7. XII. 17
An Sophie (recomm. Br.): Halms Aufsatz. 1 — An Mittelmann (K.): lehne weiteren Teebezug ab. — Lie-Liechen erwirbt endlich für – 105.90 Kronen ein paar [sic] Schuhe u. zwar in einem Modistengeschäft, das sich seit kurzem auch mit Schuhen befaßt. — Graf Czernin hält in den Delegationen eine überaus kräftige Rede, in der er insbesondere gegen Italien sogar eine deutliche Drohung ausspricht. — Im „Merker“ , 1. Dezemberheft, befaßt sich ein Herr Kurt [sic] Friedrich in einem Aufsatz über Musikkritik 2 meist mit den von mir in meinen Vorreden zu den Beeth. Ausg. niedergelegten Gedanken über die Hermeneuten u. Journalisten. Es wäre nicht gerade angebracht, den Ton zu unterschätzen, in dem der Verfasser des Aufsatzes von mir u. meinem Arbeiten spricht. Er hätte einen solchen Ton zwar nicht vor 3 Jahren angeschlagen, aber selbst nachdem der „Kunstwart“ u. andere Blätter die Bahn auch in Wien frei gemacht, scheint in Wien hier doch noch immer einigen Mut dazu zu gehören, so von mir zu denken, u. zumal zu schreiben. Die Idee des Verfassers ist freilich eine verfehlte: Gerade mir, also demjenigen, der wie er selbst zugibt, am besten zur Erkenntnis künstlerischer Werte befähigt ist, u. ausgerüstet ist, spricht er sonderbarer Weise die Fähigkeit ab, einen Hermeneuten wie Bekker ganz zu durchschauen, u. mir widersprechend meint er, es könnte doch auch unter den Hermeneuten welche geben, die Kenntnisse wohl haben, in ihrer Beziehung zum Publikum aber keine Gelegenheit finden, die Kenntnisse auszubreiten u. nur deshalb den Schein von Schwätzern auf sich laden. Als würde sich dem Kenner nicht durch jedes Wort eines solchen Schriftstellers die dessen drastischeste Unkenntnis von selbst verraten, als müßte es auch sonst nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn ein Autor mit großen {808} Kenntnissen vorzöge, diese zu verleugnen u. sich mit Geschwätz ans Publikum abzufinden. Der Kuriosität halber sei noch erwähnt, daß er mich als den genialen Autor auskomponierter Stufen anerkennt, nicht minder aber auch als „Mitbegründer“ der Schönberg’schen Nebenharmonien! Besser jedenfalls, als wenn er Schönberg den Mitbegründer meiner Stufenlehre u. dgl. genannt hätte! — An Rothberger (K.): über den Aufsatz im „Merker“, den ich zu lesen empfehle; ebenso an Mittelmann (K.). — Graf Czernin hält noch eine zweite Rede mit noch entscheidenderem Inhalt: er erhärtet v. Kühlmanns Ausspruch, daß Belgien kein Friedenshindernis sei u. erhebt wider die Entente ausdrücklich die Beschuldigung, daß sie den Frieden offenbar nicht wolle, wenn sie die Probe auf das Exempel nicht macht, die ihr ja immer frei steht. —© Transcription Marko Deisinger. |
December 7, 1917
To Sophie (registered letter): Halm's essay. 1 — To Mittelmann (postcard): decline further purchase of tea. — Lie-Liechen finally procures for – 105.90 Kronen a pair of shoes, namely in a modiste's shop, which has recently begun to deal with shoes. — Count Czernin makes an exceedingly powerful speech in the Delegations, in which he even articulates an explicit threat, particularly against Italy. — In Der Merker , first December issue, a Mr. Kurt [sic] Friedrich in an essay about music criticism 2 concerns himself mainly with the thoughts put forward by me in my prefaces to the Beethoven edition, about the hermeneuticists and journalists. It would not really be appropriate to underestimate the tone in which the author of the article speaks of me and my work. He would not have struck such a note only three years ago, [but] even after the Der Kunstwart and other papers cleared the way in Vienna, too, it seems that it still takes some courage in Vienna here to think of me, and let alone to write of me, thus. Admittedly the author's idea is mistaken: in a strange way he denies me, of all people, the ability to entirely see through a hermeneut like Bekker, though I am someone, as he himself admits, who is best able and equipped to understand artistic values. He opines, contradicting me, that amongst the hermeneuts there might indeed be several who have this understanding, but, on account of their relationship with their audiences, do not find any opportunity to disseminate this knowledge, and therefore, for that reason, only induce the appearance of being blatherers. As if, with every word of such a writer, his drastic unknowingness would not reveal itself all by itself to the connoisseur, [and] apart from that, it would have to be more than a little bit strange to have a case where an author, with great {808} knowledge, would prefer to suppress it, contenting himself before his audience with gibberish. For the sake of curiosity it can be mentioned, that he acknowledges me as the congenial author of composed out tonal pitches, and no less a "co-founder" of the Schoenberg secondary harmonies! That is in any case better, than if he had named Schoenberg as a co-founder of my scale-step theory and suchlike! — To Rothberger (postcard): about the article in Der Merker , which I recommend [him] to read; likewise to Mittelmann (postcard). — Graf Czernin makes a second speech with even more decisive subject matter: he substantiates von Kühlmann's dictum that Belgium is not an obstacle to peace and expressly prefers charges against the Entente, that it obviously does not want peace, if it does not put the rule to the test, which it is constantly free to do. —© Translation Stephen Ferguson. |
7. XII. 17
An Sophie (recomm. Br.): Halms Aufsatz. 1 — An Mittelmann (K.): lehne weiteren Teebezug ab. — Lie-Liechen erwirbt endlich für – 105.90 Kronen ein paar [sic] Schuhe u. zwar in einem Modistengeschäft, das sich seit kurzem auch mit Schuhen befaßt. — Graf Czernin hält in den Delegationen eine überaus kräftige Rede, in der er insbesondere gegen Italien sogar eine deutliche Drohung ausspricht. — Im „Merker“ , 1. Dezemberheft, befaßt sich ein Herr Kurt [sic] Friedrich in einem Aufsatz über Musikkritik 2 meist mit den von mir in meinen Vorreden zu den Beeth. Ausg. niedergelegten Gedanken über die Hermeneuten u. Journalisten. Es wäre nicht gerade angebracht, den Ton zu unterschätzen, in dem der Verfasser des Aufsatzes von mir u. meinem Arbeiten spricht. Er hätte einen solchen Ton zwar nicht vor 3 Jahren angeschlagen, aber selbst nachdem der „Kunstwart“ u. andere Blätter die Bahn auch in Wien frei gemacht, scheint in Wien hier doch noch immer einigen Mut dazu zu gehören, so von mir zu denken, u. zumal zu schreiben. Die Idee des Verfassers ist freilich eine verfehlte: Gerade mir, also demjenigen, der wie er selbst zugibt, am besten zur Erkenntnis künstlerischer Werte befähigt ist, u. ausgerüstet ist, spricht er sonderbarer Weise die Fähigkeit ab, einen Hermeneuten wie Bekker ganz zu durchschauen, u. mir widersprechend meint er, es könnte doch auch unter den Hermeneuten welche geben, die Kenntnisse wohl haben, in ihrer Beziehung zum Publikum aber keine Gelegenheit finden, die Kenntnisse auszubreiten u. nur deshalb den Schein von Schwätzern auf sich laden. Als würde sich dem Kenner nicht durch jedes Wort eines solchen Schriftstellers die dessen drastischeste Unkenntnis von selbst verraten, als müßte es auch sonst nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn ein Autor mit großen {808} Kenntnissen vorzöge, diese zu verleugnen u. sich mit Geschwätz ans Publikum abzufinden. Der Kuriosität halber sei noch erwähnt, daß er mich als den genialen Autor auskomponierter Stufen anerkennt, nicht minder aber auch als „Mitbegründer“ der Schönberg’schen Nebenharmonien! Besser jedenfalls, als wenn er Schönberg den Mitbegründer meiner Stufenlehre u. dgl. genannt hätte! — An Rothberger (K.): über den Aufsatz im „Merker“, den ich zu lesen empfehle; ebenso an Mittelmann (K.). — Graf Czernin hält noch eine zweite Rede mit noch entscheidenderem Inhalt: er erhärtet v. Kühlmanns Ausspruch, daß Belgien kein Friedenshindernis sei u. erhebt wider die Entente ausdrücklich die Beschuldigung, daß sie den Frieden offenbar nicht wolle, wenn sie die Probe auf das Exempel nicht macht, die ihr ja immer frei steht. —© Transcription Marko Deisinger. |
December 7, 1917
To Sophie (registered letter): Halm's essay. 1 — To Mittelmann (postcard): decline further purchase of tea. — Lie-Liechen finally procures for – 105.90 Kronen a pair of shoes, namely in a modiste's shop, which has recently begun to deal with shoes. — Count Czernin makes an exceedingly powerful speech in the Delegations, in which he even articulates an explicit threat, particularly against Italy. — In Der Merker , first December issue, a Mr. Kurt [sic] Friedrich in an essay about music criticism 2 concerns himself mainly with the thoughts put forward by me in my prefaces to the Beethoven edition, about the hermeneuticists and journalists. It would not really be appropriate to underestimate the tone in which the author of the article speaks of me and my work. He would not have struck such a note only three years ago, [but] even after the Der Kunstwart and other papers cleared the way in Vienna, too, it seems that it still takes some courage in Vienna here to think of me, and let alone to write of me, thus. Admittedly the author's idea is mistaken: in a strange way he denies me, of all people, the ability to entirely see through a hermeneut like Bekker, though I am someone, as he himself admits, who is best able and equipped to understand artistic values. He opines, contradicting me, that amongst the hermeneuts there might indeed be several who have this understanding, but, on account of their relationship with their audiences, do not find any opportunity to disseminate this knowledge, and therefore, for that reason, only induce the appearance of being blatherers. As if, with every word of such a writer, his drastic unknowingness would not reveal itself all by itself to the connoisseur, [and] apart from that, it would have to be more than a little bit strange to have a case where an author, with great {808} knowledge, would prefer to suppress it, contenting himself before his audience with gibberish. For the sake of curiosity it can be mentioned, that he acknowledges me as the congenial author of composed out tonal pitches, and no less a "co-founder" of the Schoenberg secondary harmonies! That is in any case better, than if he had named Schoenberg as a co-founder of my scale-step theory and suchlike! — To Rothberger (postcard): about the article in Der Merker , which I recommend [him] to read; likewise to Mittelmann (postcard). — Graf Czernin makes a second speech with even more decisive subject matter: he substantiates von Kühlmann's dictum that Belgium is not an obstacle to peace and expressly prefers charges against the Entente, that it obviously does not want peace, if it does not put the rule to the test, which it is constantly free to do. —© Translation Stephen Ferguson. |
Footnotes1 August Halm, "Heinrich Schenker," Freie Schulgemeinde, October 1, 1917, a clipping of which is preserved in Schenker's scrapbook at OC 2/p. 53. 2 Hans Friedrich, "Über Musikkritik," Der Merker, December 1, 1917, pp. 790–95, a clipping of which is preserved in Schenker's scrapbook at OC 2/p. 53. |