4. III. 18 +7°, Regen.
— Friedenschluß mit Rußland! Die vierzehn Artikel des Friedensinstrumentes bewirken eine ganz große Reduktion des Riesenreiches, wie man sie noch vor drei Jahren nicht für möglich gehalten hätte – der russische Kolloß [sic] hat sich also als das erwiesen, was er wirklich war: als Wahn unwissender Menschen. Schade, daß nicht eine ähnliche Methode, wie die Hindenburgs auch auf die geistige Bedeutung des russischen Kollosses [sic] anwendbar, sonst müßte ein Friedensinstrument, von einer solchen Hand diktiert, gleichsam das tönerne der russischen Literatur nicht minder erweisen. — Der „Morgen“ ist nun bereits in Bewunderung für Deutschland begriffen; er spricht vom Segen, der den freigewordenen Staaten zuteil wird. 1 Der Dummkopf bedenkt nicht, wie er damit nur sich selbst widerspricht: denn war er bis gestern noch für einen Verständigungsfrieden, wie er selbst ihn sich denkt u. meinte er, nur ein solcher könnte zum Segen auch allen kleineren Staaten gereichen, die nunmehr von Rußland losgelöst sind, so müßte er eigentlich darüber Auskunft geben, wie er sich den Segen des Brester Friedens vorstellt, wenn er es {850} offenbar auch für Segen hielt, wenn die Staaten bei Rußland verblieben wären. Aber Segen hin, Segen her – der Zeitungskanaille kommt es doch nur auf 40 – 50 Zeilen an. — Von Hans aus Szeged Fett in einer Dose, durch einen Korporal überbracht, der dafür 4 Kronen erhält; leider hat eine diebische Hand nur allzu generös für sich im Fett gewaltet u. wir müssen froh sein, daß in der Dose immerhin noch die Hälfte enthalten war. Der Korporal bestätigt über Befragen, daß die Soldaten reichlich mit Fleisch versehen sind, nur daß es ihnen an Brot u. Zigarren mangle. — Frl. Selig kommt nicht zur Stunde; die Schriftliche Absage trifft erst gegen Abend ein. — „Sonn- u. Montags Ztg.“ nimmt den Friedenschluß zum Anlaß, wieder u. diesmal gegen das Herrnhaus [sic] für den Verständigungsfrieden zu werben; dabei passiert dem Journalisten das lächerlichste qui[d] pro quo: er weist auf die soeben errungenen Siege u. Erfolge hin u. meint, daß die Mittelmächte nunmehr als unbestrittene Sieger zu einem Verständigungsfrieden sich wohl schon bereitfinden lassen könnten u. dürfen. 2 Der Narr übersieht, daß diese Situation doch umgekehrt nur durch Vermeidung eines Verständigungsfrieden erreicht werden konnte; d. h.: wäre nicht der Osten gebändigt worden, wie es eben geschehen ist, so könnte er, der Journalist, die These von heute ja überhaupt gar nicht aufstellen! Der unselige Narr vergißt, daß gewiß auch England u. Frankreich zu einem Verständigungsfrieden zu haben wären, doch aber nur dann, bis auch sie, ähnlich wie die Mittelmächte, zuerst gesiegt haben werden. Es ist leicht, den andern Siege vorbereiten u. vollenden zu lassen u. sich eben auf diese zu berufen[,] um einen Mann der Verständigung zu spielen. Siegen u. hernach sich verständigen – gegen dieses Motto würde die Entente sicher nichts einzuwenden haben. — Die Gänslerin überwälzt nach eigenem Geständnis 1 Kg Gewichtsverlust bei ihrem Hühnereinkauf auf die Kunden, als würde sie den Uebergewinn früher mit den Kunden geteilt haben; auch fragt {851} es sich, ob der Verlust auf Wahrheit beruht. — Von Vrieslander (Br.): teilt mit, daß Halm, Dahms mit Ueberzeugung mitzuwirken gesonnen sind, Roth wohl auch, wenn auch mit weniger Ueberzeugung, worin er nebenbei ein Argument mehr für die in seinem Brief mir mitgeteilte Warnung findet; von Weisse u. Violin sei noch keine Antwort eingetroffen, Brünauer aber sei zur Sachlichkeit zu ermahnen; außerdem erwahnt [sic] V., daß Halm die Anregung zu geben gesonnen ist, mein Klavierspiel in einem mechanischen Apparat festzuhalten – erkundigt sich nach meinen Gedanken hierüber. — Schöner Sonnenuntergang. — Neues Dienstmädchen im Hause. —© Transcription Marko Deisinger. |
March 4, 1918, +7°, Rain.
— Peace agreement with Russia! The fourteen articles of the peace treaty bring about a very large reduction of the great Empire, as no one could have envisioned three years ago. The Russian colossus has thus shown itself to be what it really always was: a delusion harbored by unschooled individuals. It is a pity that a similar method that of Hindenburg could not have been applied also to the Russian colossus's spiritual dimension: otherwise, an instrument of peace, dictated by such a hand, would have been bound no less to reveal, so to speak, the earthen quality of Russian literature. — The Morgen is now in thrall to Germany; it talks about the blessing that will be imparted to the liberated states. 1 The dullard does not realize that by saying this it is contradicting itself, for until yesterday it was in favor of the negotiated peace, as it conceived of it, maintaining that only just such a peace would suffice for all the smaller states that have now been uncoupled from Russia. But it ought actually to explain how it imagines the blessing of the Brest Peace Treaty, when it {850} clearly considered it a blessing if the states remained within Russia. But a blessing here, a blessing there – for the scoundrels of the press it is all only about producing 40 or 50 lines. — From Hans from Szeged a jar of lard, delivered by a corporal, for which he receives 4 Kronen; unfortunately a thieving hand has helped itself to the jar, so that we are lucky that half its contents are still intact. The corporal responds to our inquiries by saying that the soldiers are well supplied with meat, but that they are lacking bread and cigars. — Miss Selig does not turn up for her lesson; her written apology arrives only toward evening. — Sonn- und Montags-Courier takes the peace treaty as an occasion to canvass against the Upper House and for the negotiated peace; in so doing the journalist commits the most ludicrous quid pro quo: he points to recently achieved victories and successes and opines that henceforth, as undisputed victors, the Central Powers might, and should, find themselves well prepared to accept a negotiated peace. 2 The idiot overlooks the fact that on the contrary this situation could only be achieved by avoiding a negotiated peace: i.e. if the East had not been subdued, as it has been, then he, the journalist, could not even put forth his theory of the day! The disastrous fool forgets that certainly England and France, too, would be open to a negotiated peace, but only if, like the Central Powers, they have already secured victory. It is easy to let the other side prepare for victory and even let them accomplish it, in order that one can play the role of a negotiator. Be victorious and hereafter seek negotiation – the Entente would certainly not have anything to say against that[!] — The goose seller admits that when buying her chickens she has passed off weight losses of 1 kilo on to her customers, as if she were wont in the past to divide up her profits with her clients; the question {851} arises whether or not the the loss of weight is based on truth. — From Vrieslander (letter): intimates that Halm and Dahms are inclined to collaborate with conviction, Roth as well, albeit with less conviction, whereby he himself has in addition furnished one more argument for the warning he issued me in his letter; from Weisse and Violin no answer has yet been received, however Brünauer is to be warned about objectivity; apart from this Vrieslander mentions that Halm wants to suggest that my piano playing should be captured by a mechanical apparatus – inquires about my thoughts on that. — Beautiful sunset. — New maidservant in the house. —© Translation Stephen Ferguson. |
4. III. 18 +7°, Regen.
— Friedenschluß mit Rußland! Die vierzehn Artikel des Friedensinstrumentes bewirken eine ganz große Reduktion des Riesenreiches, wie man sie noch vor drei Jahren nicht für möglich gehalten hätte – der russische Kolloß [sic] hat sich also als das erwiesen, was er wirklich war: als Wahn unwissender Menschen. Schade, daß nicht eine ähnliche Methode, wie die Hindenburgs auch auf die geistige Bedeutung des russischen Kollosses [sic] anwendbar, sonst müßte ein Friedensinstrument, von einer solchen Hand diktiert, gleichsam das tönerne der russischen Literatur nicht minder erweisen. — Der „Morgen“ ist nun bereits in Bewunderung für Deutschland begriffen; er spricht vom Segen, der den freigewordenen Staaten zuteil wird. 1 Der Dummkopf bedenkt nicht, wie er damit nur sich selbst widerspricht: denn war er bis gestern noch für einen Verständigungsfrieden, wie er selbst ihn sich denkt u. meinte er, nur ein solcher könnte zum Segen auch allen kleineren Staaten gereichen, die nunmehr von Rußland losgelöst sind, so müßte er eigentlich darüber Auskunft geben, wie er sich den Segen des Brester Friedens vorstellt, wenn er es {850} offenbar auch für Segen hielt, wenn die Staaten bei Rußland verblieben wären. Aber Segen hin, Segen her – der Zeitungskanaille kommt es doch nur auf 40 – 50 Zeilen an. — Von Hans aus Szeged Fett in einer Dose, durch einen Korporal überbracht, der dafür 4 Kronen erhält; leider hat eine diebische Hand nur allzu generös für sich im Fett gewaltet u. wir müssen froh sein, daß in der Dose immerhin noch die Hälfte enthalten war. Der Korporal bestätigt über Befragen, daß die Soldaten reichlich mit Fleisch versehen sind, nur daß es ihnen an Brot u. Zigarren mangle. — Frl. Selig kommt nicht zur Stunde; die Schriftliche Absage trifft erst gegen Abend ein. — „Sonn- u. Montags Ztg.“ nimmt den Friedenschluß zum Anlaß, wieder u. diesmal gegen das Herrnhaus [sic] für den Verständigungsfrieden zu werben; dabei passiert dem Journalisten das lächerlichste qui[d] pro quo: er weist auf die soeben errungenen Siege u. Erfolge hin u. meint, daß die Mittelmächte nunmehr als unbestrittene Sieger zu einem Verständigungsfrieden sich wohl schon bereitfinden lassen könnten u. dürfen. 2 Der Narr übersieht, daß diese Situation doch umgekehrt nur durch Vermeidung eines Verständigungsfrieden erreicht werden konnte; d. h.: wäre nicht der Osten gebändigt worden, wie es eben geschehen ist, so könnte er, der Journalist, die These von heute ja überhaupt gar nicht aufstellen! Der unselige Narr vergißt, daß gewiß auch England u. Frankreich zu einem Verständigungsfrieden zu haben wären, doch aber nur dann, bis auch sie, ähnlich wie die Mittelmächte, zuerst gesiegt haben werden. Es ist leicht, den andern Siege vorbereiten u. vollenden zu lassen u. sich eben auf diese zu berufen[,] um einen Mann der Verständigung zu spielen. Siegen u. hernach sich verständigen – gegen dieses Motto würde die Entente sicher nichts einzuwenden haben. — Die Gänslerin überwälzt nach eigenem Geständnis 1 Kg Gewichtsverlust bei ihrem Hühnereinkauf auf die Kunden, als würde sie den Uebergewinn früher mit den Kunden geteilt haben; auch fragt {851} es sich, ob der Verlust auf Wahrheit beruht. — Von Vrieslander (Br.): teilt mit, daß Halm, Dahms mit Ueberzeugung mitzuwirken gesonnen sind, Roth wohl auch, wenn auch mit weniger Ueberzeugung, worin er nebenbei ein Argument mehr für die in seinem Brief mir mitgeteilte Warnung findet; von Weisse u. Violin sei noch keine Antwort eingetroffen, Brünauer aber sei zur Sachlichkeit zu ermahnen; außerdem erwahnt [sic] V., daß Halm die Anregung zu geben gesonnen ist, mein Klavierspiel in einem mechanischen Apparat festzuhalten – erkundigt sich nach meinen Gedanken hierüber. — Schöner Sonnenuntergang. — Neues Dienstmädchen im Hause. —© Transcription Marko Deisinger. |
March 4, 1918, +7°, Rain.
— Peace agreement with Russia! The fourteen articles of the peace treaty bring about a very large reduction of the great Empire, as no one could have envisioned three years ago. The Russian colossus has thus shown itself to be what it really always was: a delusion harbored by unschooled individuals. It is a pity that a similar method that of Hindenburg could not have been applied also to the Russian colossus's spiritual dimension: otherwise, an instrument of peace, dictated by such a hand, would have been bound no less to reveal, so to speak, the earthen quality of Russian literature. — The Morgen is now in thrall to Germany; it talks about the blessing that will be imparted to the liberated states. 1 The dullard does not realize that by saying this it is contradicting itself, for until yesterday it was in favor of the negotiated peace, as it conceived of it, maintaining that only just such a peace would suffice for all the smaller states that have now been uncoupled from Russia. But it ought actually to explain how it imagines the blessing of the Brest Peace Treaty, when it {850} clearly considered it a blessing if the states remained within Russia. But a blessing here, a blessing there – for the scoundrels of the press it is all only about producing 40 or 50 lines. — From Hans from Szeged a jar of lard, delivered by a corporal, for which he receives 4 Kronen; unfortunately a thieving hand has helped itself to the jar, so that we are lucky that half its contents are still intact. The corporal responds to our inquiries by saying that the soldiers are well supplied with meat, but that they are lacking bread and cigars. — Miss Selig does not turn up for her lesson; her written apology arrives only toward evening. — Sonn- und Montags-Courier takes the peace treaty as an occasion to canvass against the Upper House and for the negotiated peace; in so doing the journalist commits the most ludicrous quid pro quo: he points to recently achieved victories and successes and opines that henceforth, as undisputed victors, the Central Powers might, and should, find themselves well prepared to accept a negotiated peace. 2 The idiot overlooks the fact that on the contrary this situation could only be achieved by avoiding a negotiated peace: i.e. if the East had not been subdued, as it has been, then he, the journalist, could not even put forth his theory of the day! The disastrous fool forgets that certainly England and France, too, would be open to a negotiated peace, but only if, like the Central Powers, they have already secured victory. It is easy to let the other side prepare for victory and even let them accomplish it, in order that one can play the role of a negotiator. Be victorious and hereafter seek negotiation – the Entente would certainly not have anything to say against that[!] — The goose seller admits that when buying her chickens she has passed off weight losses of 1 kilo on to her customers, as if she were wont in the past to divide up her profits with her clients; the question {851} arises whether or not the the loss of weight is based on truth. — From Vrieslander (letter): intimates that Halm and Dahms are inclined to collaborate with conviction, Roth as well, albeit with less conviction, whereby he himself has in addition furnished one more argument for the warning he issued me in his letter; from Weisse and Violin no answer has yet been received, however Brünauer is to be warned about objectivity; apart from this Vrieslander mentions that Halm wants to suggest that my piano playing should be captured by a mechanical apparatus – inquires about my thoughts on that. — Beautiful sunset. — New maidservant in the house. —© Translation Stephen Ferguson. |
Footnotes1 "Friede mit Rußland," in: Der Morgen, No. 9, March 4, 1918, 9th year, p. 1. 2 "Volkswirtschaftliches," in: Sonn- und Montags-Courier, No. 9, March 4 1918, 49th year, p. 3. |