10. V. 14

Fahnen der Literatur-Rubrik eingelangt. — Bei Regen nach Weidlingau, von dort nach HetzendorfHietzing.

*

Brief an Hertzka wegen op. 101 u. 106 1 diktiert, mit bestimmter Forderung von je Kr. 4000 pro Arbeit.

*

Das „ nNeue Wiener Journal“ bringt ein Interview mit einem Diplomaten, der endlich den Mut findet, von einer Gefahr der Presse zu sprechen, die, wenn ein Regieren möglich werden sollte, in ihrer zerstörenden Wirkung eingeschränkt werden muß. Ich fürchte, die Menschheit kommt zu spät darauf, welchen Schaden Menschen gestiftet haben, die für gar nichts anderes lebten, als blos dafür [,] die Jauche ihrer Stimmung über das Tun u. Lassen anderer auszugießen u. aus Pest, Tod, Freude Zeilen u. Geldvorteile herauszuschinden von Leuten, die in Ermanglung einer Befähigung zu präzisiertem Erwerb zu einem Erwerb greifen, der gleichsam sämtliche Branchen in Worten, aber nicht in Taten in sich einschließt.

[two clippings comprising the end and the beginning of a newspaper article:]
Europa und die Möglichkeit eines Weltkrieges. Interview mit einem Botschafter der Tripelentente.
Berlin, 9. Mai (Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals“.) Ein Mitarbeiter des „Berliner Lokalanzeigers“ hatte kürzlich eine Unterredung mit dem am Berliner Hofe beglaubigten Botschafter einer der drei Ententemächte, der sich in folgender Weise äußerte: „Es ist mir unfaßlich, wie nach den Erfahrungen der beiden letzten Jahre die hiesige sowohl wie die ausländische Presse […]

[…] nennenswerte Aenderung bringt. Eine der großen Gefahren der Zukunft sehe ich für alle Länder in dem schrankenlosen
Wachstum der Macht der Presse,
das über kurz oder lang das Regieren überhaupt unmöglich machen muß. Ich bin von Jugend auf ein glühender Anhänger unbedingter Freiheit der Presse gewesen, aber ich muß mir sagen, daß ihr Einfluß auf die Beziehungen der Völker in den letzten Jahren ein immer unheilvollerer geworden ist und es noch mehr zu werden droht, wenn nicht Gegenmittel gefunden werden. Jeder Thyrann der Vergangenheit ist irgendeinem einschränkenden Einfluß unterworfen gewesen. Die Großen des Landes, seine eigene Leibgarde oder die Stände und Parlamente waren immer da, ihn an seine Verantwortlichkeit zu erinnern und seiner Willkür Schranken zu setzen. Die moderne Presse aber, aller gesetzlichen Fesseln, besonders in auswärtigen Angelegenheiten ledig, ist ein Thyrann ohne Schranken und ohne Verantwortlichkeit. Die Regierungen der ganzen Welt werden über kurz oder lang diesem Zustand ihre ernsteste Beachtung schenken müssen, bevor ihnen die Macht, dieses in wirksamer Weise zu tun, für immer aus den Händen gleitet.“ 2

*

{568} Zwei Gerichts-Affairen zeigen eine echt orientalische Justiz in Oesterreich: Die Affaire des Erzherzogs Ernst u. seiner Frau, sowie die Klage des Hofopern-Direktors Gregor gegen seinen Kapellmeister Guarnerie.

*

Die N. Fr. Pr. zeigt im Büchereinlauf 3 eine Broschüre unter dem treffenden Titel an: „Apachen im Talar.“ (Stuttgart, Selbstverlag.) 4

*

© Transcription Marko Deisinger.

May 10, 1914.

Galley proofs for the section on the literature received. — In the rain to Weidlingau, from there to Hetzendorf and Hietzing.

*

Letter to Hertzka concerning Op. 101 and Op. 106 1 dictated, with a clear request for 4,000 Kronen for each piece of work.

*

The Neues Wiener Journal prints an interview with a diplomat who finally finds the courage to speak about the danger of the press, which must be curtailed in its destructive effect if there is to be a viable form of government. I fear that humanity has been too late in recognizing the damage that people have caused who have lived for nothing else than to spread the sewage of their attitude over what others do and do not do, and to gain lines about pestilence, death and joy as well as monetary advantages from people who, lacking the ability to do a useful piece of work, grapple to acquire something that, so to speak, encompasses all trades in words, but not in deeds.

[two clippings comprising the end and the beginning of a newspaper article:]
Europe and the Possibility of a World War: Interview with an Ambassador from the Triple Entente.
Berlin, May 9 (private telegram of the " Neues Wiener Journal "). A correspondent of the Berliner Lokalanzeiger recently had a conversation with the ambassador from one of the three Entente powers stationed at the Berlin court, who expressed himself in the following way: "It is incomprehensible to me how, after the experiences of the last two years, the local and also the foreign press […]

[…] brings an appreciable change. In my view, one of the great dangers for the future, for all countries, is the unbridled
growth in the power of the press,
which in the long run must make the government utterly impossible. Since my youth I have been an ardent supporter of the unconditional freedom of the press; but I must now say to myself that its influence on the relationships between nations has, in recent years, become ever more calamitous and threatens to become even more so if means are not found to counter it. Every tyrant of the past has been subject to some sort of curbing influence. The great people of the country, his own life guards or the status groups or parliament were always there to remind him of his responsibility and to set limits on his despotism. The modern press, however, free of all legal fetters, especially in foreign matters, is a tyrant without limits and without responsibility. The governments of the entire world will, sooner or later, have to give their most serious attention to this situation before the power to do so effectively slides out of their hands forever." 2

*

{568} Two court cases expose a genuinely oriental justice system in Austria: the case of Archduke Ernst and his wife, as well as the action taken by the director of the Court Opera, Gregor, against his conductor Guarnieri.

*

The Neue freie Presse lists among its book acquisitions 3 a paperback under the trenchant title: Apachen im Talar [Apaches in priestly robes] (Stuttgart, author's edition.) 4

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© Translation William Drabkin.

10. V. 14

Fahnen der Literatur-Rubrik eingelangt. — Bei Regen nach Weidlingau, von dort nach HetzendorfHietzing.

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Brief an Hertzka wegen op. 101 u. 106 1 diktiert, mit bestimmter Forderung von je Kr. 4000 pro Arbeit.

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Das „ nNeue Wiener Journal“ bringt ein Interview mit einem Diplomaten, der endlich den Mut findet, von einer Gefahr der Presse zu sprechen, die, wenn ein Regieren möglich werden sollte, in ihrer zerstörenden Wirkung eingeschränkt werden muß. Ich fürchte, die Menschheit kommt zu spät darauf, welchen Schaden Menschen gestiftet haben, die für gar nichts anderes lebten, als blos dafür [,] die Jauche ihrer Stimmung über das Tun u. Lassen anderer auszugießen u. aus Pest, Tod, Freude Zeilen u. Geldvorteile herauszuschinden von Leuten, die in Ermanglung einer Befähigung zu präzisiertem Erwerb zu einem Erwerb greifen, der gleichsam sämtliche Branchen in Worten, aber nicht in Taten in sich einschließt.

[two clippings comprising the end and the beginning of a newspaper article:]
Europa und die Möglichkeit eines Weltkrieges. Interview mit einem Botschafter der Tripelentente.
Berlin, 9. Mai (Privattelegramm des „Neuen Wiener Journals“.) Ein Mitarbeiter des „Berliner Lokalanzeigers“ hatte kürzlich eine Unterredung mit dem am Berliner Hofe beglaubigten Botschafter einer der drei Ententemächte, der sich in folgender Weise äußerte: „Es ist mir unfaßlich, wie nach den Erfahrungen der beiden letzten Jahre die hiesige sowohl wie die ausländische Presse […]

[…] nennenswerte Aenderung bringt. Eine der großen Gefahren der Zukunft sehe ich für alle Länder in dem schrankenlosen
Wachstum der Macht der Presse,
das über kurz oder lang das Regieren überhaupt unmöglich machen muß. Ich bin von Jugend auf ein glühender Anhänger unbedingter Freiheit der Presse gewesen, aber ich muß mir sagen, daß ihr Einfluß auf die Beziehungen der Völker in den letzten Jahren ein immer unheilvollerer geworden ist und es noch mehr zu werden droht, wenn nicht Gegenmittel gefunden werden. Jeder Thyrann der Vergangenheit ist irgendeinem einschränkenden Einfluß unterworfen gewesen. Die Großen des Landes, seine eigene Leibgarde oder die Stände und Parlamente waren immer da, ihn an seine Verantwortlichkeit zu erinnern und seiner Willkür Schranken zu setzen. Die moderne Presse aber, aller gesetzlichen Fesseln, besonders in auswärtigen Angelegenheiten ledig, ist ein Thyrann ohne Schranken und ohne Verantwortlichkeit. Die Regierungen der ganzen Welt werden über kurz oder lang diesem Zustand ihre ernsteste Beachtung schenken müssen, bevor ihnen die Macht, dieses in wirksamer Weise zu tun, für immer aus den Händen gleitet.“ 2

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{568} Zwei Gerichts-Affairen zeigen eine echt orientalische Justiz in Oesterreich: Die Affaire des Erzherzogs Ernst u. seiner Frau, sowie die Klage des Hofopern-Direktors Gregor gegen seinen Kapellmeister Guarnerie.

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Die N. Fr. Pr. zeigt im Büchereinlauf 3 eine Broschüre unter dem treffenden Titel an: „Apachen im Talar.“ (Stuttgart, Selbstverlag.) 4

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© Transcription Marko Deisinger.

May 10, 1914.

Galley proofs for the section on the literature received. — In the rain to Weidlingau, from there to Hetzendorf and Hietzing.

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Letter to Hertzka concerning Op. 101 and Op. 106 1 dictated, with a clear request for 4,000 Kronen for each piece of work.

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The Neues Wiener Journal prints an interview with a diplomat who finally finds the courage to speak about the danger of the press, which must be curtailed in its destructive effect if there is to be a viable form of government. I fear that humanity has been too late in recognizing the damage that people have caused who have lived for nothing else than to spread the sewage of their attitude over what others do and do not do, and to gain lines about pestilence, death and joy as well as monetary advantages from people who, lacking the ability to do a useful piece of work, grapple to acquire something that, so to speak, encompasses all trades in words, but not in deeds.

[two clippings comprising the end and the beginning of a newspaper article:]
Europe and the Possibility of a World War: Interview with an Ambassador from the Triple Entente.
Berlin, May 9 (private telegram of the " Neues Wiener Journal "). A correspondent of the Berliner Lokalanzeiger recently had a conversation with the ambassador from one of the three Entente powers stationed at the Berlin court, who expressed himself in the following way: "It is incomprehensible to me how, after the experiences of the last two years, the local and also the foreign press […]

[…] brings an appreciable change. In my view, one of the great dangers for the future, for all countries, is the unbridled
growth in the power of the press,
which in the long run must make the government utterly impossible. Since my youth I have been an ardent supporter of the unconditional freedom of the press; but I must now say to myself that its influence on the relationships between nations has, in recent years, become ever more calamitous and threatens to become even more so if means are not found to counter it. Every tyrant of the past has been subject to some sort of curbing influence. The great people of the country, his own life guards or the status groups or parliament were always there to remind him of his responsibility and to set limits on his despotism. The modern press, however, free of all legal fetters, especially in foreign matters, is a tyrant without limits and without responsibility. The governments of the entire world will, sooner or later, have to give their most serious attention to this situation before the power to do so effectively slides out of their hands forever." 2

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{568} Two court cases expose a genuinely oriental justice system in Austria: the case of Archduke Ernst and his wife, as well as the action taken by the director of the Court Opera, Gregor, against his conductor Guarnieri.

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The Neue freie Presse lists among its book acquisitions 3 a paperback under the trenchant title: Apachen im Talar [Apaches in priestly robes] (Stuttgart, author's edition.) 4

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 The Erläuterungsausgabe of Beethoven's Piano Sonata Op. 106, which was never completed.

2 "Europa und die Möglichkeit eines Weltkrieges. Interview mit einem Botschafter der Tripelentente," Neues Wiener Journal, No. 7377, May 10, 1914, 22nd year, p. 3.

3 "Eingesendete Bücher," Neue freie Presse, No. 17854, May 10, 1914, morning edition, p. 38.

4 Egon Wikursa [= Eugen Weinbrenner], Apachen im Talar. Ein Panama der deutschen Rechtspflege (Stuttgart: author's edition, 1914).