5. VIII. 20 Fast wolkenlos.
— Seefeld feiert den Ortsheiligen Oswald. Wir gedenken ursprünglich in den Wald zu gehen, um Pilze zu suchen, überlegen es uns aber u. gehen ohne jedes Gepäck nach Leutasch, mit der Absicht, wenn möglich über Buchen, Mösern heimzukehren; um ¾9h gehen wir aus dem Haus. Im Gasthaus zu Leutasch beim Xanderwirt erfahren wir, daß sich viele Deutsche zum Besuch angemeldet haben, wegen der Verhältnisse aber nicht angenommen werden konnten. Von den Innsbruckern erzählt die Wirtin, sie seien so unverschämt gewesen, 25 Kronen für Pension anzubieten. Unterwegs fast keine Touristen. Endlich kehrt ein Paar im Gasthaus ein, von dem wir erfahren, daß der Weg nach Buchen bloß 1¼ Stunden dauere. Wir setzen also den Spaziergang in einem überaus schönen Tale zwischen Hochmoos u. Munde fort. Ungefähr 5 Minuten vor dem Buchenwirtshaus nehmen wir den Weg zu tief u. kommen erst über Auskunft eines zufällig vorbeigehenden Mannes auf den richtigen Weg. Auch auf dem Weg nach Mösern machen wir einen Fehler, der aber gleich ausgebessert wird. In Mösern begegnen wir Dr. Schreiber mit der ganzen Familie. Leider keine Milch, keine Butter. Dr. Harpner läßt sich nicht erkennen. — Von Otto Erich Deutsch Mitteilung von der Geburt eines Sohnes. 1 — Zu vielen Mißverständnissen in der Ehe führt der Umstand, daß die Frau wenig Einsicht in die ineinandergreifenden Wege des Mannes bekundet. Während ihre eigenen Wege, sofern sie nach der Aufgabe, das Häusliche zu bewältigen, zielen, klar u. unmißverständlich daliegen, sodaß sich etwaige Wege in Gesellschaft deutlich absondern, überträgt sie eine solche klare Absonderungsmöglichkeit auch auf die Wege des Mannes {2266} u. will nicht verstehen, wie dort vielfach auch scheinbare Gesellschaftswege im Range von Erwerbswegen stehen oder zumindest Nebenwege vorstellen. Gesellt sich dazu der verhängnisvolle Irrtum der Frau, in der Ehe sei so etwas wie Gesellschaft fortzusetzen, so neigt sie nur zu oft dazu, jegliche Abweichung von der nackten Tagesaufgabe für einen Verstoß gegen die ihr gebührende gesellschaftliche Rücksicht, als Eigenweg des Mannes zu deuten. —© Transcription Marko Deisinger. |
August 5, 1920 Nearly cloudless.
— Seefeld is celebrating the local patron saint, Oswald. We originally plan to go into the woods to look for mushrooms, but reconsider and walk without carrying any bags to Leutasch, with the intention of coming home across Buchen, Mösern; we leave the house at 8:45. In the restaurant in Leutasch at Xanderwirt, we learn that many Germans have registered to visit, but could not be accepted due to the circumstances. The proprietor says of the people of Innsbruck that they were so unabashed as to offer 25 Kronen for room and board. Almost no tourists along the way. Finally a couple enters the restaurant, from whom we learn that it only takes one-and-a-quarter hours to walk to Buchen. So we continue our walk through quite a nice valley between Hochmoos and Munde. About five minutes before the restaurant in Buchen, we take a path that leads down too low and only get back on the correct path following information from a man who happens to walk by. On the way to Mösern we make a mistake, but it is corrected right away. In Mösern we see Dr. Schreiber with his entire family. Unfortunately no milk, no butter. Dr. Harpner keeps to himself. — News from Otto Erich Deutsch about the birth of a son. 1 — The fact that a wife shows little insight into the interwoven activities of her husband leads to many misunderstandings in marriage. Whereas her own activities, to the extent that they are aimed at managing the home, are clearly and unmistakably laid out, such that any activities in society are clearly distinguishable, she applies the possibility of such clear separation to the actions of her husband as well {2266} and does not want to comprehend that, [for him], in many cases apparently social activities are also equally important to professional activities or at least represent byways. If that is joined by the fateful error of a wife of continuing something akin to society within the marriage, she all to frequently tends to interpret every deviation from barebones daily responsibilities as an affront against the social courtesy she deserves, as an independent action by her husband. —© Translation Scott Witmer. |
5. VIII. 20 Fast wolkenlos.
— Seefeld feiert den Ortsheiligen Oswald. Wir gedenken ursprünglich in den Wald zu gehen, um Pilze zu suchen, überlegen es uns aber u. gehen ohne jedes Gepäck nach Leutasch, mit der Absicht, wenn möglich über Buchen, Mösern heimzukehren; um ¾9h gehen wir aus dem Haus. Im Gasthaus zu Leutasch beim Xanderwirt erfahren wir, daß sich viele Deutsche zum Besuch angemeldet haben, wegen der Verhältnisse aber nicht angenommen werden konnten. Von den Innsbruckern erzählt die Wirtin, sie seien so unverschämt gewesen, 25 Kronen für Pension anzubieten. Unterwegs fast keine Touristen. Endlich kehrt ein Paar im Gasthaus ein, von dem wir erfahren, daß der Weg nach Buchen bloß 1¼ Stunden dauere. Wir setzen also den Spaziergang in einem überaus schönen Tale zwischen Hochmoos u. Munde fort. Ungefähr 5 Minuten vor dem Buchenwirtshaus nehmen wir den Weg zu tief u. kommen erst über Auskunft eines zufällig vorbeigehenden Mannes auf den richtigen Weg. Auch auf dem Weg nach Mösern machen wir einen Fehler, der aber gleich ausgebessert wird. In Mösern begegnen wir Dr. Schreiber mit der ganzen Familie. Leider keine Milch, keine Butter. Dr. Harpner läßt sich nicht erkennen. — Von Otto Erich Deutsch Mitteilung von der Geburt eines Sohnes. 1 — Zu vielen Mißverständnissen in der Ehe führt der Umstand, daß die Frau wenig Einsicht in die ineinandergreifenden Wege des Mannes bekundet. Während ihre eigenen Wege, sofern sie nach der Aufgabe, das Häusliche zu bewältigen, zielen, klar u. unmißverständlich daliegen, sodaß sich etwaige Wege in Gesellschaft deutlich absondern, überträgt sie eine solche klare Absonderungsmöglichkeit auch auf die Wege des Mannes {2266} u. will nicht verstehen, wie dort vielfach auch scheinbare Gesellschaftswege im Range von Erwerbswegen stehen oder zumindest Nebenwege vorstellen. Gesellt sich dazu der verhängnisvolle Irrtum der Frau, in der Ehe sei so etwas wie Gesellschaft fortzusetzen, so neigt sie nur zu oft dazu, jegliche Abweichung von der nackten Tagesaufgabe für einen Verstoß gegen die ihr gebührende gesellschaftliche Rücksicht, als Eigenweg des Mannes zu deuten. —© Transcription Marko Deisinger. |
August 5, 1920 Nearly cloudless.
— Seefeld is celebrating the local patron saint, Oswald. We originally plan to go into the woods to look for mushrooms, but reconsider and walk without carrying any bags to Leutasch, with the intention of coming home across Buchen, Mösern; we leave the house at 8:45. In the restaurant in Leutasch at Xanderwirt, we learn that many Germans have registered to visit, but could not be accepted due to the circumstances. The proprietor says of the people of Innsbruck that they were so unabashed as to offer 25 Kronen for room and board. Almost no tourists along the way. Finally a couple enters the restaurant, from whom we learn that it only takes one-and-a-quarter hours to walk to Buchen. So we continue our walk through quite a nice valley between Hochmoos and Munde. About five minutes before the restaurant in Buchen, we take a path that leads down too low and only get back on the correct path following information from a man who happens to walk by. On the way to Mösern we make a mistake, but it is corrected right away. In Mösern we see Dr. Schreiber with his entire family. Unfortunately no milk, no butter. Dr. Harpner keeps to himself. — News from Otto Erich Deutsch about the birth of a son. 1 — The fact that a wife shows little insight into the interwoven activities of her husband leads to many misunderstandings in marriage. Whereas her own activities, to the extent that they are aimed at managing the home, are clearly and unmistakably laid out, such that any activities in society are clearly distinguishable, she applies the possibility of such clear separation to the actions of her husband as well {2266} and does not want to comprehend that, [for him], in many cases apparently social activities are also equally important to professional activities or at least represent byways. If that is joined by the fateful error of a wife of continuing something akin to society within the marriage, she all to frequently tends to interpret every deviation from barebones daily responsibilities as an affront against the social courtesy she deserves, as an independent action by her husband. —© Translation Scott Witmer. |
Footnotes1 = OJ 10/3, [11], July 11, 1920. |