit dem {2} überheizten Sacher 3 hatte, wie schon einmal kurz vorher, wo ich das Lokal nach 1‒2 Minuten verlassen mußte. Hohe Temparaturen sind mir nur im Kopfe und Herzen willkommen, nicht außen, so ging es mir immer u. geht auch noch jetzt, s. Igls u. Reigersberg ! Gerade haben wir uns die jüngsten Witze mitgeteilt, was ohnehin eine erhöhte Temparatur bedeutet, da mußte ich davon, weil dazu die Zentralheizung einige Grade drauflegte. Schade.

Mit wahrem Vergnügen hörte ich, daß Sie am Anti- Ganche fortarbeiten! Scharlott’s Zuschrift an die „N. fr. Presse“ lege ich [cued from bottom margin:] in der gleichzeitig an Sie abgesandten Sammlung von Aufsätzen[end cue] verabredetermaßen bei, niemals kann Können {3} u. Wissen so unverschämt, so überheblich sein, wie das Nichtkönnen u. Nichtwissen ‒ in aller Unschuld ‒ es sind! Schließlich siegt doch aber jenes, Sie kennen ja mein Sprüchlein, von der braven Kuh, die gute Milch gibt, u. daher gehängt wird. Nur gemach!

Dies soll uns ein Trost sein auch gegenüber Schering ,[cued from bottom margin:] für dessen frdl. Einsendung ich besonders herzlich danke,[end cue] der neuen „Muse“ der Musik! Unseren „Genie“sonnen am Himmel antworten unten die (mit Schering zu sprechen) „amusischen“ Kretschmar u. Riemann u. nun der „musische“ Schering , ein köstliches Trio, wirklich reif für ein Musik-Witzblatt zur Aufheiterung einer leidenden Menschheit! Aber in seiner ewigen Güte setzt {4} Gott auch solcher Virilität eine Grenze, sie ist eben erreicht, nun kann wirklich nichts Schlimmeres mehr kommen. Jeder Beitrag dieser Ztschrift eine wahre Fußnoten-Kaserne, drin lauter Musikrekruten wieseln, 100 mal tote, dazu die Fußnoten unter dem Strich als Unterkellerung, auch das wird bald bei den Nach- Scheringen ein Ende nehmen. Gott ist gütig, auch die Mechanik alles Unrats geht an sich selbst zu Grunde. Bleibt Gott bei seinen 4 Lieblingen, durch deren Mund Er gleichsam selbst Musik machte, das ist sSeine „Sphärenharmonie“. Amen.

Ihnen Beide beste Grüße von uns Beiden


Ihr
[signed:] H Schenker

© Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2017


February 25, 1934

Dear Mr. van Hoboken, 1

Was that a surprise, as your esteemed wife, "dismissed in good health," also appearing quite healthy, in the best mood, with an exceedingly beautiful seedling in hand, joined us! For the greeting that she brought from you, we thank you most sincerely; we were very happy to hear that you too are quite well. All of that provided a beautiful upbeat to hours of truly good cheer and beatitude! 2

Pity that on Sunday I had bad luck with the {2} overheated Sacher, 3 as already one other time recently, when I had to leave the restaurant after 1-2 minutes. High temperatures I find welcome only in head and heart, not outside, it has always been that way and remains so now as well, recall Igls and Reigersberg! We had just recounted for each other the most recent jokes, an activity that in any case signifies an elevated temperature; then I had to leave, because the central heating was adding a few degrees as well. Pity.

With true pleasure I heard that your anti-Ganche work is progressing! As agreed, I include [cued from bottom margin:] in the collection of essays just now being sent you[end cue] Scharlott's letter to the editor of the Neue freie Presse ; never can ability {3} and knowledge be so impudent, so arrogant, as inability and ignorance ‒ in all innocence ‒ are! But ultimately the former wins; you do know my saying about the good cow that gives good milk, and therefore is hanged. Just go easy!

Let this be a comfort for us regarding Schering [cued from bottom margin:] For the cordial forwarding of which I am especially grateful,[end cue] as well, the new "muse”" of music! Our "genius"-suns in the heavens are now answered from below by the (to use Schering's terms) "a-musical" Kretzschmar and Riemann and now the "musical" Schering, an exquisite trio, truly ripe for a musical-humor-page for the amusement of a suffering human race! But in his eternal goodness, {4} God sets even for such virility a boundary, it is just reached, now really nothing worse can come. Each contribution to this journal a real footnote-barracks, inside of which all musical recruits scurry about, dead a hundred times over, furthermore the footnotes beneath the line as cellar-abutments, which likewise in the post-Schering period will come to an end. God is gracious; even the mechanics of all garbage will perish of its own volition. If God remains with those he 4 loves, through whose mouth h e Himself, in a way, made music — that is His “harmony of the spheres.” Amen.

Best greetings to you both from both of us.


Your
[signed:] H. Schenker

© Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2017


25. 2. 34

Mein lieber Herr van Hoboken ! 1

War das eine Überraschung, als Ihre verehrte Gattin, eben „gesund entlassen,“ auch wirklich gesund aussehend, bester Stimmung, mit einem wunderschönen Bäumchen in der Hand bei uns eintrat! Für die Grüße, die sie von Ihnen brachte, danken wir herzlichst, wir freuten uns sehr zu hören, daß es auch Ihnen sehr gut geht. Das alles gab einen schönen Auftakt zu Stunden wirklichen Froh- u. Schönsinns! 2

Schade, daß ich am Sonntag Pech mit dem {2} überheizten Sacher 3 hatte, wie schon einmal kurz vorher, wo ich das Lokal nach 1‒2 Minuten verlassen mußte. Hohe Temparaturen sind mir nur im Kopfe und Herzen willkommen, nicht außen, so ging es mir immer u. geht auch noch jetzt, s. Igls u. Reigersberg ! Gerade haben wir uns die jüngsten Witze mitgeteilt, was ohnehin eine erhöhte Temparatur bedeutet, da mußte ich davon, weil dazu die Zentralheizung einige Grade drauflegte. Schade.

Mit wahrem Vergnügen hörte ich, daß Sie am Anti- Ganche fortarbeiten! Scharlott’s Zuschrift an die „N. fr. Presse“ lege ich [cued from bottom margin:] in der gleichzeitig an Sie abgesandten Sammlung von Aufsätzen[end cue] verabredetermaßen bei, niemals kann Können {3} u. Wissen so unverschämt, so überheblich sein, wie das Nichtkönnen u. Nichtwissen ‒ in aller Unschuld ‒ es sind! Schließlich siegt doch aber jenes, Sie kennen ja mein Sprüchlein, von der braven Kuh, die gute Milch gibt, u. daher gehängt wird. Nur gemach!

Dies soll uns ein Trost sein auch gegenüber Schering ,[cued from bottom margin:] für dessen frdl. Einsendung ich besonders herzlich danke,[end cue] der neuen „Muse“ der Musik! Unseren „Genie“sonnen am Himmel antworten unten die (mit Schering zu sprechen) „amusischen“ Kretschmar u. Riemann u. nun der „musische“ Schering , ein köstliches Trio, wirklich reif für ein Musik-Witzblatt zur Aufheiterung einer leidenden Menschheit! Aber in seiner ewigen Güte setzt {4} Gott auch solcher Virilität eine Grenze, sie ist eben erreicht, nun kann wirklich nichts Schlimmeres mehr kommen. Jeder Beitrag dieser Ztschrift eine wahre Fußnoten-Kaserne, drin lauter Musikrekruten wieseln, 100 mal tote, dazu die Fußnoten unter dem Strich als Unterkellerung, auch das wird bald bei den Nach- Scheringen ein Ende nehmen. Gott ist gütig, auch die Mechanik alles Unrats geht an sich selbst zu Grunde. Bleibt Gott bei seinen 4 Lieblingen, durch deren Mund Er gleichsam selbst Musik machte, das ist sSeine „Sphärenharmonie“. Amen.

Ihnen Beide beste Grüße von uns Beiden


Ihr
[signed:] H Schenker

© Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2017


February 25, 1934

Dear Mr. van Hoboken, 1

Was that a surprise, as your esteemed wife, "dismissed in good health," also appearing quite healthy, in the best mood, with an exceedingly beautiful seedling in hand, joined us! For the greeting that she brought from you, we thank you most sincerely; we were very happy to hear that you too are quite well. All of that provided a beautiful upbeat to hours of truly good cheer and beatitude! 2

Pity that on Sunday I had bad luck with the {2} overheated Sacher, 3 as already one other time recently, when I had to leave the restaurant after 1-2 minutes. High temperatures I find welcome only in head and heart, not outside, it has always been that way and remains so now as well, recall Igls and Reigersberg! We had just recounted for each other the most recent jokes, an activity that in any case signifies an elevated temperature; then I had to leave, because the central heating was adding a few degrees as well. Pity.

With true pleasure I heard that your anti-Ganche work is progressing! As agreed, I include [cued from bottom margin:] in the collection of essays just now being sent you[end cue] Scharlott's letter to the editor of the Neue freie Presse ; never can ability {3} and knowledge be so impudent, so arrogant, as inability and ignorance ‒ in all innocence ‒ are! But ultimately the former wins; you do know my saying about the good cow that gives good milk, and therefore is hanged. Just go easy!

Let this be a comfort for us regarding Schering [cued from bottom margin:] For the cordial forwarding of which I am especially grateful,[end cue] as well, the new "muse”" of music! Our "genius"-suns in the heavens are now answered from below by the (to use Schering's terms) "a-musical" Kretzschmar and Riemann and now the "musical" Schering, an exquisite trio, truly ripe for a musical-humor-page for the amusement of a suffering human race! But in his eternal goodness, {4} God sets even for such virility a boundary, it is just reached, now really nothing worse can come. Each contribution to this journal a real footnote-barracks, inside of which all musical recruits scurry about, dead a hundred times over, furthermore the footnotes beneath the line as cellar-abutments, which likewise in the post-Schering period will come to an end. God is gracious; even the mechanics of all garbage will perish of its own volition. If God remains with those he 4 loves, through whose mouth h e Himself, in a way, made music — that is His “harmony of the spheres.” Amen.

Best greetings to you both from both of us.


Your
[signed:] H. Schenker

© Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2017

Footnotes

1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3896, February 25, 1934: "An v. Hoboken (Begleitbrief): über den Besuch der Frau v. H., Freude an seiner Weiterarbeit gegen Ganche; zu Schering." ("To Hoboken (covering letter): concerning his wife's visit, delight about his further work in opposition to Ganche; about Schering.").

2 The visit of Eva van Hoboken was prefaced on February 16, as reported in Schenker's diary: "Auf telephonischem Wege über Deutsch meldet sich Frau van Hoboken! Lie-Liechen bittet sie für morgen zur Jause." ("Via a telephone call to Deutsch, Mrs. van Hoboken gets in touch! Lie-Liechen invites her for afternoon snack tomorrow."). Her visit on February 17 is then recorded in Schenker's diary: "Von 5–¾7h Frau van Hoboken: anscheinend in unserem Lager, für die Arbeiten des Gatten interessirt, gibt sich beglückt, dankt für den „wunderschönen Abend“." ("From 5 o'clock to 6:45, Mrs. van Hoboken: apparently in our camp, interested in her husband's work, seems delighted, thanks us for the 'wonderful evening'."), and again the next day: "Um 6h Deutsch, dann Frau van Hoboken! Verlasse sie früher wegen zu großer Wärme im Lokal." ("At 6 o'clock, Deutsch; then Mrs. van Hoboken! I leave them early, on account of the uncomfortably warm temperature in the café.").

3 The Café Sacher, Vienna I, Opernring 11. See footnote 2 above for the circumstances.

4 Here Schenker neglects to capitalize the first letter of a pronoun denoting the deity. Compare "Seine" corrected from "seine" ("His" corrected from "his") later in the sentence.