24. IV. 17 +3°; das Wetter etwas besser, zumindest kein Regen.
— An Herrn Marienberg (K.): teile von Mozios Besuch mit. — D ieer Entente-freundlichen Führer der schwedischen {659} Sozialdemokraten, Branting, meinte einem Ausfrager gegenüber: „Der Russe ist von Natur aus nicht so arbeitsam . .“, 1 nur ahnt dieser Herr offenbar noch gar nicht, daß er mit dieser Erkenntnis ungewollt auch den eigentlichen Grund des Weltkrieges ausspricht verrät. Der Hass, den Deutschlands Feinde angeblich nur wider den preussischen Militarismus zum Ausdruck bringen, bezieht sich viel eigentlicher auf preussische Arbeits lust u. -kraft. — Oesterreich: In Oesterreich wollen alle Stämme den Staat aus Bosheit schädigen u. keine allgemeine Verkehrs Staatssprache zugeben, während in Nordamerika die verschiedensten Nationen sich blos schon allein des Gelderwerbes halber sich ohneweiters auf die englische Sprache als Staatssprache geeinigt haben! Wenn nun dort sich alles, was dem Erwerb nachgeht, zuliebe sich alle Deutschen, Iren, Polen, Schottländer, Italiener sich sozusagen aus dem Handgelenk ha tben anglisieren lassen, (ähnlich wie die Juden der Karriere halber sich öfter taufen), dann hat dann wohl Wilson leicht, auf die „Freiheit“ aller Nationen in seinem Lande hinzuweisen. Der unfähige Professorenkopf, oder – da dies ein Pleonasmus – kurz der einfach nur Prof. Wilson merkt nicht, daß die eingewanderten Teile der europäischen Mutternationen eben dadurch, daß sie sich anglisieren ließen, ja eben schon von vornherein auf ihre wirkliche nationale Freiheit verzichtet haben, daß sie also sich doch unbedingt dem Angelsachsentum sich unterworfen haben u. nicht etwa neben ihm noch weiter selbstständig zu behaupten suchen. Der Fall ist also dem Fall Öster. gegenüber völlig gegensätzlich, u. so hätte dann weit eher Oesterreich das Recht u. die Pflicht, wider Amerika als den Tyrannen fremder Nationen zu Felde zu ziehen. In der Tat würde der Weltkrieg, wenn er Deutschland den vollen Sieg brächte, in letzter Linie auch auf eine Befreiung unterdrückter Völker vom englischen Tyrannenjoch hinauslaufen. ; Uund dadurch Englands gemeine Lügen von der Freiheit aller Völker als Lügen bloßstellen. — Nur Not bindet, der Reichtum scheidet – man sehe sieht es an der bindenden Kraft der Not des im Krieges, im Ghetto, in der Familie. — Abends sucht uns Gärtner im Caféhaus auf, ohne uns aber anzutreffen. — Ludendorffs Bericht über die englische Niederlage: 2 ein wundervolles Dokument echter Vaterlandsliebe, voll Dank an alle u. an jeden einzelnen. — Lie-Liechen legt ein neu- {660} gefärbtes Kleidchen an. — Jean Paul’s Studie über die Doppelwörter, 3 besonders über das „s“. Resultat später nachtragen. —© Transcription Marko Deisinger. |
April 24, 1917. +3°; the weather somewhat better, at least no rain.
— Postcard to Mr. Marienberg: I tell him about Mozio's visit. — The Entente-friendly leader of the Swedish {659} Social Democrats, Branting, replied to a questioner: "The Russians are by nature not so hardworking"; 1 this gentleman apparently does not realize that, with this insight, he has unwillingly betrayed the actual reason for the world war. The hatred, which Germany's enemies appear to express only against Prussian militarism, applies more particularly to Prussian love of work, and to its workforce. — Austria. In Austria, all the tribes want to cause harm to the state and reject a general state language, whereas in North America the various nations, merely for the sake of acquiring money, have tied themselves to the English language as the state language! But now if, for sake of gain, every German, Irish, Pole, Scot and Italian became anglicized, "off the cuff" so to speak (and similar to the way in which Jews get baptized, for sake of their career), then Wilson would have an easy time referring to the "freedom" of all nations in his country. The incapable professor-head or (as this is a pleonasm), simply, Professor Wilson fails to note that the immigrant parts of the European mother nations, by becoming anglicized, have indeed at the outset renounced their true national freedom, that they have in fact sacrificed themselves to Anglo-Saxonism and no longer seek to assert themselves further independent alongside it. That case is thus completely the opposite of the case of Austria, and thus Austria would much sooner have the right and the duty to crusade against America as the tyrant of foreign nations. In fact the world war, were it to bring complete victory to Germany, would in the last analysis amount to an emancipation of oppressed peoples from the English yoke of tyranny, and thus expose England's nasty lies about the freedom of all peoples as lies. — Only hardship binds, wealth divides – one can see this on the binding power of hardship in wartime, in the ghetto, in the family. — In the evening, Gärtner looks for us in the coffee house, but without finding us. — Ludendorff's report of the English defeat: 2 a wonderful document of genuine love of the fatherland, full of gratitude for everyone and each individual. — Lie-Liechen puts on a newly dyed little skirt. — {660} Jean Paul's study of compound words, 3 especially on the letter "s". Result added later. —© Translation William Drabkin. |
24. IV. 17 +3°; das Wetter etwas besser, zumindest kein Regen.
— An Herrn Marienberg (K.): teile von Mozios Besuch mit. — D ieer Entente-freundlichen Führer der schwedischen {659} Sozialdemokraten, Branting, meinte einem Ausfrager gegenüber: „Der Russe ist von Natur aus nicht so arbeitsam . .“, 1 nur ahnt dieser Herr offenbar noch gar nicht, daß er mit dieser Erkenntnis ungewollt auch den eigentlichen Grund des Weltkrieges ausspricht verrät. Der Hass, den Deutschlands Feinde angeblich nur wider den preussischen Militarismus zum Ausdruck bringen, bezieht sich viel eigentlicher auf preussische Arbeits lust u. -kraft. — Oesterreich: In Oesterreich wollen alle Stämme den Staat aus Bosheit schädigen u. keine allgemeine Verkehrs Staatssprache zugeben, während in Nordamerika die verschiedensten Nationen sich blos schon allein des Gelderwerbes halber sich ohneweiters auf die englische Sprache als Staatssprache geeinigt haben! Wenn nun dort sich alles, was dem Erwerb nachgeht, zuliebe sich alle Deutschen, Iren, Polen, Schottländer, Italiener sich sozusagen aus dem Handgelenk ha tben anglisieren lassen, (ähnlich wie die Juden der Karriere halber sich öfter taufen), dann hat dann wohl Wilson leicht, auf die „Freiheit“ aller Nationen in seinem Lande hinzuweisen. Der unfähige Professorenkopf, oder – da dies ein Pleonasmus – kurz der einfach nur Prof. Wilson merkt nicht, daß die eingewanderten Teile der europäischen Mutternationen eben dadurch, daß sie sich anglisieren ließen, ja eben schon von vornherein auf ihre wirkliche nationale Freiheit verzichtet haben, daß sie also sich doch unbedingt dem Angelsachsentum sich unterworfen haben u. nicht etwa neben ihm noch weiter selbstständig zu behaupten suchen. Der Fall ist also dem Fall Öster. gegenüber völlig gegensätzlich, u. so hätte dann weit eher Oesterreich das Recht u. die Pflicht, wider Amerika als den Tyrannen fremder Nationen zu Felde zu ziehen. In der Tat würde der Weltkrieg, wenn er Deutschland den vollen Sieg brächte, in letzter Linie auch auf eine Befreiung unterdrückter Völker vom englischen Tyrannenjoch hinauslaufen. ; Uund dadurch Englands gemeine Lügen von der Freiheit aller Völker als Lügen bloßstellen. — Nur Not bindet, der Reichtum scheidet – man sehe sieht es an der bindenden Kraft der Not des im Krieges, im Ghetto, in der Familie. — Abends sucht uns Gärtner im Caféhaus auf, ohne uns aber anzutreffen. — Ludendorffs Bericht über die englische Niederlage: 2 ein wundervolles Dokument echter Vaterlandsliebe, voll Dank an alle u. an jeden einzelnen. — Lie-Liechen legt ein neu- {660} gefärbtes Kleidchen an. — Jean Paul’s Studie über die Doppelwörter, 3 besonders über das „s“. Resultat später nachtragen. —© Transcription Marko Deisinger. |
April 24, 1917. +3°; the weather somewhat better, at least no rain.
— Postcard to Mr. Marienberg: I tell him about Mozio's visit. — The Entente-friendly leader of the Swedish {659} Social Democrats, Branting, replied to a questioner: "The Russians are by nature not so hardworking"; 1 this gentleman apparently does not realize that, with this insight, he has unwillingly betrayed the actual reason for the world war. The hatred, which Germany's enemies appear to express only against Prussian militarism, applies more particularly to Prussian love of work, and to its workforce. — Austria. In Austria, all the tribes want to cause harm to the state and reject a general state language, whereas in North America the various nations, merely for the sake of acquiring money, have tied themselves to the English language as the state language! But now if, for sake of gain, every German, Irish, Pole, Scot and Italian became anglicized, "off the cuff" so to speak (and similar to the way in which Jews get baptized, for sake of their career), then Wilson would have an easy time referring to the "freedom" of all nations in his country. The incapable professor-head or (as this is a pleonasm), simply, Professor Wilson fails to note that the immigrant parts of the European mother nations, by becoming anglicized, have indeed at the outset renounced their true national freedom, that they have in fact sacrificed themselves to Anglo-Saxonism and no longer seek to assert themselves further independent alongside it. That case is thus completely the opposite of the case of Austria, and thus Austria would much sooner have the right and the duty to crusade against America as the tyrant of foreign nations. In fact the world war, were it to bring complete victory to Germany, would in the last analysis amount to an emancipation of oppressed peoples from the English yoke of tyranny, and thus expose England's nasty lies about the freedom of all peoples as lies. — Only hardship binds, wealth divides – one can see this on the binding power of hardship in wartime, in the ghetto, in the family. — In the evening, Gärtner looks for us in the coffee house, but without finding us. — Ludendorff's report of the English defeat: 2 a wonderful document of genuine love of the fatherland, full of gratitude for everyone and each individual. — Lie-Liechen puts on a newly dyed little skirt. — {660} Jean Paul's study of compound words, 3 especially on the letter "s". Result added later. —© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Branting über die russische Revolution. Ein Interview mit dem schwedischen Sozialistenführer," Neues Wiener Journal, No. 8434, April 24, 1917, 25th year, p. 2. 2 [Erich] Ludendorff, "Bericht des deutschen Generalstabes," Neue Freie Presse, No. 18920, April 25, 1917, morning edition, p. 1. 3 Jean Paul, Über die deutschen Doppelwörter; eine grammatische Untersuchung in zwölf alten Briefen und zwölf neuen Postskripten (Stuttgart–Tübingen: Cotta, 1820). |