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OJ 89/7, [2] - Handwritten letter from Schenker to Hoboken, dated January 13, 1934
Es hat längere Zeit gebraucht, bis ich auf die letzte Zeile im mir zugekommenen Formular der Rotterdam'schen Bank aufmerksam wurde, nun weiß ich es u. bestätige an Ihre Adresse den Empfang des angewiesenen Betrages von S. 3120. 2 Vielen Dank. (An die Bank schreibe ich nicht, sollte es dennoch notwendig sein, so wird mich die Bank wohl noch einmal erinnern.) Daß Sie den Grund in Grinzing erworben haben, 3 ist sehr Grund für uns Alle, uns dessen {2} sehr zu freuen, warum fügten Sie aber dieser schönen Mitteilung Worte hinzu, die einen Rückgang des Kaufes immerhin noch möglich erscheinen lassen? Also warte ich die endgültige Entscheidung ab — der Aberglaube in mir gebietet es so —, dann will ich mit Wunsch u. Segen herausrücken. Mir scheint Wien heute der plausibelste Ort für Sie zu sein, schon weil sich hier — lachen Sie nicht — die Juden in der Musik betätigen können u. allerhand Spielarten (zum Verdruß, zur Unterhaltung) zeigen. „Rasse“ ist gut, der Rasse „Inzucht“ aber ist trüb (wie die Römer sagten: auch die Tugend darf nicht übertrieben werden), die Kunst steht ganz wo anders, also ist es ganz nett in der Welt eingerichtet, wenn in Wien {3} noch allerhand Fremdrassigen interessante Farbenflecke vorstellen (Juden, Ungarn, Slaven, Italiener usw usw.)[.] Der Empfang der Aufsätze sei auch noch bestätigt. Noch zwei Kapitel, dann schließe ich den „fr. S“ — so unglaublich es in heutiger Zeit Klingen mag — ganz ab! Vorgestern war Dr. Kalmus bei mir, doch davon lieber mündlich. (Er erzählte mir, daß von der „IX“ Sinf. (1000 Ex-Aufl.) bis heute 900 Ex verkauft wurden, da darf ich wohl zufrieden sein.[)] Hoffentlich geht es Ihnen Beiden in der {4} Gesundheit andauernd gut, namentlich Ihrer verehrten Gattin, die zuletzt wohl mehr als Sie in Frage kam. Lassen Sie recht bald die erfreuliche Nachricht an uns gelangen! Mit besten Grüßen, Wünschen u Empfehlungen an Sie Beide von uns Beiden PS. © Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2017 |
It has taken a longer time for me to become aware of the last line in the form that came to me from the Bank of Rotterdam; now I am aware of it, and confirm, to your address, receipt of the transferred amount of 3,120 shillings. 2 Thank you. (I am not writing to the bank; should that nevertheless be necessary, the bank will no doubt remind me.) That you have acquired the plot of ground in Grinzing 3 is ample grounds for us all {2} to rejoice very much; but why have you added to this wonderful report words that make a reversal of the purchase seem possible? Thus I await the ultimate decision ‒ the superstition in me commands it so ‒, then I will pay off with wish and blessing. Vienna today seems to me to be the most plausible location for you, just because here ‒ don't laugh ‒ the Jews can make their mark in music and show many varieties (e.g. annoyance, entertainment). "Race" is good, "inbreeding" of race, however, is murky (as the Romans used to say: even virtue must not be overdone), Art occupies a completely different place, so it is perfectly appropriate in the world that in Vienna {3} racial aliens still represent interesting flecks of color (Jews, Hungarians, Slavs, Italians, etc., etc.). Let receipt of the essays be confirmed as well. Two more chapters, then ‒ however incredible it may sound at the present time ‒ and I am completely finished with Free Composition ! Day before yesterday Dr. Kalmus visited me, but about that, better when we talk. (He told me that of the Ninth Symphony (print-run of 1,000 copies) thus far 900 copies have been sold, so I may well be satisfied.) I hope all continues to go well for you both in matters of {4} health, especially for your esteemed wife, who most recently was cause for more concern than yourself. Let us have the happy news very soon! With best greetings, wishes, and regards to you both from both of us. P.S. © Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2017 |
Es hat längere Zeit gebraucht, bis ich auf die letzte Zeile im mir zugekommenen Formular der Rotterdam'schen Bank aufmerksam wurde, nun weiß ich es u. bestätige an Ihre Adresse den Empfang des angewiesenen Betrages von S. 3120. 2 Vielen Dank. (An die Bank schreibe ich nicht, sollte es dennoch notwendig sein, so wird mich die Bank wohl noch einmal erinnern.) Daß Sie den Grund in Grinzing erworben haben, 3 ist sehr Grund für uns Alle, uns dessen {2} sehr zu freuen, warum fügten Sie aber dieser schönen Mitteilung Worte hinzu, die einen Rückgang des Kaufes immerhin noch möglich erscheinen lassen? Also warte ich die endgültige Entscheidung ab — der Aberglaube in mir gebietet es so —, dann will ich mit Wunsch u. Segen herausrücken. Mir scheint Wien heute der plausibelste Ort für Sie zu sein, schon weil sich hier — lachen Sie nicht — die Juden in der Musik betätigen können u. allerhand Spielarten (zum Verdruß, zur Unterhaltung) zeigen. „Rasse“ ist gut, der Rasse „Inzucht“ aber ist trüb (wie die Römer sagten: auch die Tugend darf nicht übertrieben werden), die Kunst steht ganz wo anders, also ist es ganz nett in der Welt eingerichtet, wenn in Wien {3} noch allerhand Fremdrassigen interessante Farbenflecke vorstellen (Juden, Ungarn, Slaven, Italiener usw usw.)[.] Der Empfang der Aufsätze sei auch noch bestätigt. Noch zwei Kapitel, dann schließe ich den „fr. S“ — so unglaublich es in heutiger Zeit Klingen mag — ganz ab! Vorgestern war Dr. Kalmus bei mir, doch davon lieber mündlich. (Er erzählte mir, daß von der „IX“ Sinf. (1000 Ex-Aufl.) bis heute 900 Ex verkauft wurden, da darf ich wohl zufrieden sein.[)] Hoffentlich geht es Ihnen Beiden in der {4} Gesundheit andauernd gut, namentlich Ihrer verehrten Gattin, die zuletzt wohl mehr als Sie in Frage kam. Lassen Sie recht bald die erfreuliche Nachricht an uns gelangen! Mit besten Grüßen, Wünschen u Empfehlungen an Sie Beide von uns Beiden PS. © Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2017 |
It has taken a longer time for me to become aware of the last line in the form that came to me from the Bank of Rotterdam; now I am aware of it, and confirm, to your address, receipt of the transferred amount of 3,120 shillings. 2 Thank you. (I am not writing to the bank; should that nevertheless be necessary, the bank will no doubt remind me.) That you have acquired the plot of ground in Grinzing 3 is ample grounds for us all {2} to rejoice very much; but why have you added to this wonderful report words that make a reversal of the purchase seem possible? Thus I await the ultimate decision ‒ the superstition in me commands it so ‒, then I will pay off with wish and blessing. Vienna today seems to me to be the most plausible location for you, just because here ‒ don't laugh ‒ the Jews can make their mark in music and show many varieties (e.g. annoyance, entertainment). "Race" is good, "inbreeding" of race, however, is murky (as the Romans used to say: even virtue must not be overdone), Art occupies a completely different place, so it is perfectly appropriate in the world that in Vienna {3} racial aliens still represent interesting flecks of color (Jews, Hungarians, Slavs, Italians, etc., etc.). Let receipt of the essays be confirmed as well. Two more chapters, then ‒ however incredible it may sound at the present time ‒ and I am completely finished with Free Composition ! Day before yesterday Dr. Kalmus visited me, but about that, better when we talk. (He told me that of the Ninth Symphony (print-run of 1,000 copies) thus far 900 copies have been sold, so I may well be satisfied.) I hope all continues to go well for you both in matters of {4} health, especially for your esteemed wife, who most recently was cause for more concern than yourself. Let us have the happy news very soon! With best greetings, wishes, and regards to you both from both of us. P.S. © Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2017 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3890, January 13, 1934: "An v. H. (Br.): bestätige den Empfang des Geldes, gebe meiner Freude Ausdruck über den Ankauf des Grundstückes, rate noch einmal zu Wien – der Abschluß des freien Satzes steht bevor." ("To Hoboken (letter): I confirm the receipt of the money, express my delight about the purchase of the plot of land, advise him once more in favor of Vienna – the completion of Free Composition is imminent."). 2 Financial support toward the printing costs of Der freie Satz. 3 Communicated in OJ 89/7, [1]. Grinzing: northwestern suburb of Vienna, noted for its vineyards and viticulture; an independent municipality until 1892, it is now incorporated within the 19th District (Döbling). |