18. Ein Tag von unvergleichlich fortreißender Schönheit!
Um ½6h auf die Beine, um ¼8h nach Zirl. Auf dem Seefelder Hochplateau zog dichter kalter Nebel, der die Glieder beinahe erstarren machte. Das schmale Frühstück war leider nicht hinreichend, innere Wärme zu erzeugen. In Reith erste Sonne! Nun ein Wandern, wie in einer verzauberten Stunden u. auf verzaubertem Fleck. In Leithen die Häuser mit Spalierobst, Marillen, über u. über bedeckt. Auf dem Horizont hoch oben fängt eine Reihe von Laubbäumen die ersten Sonnenstrahlen so auf, daß sie kaum gestreift werden u. wir, tief unten im Schatten wandernd, die Blätter fast zählen können, ohne die Lichtquelle zu sehen. Weiter unten ein verzaubertes Bänkchen, das eine enthuastische [sic] kunstbeflissene Hand aus Birkenstämmen gar wunderlich durcheinandergeflochten. Von dieser Stelle erblicken wir in der Ferne einen großen Gletscher, der vermutlich den Tuxer Alpen vielleicht Olperer angehört u. dessen Weiß geradezu in der Sonne kreischte. Um ¾9h {749} nehmen wir auf der Straße das 2. Frühstück ein, das wir mit uns genommen hatten. Nun die große Straßen wWindnung , – die Strasse umsäumt von wundervollen alten Bäumen. ; Ddrei Marterln fallen uns auf, Opfer der sSteilen Stelle, (Auto-, Fahrradunfall) usw. – u. Aan Ruinen vorüber treffen wir in Zirl ein. Der Eindruck erinnert lebhaft an Sterzing. Die nach dem Brande neu aufgebauten wie auch die alten Häuschen scheinen noch alle wie einer anderen Epoche anzugehören; fast ist es, als lebten, webten[,] redeten u. unterhielten sich hier nur die Häuser, u. nicht u. weniger die Menschen, so nebensächlich, bloß so sehr nur als Staffage wirkend nehmen kommen die Lebewesen hier neben den ihren Behausungen in Betracht. kKrumme Gässchen, Schwibbogen, Erker u. Erkerchen, Ueberall [recte überall] Loggien in den Stockwerken, überall Blumen u. allerhand bäuerliche Niedlichkeiten u. Zierlichkeiten, Wandmalereien, Heiligen-Statuetten, (zumal viel zitiert der heilige Florian –) dies alles im Angesicht des eines zerklüfteten Solstein u. umrauscht von den donnernden Wogen des Inn, wahrlich eine überaus eindringliche Einheit, aus so überaus starken Kontrasten gewoben. Wir treten ins Hotel Post; hier allerliebstes Gastzimmer, das weit eher Erfüllung bringen könnte für ein Feinschmeckern feinschmeckendes des Lebens, als so manche Einrichtung in stolzen Palästen. Zum 2. Frühstück (3.?) nehmen wir Milch mit prachtvollem Kuchen. Ich spiele ein wenig auf einem ganz vorzüglichen Pianino, zum erstenmal im Laufe der Sommerzeit. Der Speisentarif, der an der Wand hängt, hält sich in sehr bescheidenen Grenzen. Im Hotel erkundigen wir uns nach Adressen von Bauern, von denen einiges Obst zu erlangen wäre. Wir gehen auf die Suche u. bringen zunächst 1 kg bei Chrisostomus Bogner, Helbli ckg, Schulgasse auf u. weitere 5 kg bei Josef Kapferer Gutsbesitzer, Zirl. Wegen vorgerückter Stunde stehe ich aber von dem ursprünglichen Gedanken ab, noch an das Ufer des Inn zu gehen u. wir wenden uns zurück nach Hoch-Zirl. Der Weg in der Sonne treibt uns recht viel Schweiß aus, was mir aber trotz aller Bekümmertheit Lie-Liechens nichts weiter an hat [sic]. In dem Augenblick, da wir uns anschicken, ins Coupé zu steigen, schallt uns eine Begrüßung von der Plattform entgegen: Dr. Eduard Violin samt Frau u. größerer Gesellschaft sind eben auf einem Ausflug nach Seefeld begriffen. Nun {750} mit diesen heim. Austausch von personellen Fragen u. Erläuterung der Gegend. Die Beiden speisen mit uns zu Tisch u. es macht uns Freude zu sehen, wie ihnen sowohl die reichhaltige Kost an sich, als speziell die Mehlspeisen u. der Café nach Tisch wohl behag ten. Sie empfehlen sich gleich nach Tisch, um zu sich der übrigen Gesellschaft, die im Gasthof Lamm speiste, wieder anzuschließen. — Nach der Jause suchen wir ein Plätzchen im Freien, um nur ja nichts von der unvergleichlichen Herrlichkeit des Tages uns entgehen zu lassen. aAuf dem sogenannten Sackweg geraten wir Unversehens [recte unversehens] zu einer erhobenen Stelle, auf der ein schöner Rücken, ein Plateau sich dehnt, den wir wegen seiner besondern [sic] Lieblichkeit u. des überaus traulichen Birkenschmuckes schon von der Leutasch-Straße aus immer wieder, so oft wir vorübergingen, mit Zärtlichkeit umfiengen [sic]. Dort , im Schatten einer Birke lagern wir, vor uns ein kleines Kartoffelfeld, hinter uns ein Reisighaufen, zu ruhig traumverlorener Lektüre. — Wir vermissen nunmehr auch die Schwalbenmutter, – eine schauerliche Schwalbentragödie. ! © Transcription Marko Deisinger. |
18. A day of incomparably inspiring beauty!
At 5:30 on our legs, at 7:15 to Zirl. A thick, cold mist drew over the Seefeld Plateau, nearly paralyzing our limbs. The meager breakfast was, unfortunately, insufficient to create inner warmth. In Reith, the first rays of sunlight! Now for a walk, as if in enchanted hours at an enchanted spot. In Leithen, the houses with espaliered fruit trees, apricots, covered everywhere. High above on the horizon, a row of broad-leaf trees catches the first sunrays in such a way that they are barely touched; and we, wandering far below in the shade, can almost count the leaves without seeing the source of light. Further along, an enchanted little bench, which an enthusiastic, artistically skilled hand has beautifully woven together from birch branches. From this point we can view in the distance a large glacier, which presumably is part of the Tux Alps, or perhaps the Olper, and whose white verily shrieks in the sunlight. At 8:45 {749} we eat our second breakfast, which we had taken with us, on the road. Now the great winding in the road, which is fringed by wonderful old trees. We are struck by three roadside shrines, to victims of the steep stretch (car and bicycle accidents), and so on. Passing some ruins, we arrive in Zirl. The impression reminds me vividly of Sterzing. The new cottages, built after the fire, and the old ones seem to belong to a different era; it is almost as if only the houses lived and worked here, spoke and conversed, less so the people; compared to their dwellings, living creatures come into consideration very much like decorative additions. Narrow streets, connecting arches, alcoves great and small, everywhere balconies on the upper floors, everywhere flowers and all manner of attractive rustic adornments, murals, statues of saints (St. Florian in particular cited often) – all this in the presence of a rugged Solstein and surrounded by the thundering surges of the Inn, in truth an imposing unity, woven together from such thoroughly stark contrasts. We enter the Hotel Post; here the loveliest coffee lounge, which can offer fulfillment to connoisseurs of food much more readily than many a facility in proud palaces. For second (third?) breakfast, we have milk with a magnificent cake. I play a little on a truly excellent piano, for the first time in the course of the summer. The price-list, which hangs on the wall, keeps within very modest limits. In the hotel, we ask for the addresses of farmers from whom some fruit might be obtained. We begin searching and initially procure 1 kilogram from Chrisostomus Bogner, Helblig, Schulgasse and a further 5 kilograms from Josef Kapferer, a landowner in Zirl. As the hour is advanced, however, I deviate from my original plan to go along the banks of the Inn, and we return to Hochzirl. The route in the sunshine causes us to perspire a lot, something that does not trouble me further despite all of Lie-Liechen's anguish. At the moment that we were about to board the train carriage, a greeting from across the platform rings out towards us: Dr. Eduard Violin with his wife and a large party were likewise making an excursion to Seefeld. {750} Se we now make our way back with them. Exchange of personal questions, and explanation of the area. The two of them have lunch with us, and we are glad to see that, for them, both the abundant meal and especially the coffee and cakes after the meal pleased them. They took their leave of us immediately after the meal in order to rejoin the company who had eaten at the Gasthof Lamm . — After teatime, we seek a spot outdoors, so as not to miss any of the incomparable splendor of the day. On the so-called Sackweg we unexpectedly arrive at a raised point from which there extends a lovely rising, a plateau which, time and again, we tenderly embraced for its special beauty and the thoroughly friendly birch-tree adornment whenever we passed by it along the road to Leutasch. There, in the shade of a birch tree, we lay down, in front of us a small field of potatoes behind us a pile of brushwood, for peacefully dream-like reading. — Once again, we also miss the mother swallow: a gruesome swallow tragedy! © Translation William Drabkin. |
18. Ein Tag von unvergleichlich fortreißender Schönheit!
Um ½6h auf die Beine, um ¼8h nach Zirl. Auf dem Seefelder Hochplateau zog dichter kalter Nebel, der die Glieder beinahe erstarren machte. Das schmale Frühstück war leider nicht hinreichend, innere Wärme zu erzeugen. In Reith erste Sonne! Nun ein Wandern, wie in einer verzauberten Stunden u. auf verzaubertem Fleck. In Leithen die Häuser mit Spalierobst, Marillen, über u. über bedeckt. Auf dem Horizont hoch oben fängt eine Reihe von Laubbäumen die ersten Sonnenstrahlen so auf, daß sie kaum gestreift werden u. wir, tief unten im Schatten wandernd, die Blätter fast zählen können, ohne die Lichtquelle zu sehen. Weiter unten ein verzaubertes Bänkchen, das eine enthuastische [sic] kunstbeflissene Hand aus Birkenstämmen gar wunderlich durcheinandergeflochten. Von dieser Stelle erblicken wir in der Ferne einen großen Gletscher, der vermutlich den Tuxer Alpen vielleicht Olperer angehört u. dessen Weiß geradezu in der Sonne kreischte. Um ¾9h {749} nehmen wir auf der Straße das 2. Frühstück ein, das wir mit uns genommen hatten. Nun die große Straßen wWindnung , – die Strasse umsäumt von wundervollen alten Bäumen. ; Ddrei Marterln fallen uns auf, Opfer der sSteilen Stelle, (Auto-, Fahrradunfall) usw. – u. Aan Ruinen vorüber treffen wir in Zirl ein. Der Eindruck erinnert lebhaft an Sterzing. Die nach dem Brande neu aufgebauten wie auch die alten Häuschen scheinen noch alle wie einer anderen Epoche anzugehören; fast ist es, als lebten, webten[,] redeten u. unterhielten sich hier nur die Häuser, u. nicht u. weniger die Menschen, so nebensächlich, bloß so sehr nur als Staffage wirkend nehmen kommen die Lebewesen hier neben den ihren Behausungen in Betracht. kKrumme Gässchen, Schwibbogen, Erker u. Erkerchen, Ueberall [recte überall] Loggien in den Stockwerken, überall Blumen u. allerhand bäuerliche Niedlichkeiten u. Zierlichkeiten, Wandmalereien, Heiligen-Statuetten, (zumal viel zitiert der heilige Florian –) dies alles im Angesicht des eines zerklüfteten Solstein u. umrauscht von den donnernden Wogen des Inn, wahrlich eine überaus eindringliche Einheit, aus so überaus starken Kontrasten gewoben. Wir treten ins Hotel Post; hier allerliebstes Gastzimmer, das weit eher Erfüllung bringen könnte für ein Feinschmeckern feinschmeckendes des Lebens, als so manche Einrichtung in stolzen Palästen. Zum 2. Frühstück (3.?) nehmen wir Milch mit prachtvollem Kuchen. Ich spiele ein wenig auf einem ganz vorzüglichen Pianino, zum erstenmal im Laufe der Sommerzeit. Der Speisentarif, der an der Wand hängt, hält sich in sehr bescheidenen Grenzen. Im Hotel erkundigen wir uns nach Adressen von Bauern, von denen einiges Obst zu erlangen wäre. Wir gehen auf die Suche u. bringen zunächst 1 kg bei Chrisostomus Bogner, Helbli ckg, Schulgasse auf u. weitere 5 kg bei Josef Kapferer Gutsbesitzer, Zirl. Wegen vorgerückter Stunde stehe ich aber von dem ursprünglichen Gedanken ab, noch an das Ufer des Inn zu gehen u. wir wenden uns zurück nach Hoch-Zirl. Der Weg in der Sonne treibt uns recht viel Schweiß aus, was mir aber trotz aller Bekümmertheit Lie-Liechens nichts weiter an hat [sic]. In dem Augenblick, da wir uns anschicken, ins Coupé zu steigen, schallt uns eine Begrüßung von der Plattform entgegen: Dr. Eduard Violin samt Frau u. größerer Gesellschaft sind eben auf einem Ausflug nach Seefeld begriffen. Nun {750} mit diesen heim. Austausch von personellen Fragen u. Erläuterung der Gegend. Die Beiden speisen mit uns zu Tisch u. es macht uns Freude zu sehen, wie ihnen sowohl die reichhaltige Kost an sich, als speziell die Mehlspeisen u. der Café nach Tisch wohl behag ten. Sie empfehlen sich gleich nach Tisch, um zu sich der übrigen Gesellschaft, die im Gasthof Lamm speiste, wieder anzuschließen. — Nach der Jause suchen wir ein Plätzchen im Freien, um nur ja nichts von der unvergleichlichen Herrlichkeit des Tages uns entgehen zu lassen. aAuf dem sogenannten Sackweg geraten wir Unversehens [recte unversehens] zu einer erhobenen Stelle, auf der ein schöner Rücken, ein Plateau sich dehnt, den wir wegen seiner besondern [sic] Lieblichkeit u. des überaus traulichen Birkenschmuckes schon von der Leutasch-Straße aus immer wieder, so oft wir vorübergingen, mit Zärtlichkeit umfiengen [sic]. Dort , im Schatten einer Birke lagern wir, vor uns ein kleines Kartoffelfeld, hinter uns ein Reisighaufen, zu ruhig traumverlorener Lektüre. — Wir vermissen nunmehr auch die Schwalbenmutter, – eine schauerliche Schwalbentragödie. ! © Transcription Marko Deisinger. |
18. A day of incomparably inspiring beauty!
At 5:30 on our legs, at 7:15 to Zirl. A thick, cold mist drew over the Seefeld Plateau, nearly paralyzing our limbs. The meager breakfast was, unfortunately, insufficient to create inner warmth. In Reith, the first rays of sunlight! Now for a walk, as if in enchanted hours at an enchanted spot. In Leithen, the houses with espaliered fruit trees, apricots, covered everywhere. High above on the horizon, a row of broad-leaf trees catches the first sunrays in such a way that they are barely touched; and we, wandering far below in the shade, can almost count the leaves without seeing the source of light. Further along, an enchanted little bench, which an enthusiastic, artistically skilled hand has beautifully woven together from birch branches. From this point we can view in the distance a large glacier, which presumably is part of the Tux Alps, or perhaps the Olper, and whose white verily shrieks in the sunlight. At 8:45 {749} we eat our second breakfast, which we had taken with us, on the road. Now the great winding in the road, which is fringed by wonderful old trees. We are struck by three roadside shrines, to victims of the steep stretch (car and bicycle accidents), and so on. Passing some ruins, we arrive in Zirl. The impression reminds me vividly of Sterzing. The new cottages, built after the fire, and the old ones seem to belong to a different era; it is almost as if only the houses lived and worked here, spoke and conversed, less so the people; compared to their dwellings, living creatures come into consideration very much like decorative additions. Narrow streets, connecting arches, alcoves great and small, everywhere balconies on the upper floors, everywhere flowers and all manner of attractive rustic adornments, murals, statues of saints (St. Florian in particular cited often) – all this in the presence of a rugged Solstein and surrounded by the thundering surges of the Inn, in truth an imposing unity, woven together from such thoroughly stark contrasts. We enter the Hotel Post; here the loveliest coffee lounge, which can offer fulfillment to connoisseurs of food much more readily than many a facility in proud palaces. For second (third?) breakfast, we have milk with a magnificent cake. I play a little on a truly excellent piano, for the first time in the course of the summer. The price-list, which hangs on the wall, keeps within very modest limits. In the hotel, we ask for the addresses of farmers from whom some fruit might be obtained. We begin searching and initially procure 1 kilogram from Chrisostomus Bogner, Helblig, Schulgasse and a further 5 kilograms from Josef Kapferer, a landowner in Zirl. As the hour is advanced, however, I deviate from my original plan to go along the banks of the Inn, and we return to Hochzirl. The route in the sunshine causes us to perspire a lot, something that does not trouble me further despite all of Lie-Liechen's anguish. At the moment that we were about to board the train carriage, a greeting from across the platform rings out towards us: Dr. Eduard Violin with his wife and a large party were likewise making an excursion to Seefeld. {750} Se we now make our way back with them. Exchange of personal questions, and explanation of the area. The two of them have lunch with us, and we are glad to see that, for them, both the abundant meal and especially the coffee and cakes after the meal pleased them. They took their leave of us immediately after the meal in order to rejoin the company who had eaten at the Gasthof Lamm . — After teatime, we seek a spot outdoors, so as not to miss any of the incomparable splendor of the day. On the so-called Sackweg we unexpectedly arrive at a raised point from which there extends a lovely rising, a plateau which, time and again, we tenderly embraced for its special beauty and the thoroughly friendly birch-tree adornment whenever we passed by it along the road to Leutasch. There, in the shade of a birch tree, we lay down, in front of us a small field of potatoes behind us a pile of brushwood, for peacefully dream-like reading. — Once again, we also miss the mother swallow: a gruesome swallow tragedy! © Translation William Drabkin. |