25. III. 17 0°; auf den Dächern u. in den Straßen liegt der Schnee höher, als im tiefsten Winter.

— An Dahms (K.): Dank für das Bild; erwähne der plötzlich angekündigten Gefahr, die von Seite der Statthalterei droht. — An Vrieslander (Br.): komme wieder auf die Notwendigkeit einer Vorsicht zurück u. rate daher zum Album als einer Arbeit, die sich, wie ich hoffe, leicht selbst dann noch durchsetzen ließe, wenn das Stipendium entfiele. Die Polemik wider Reger wäre ein selbständiges Schriftchen u. als solches auch zu edieren wert, wenn ich nur des Stipendiums sicher wäre. Lege Abschrift des letzten Briefes von Halm an mich bei, mit einigen kleinen Randbemerkungen. — {630} An Roth (K.): melde ebenfalls von der Gefahr; behalte mir vor auf HändelBrahms zurückzukommen. — An Hupka (K.): teile mit, daß soeben über Wien der für mich der bestimmte Brief eingelangt sei; halte ihm eine Stunde gut. — An Dr. Brünauer (K.): mahne zum früheren Kommen, da ich spätestens 8¼h aus dem Hause gehen will.

Mittelmann überrascht uns plötzlich im Caféhaus, da er, wie er nachweist, die Karte erst gestern erhalten hat. Erzählt bei dieser Gelegenheit von seiner neuesten Arbeit, die die Redaktion des jüdischen Kalenders betrifft. Die Flammen der Illusion schlagen wieder einmal hoch empor; er gedenkt das Resultat der Akademie der Wissenschaften vorzulegen, eine selbständige Arbeit zu machen bezw. einen Zeitungsaufsatz. Die Studien hat er uns gezeigt, aber ob es nicht auch damit dieselben Wege haben wird, wie mit allen seinen früheren Studien, wird die Zukunft lehren. —

— Die Frage, weshalb ein Genie wie Beethoven nicht Gegenstand eines Dramas sein kann, nicht eben wie z. B. Wallenstein oder sonst ein Held irgend eines historischen Dramas, erklärt sich damit, daß die Tragiker mit sehr richtigem Instinkten herausgefunden haben, wie ein Genie wie Beethoven trotz allen Niederlagen, die er im Leben erleiden mag, immer dennoch Sieger bleibt, also sich in der völlig gegensätzlichen Situation befindet, in die schließlich der tragische Held gerät, wenn er seine Niederlage mit tragischem Ausgang besiegelt. —

— „Kaufmännische Hochziele“ von Prof. Johannes Dürk (Verlag Tyrolia, Innsbruck 1917) 1 im „N. W. Journal“ unter dem Titel „Die neue Ethik des Kaufmanns“ besprochen. 2 Ich befürchte, daß der Verfasser den Urgrund des Uebels übersieht, nämlich den Widerspruch, der zwischen dem kaufmännischen Berufe u. Ethik von vornherein besteht. Wessen Beruf es ist, an Nutzen zu denken, der kann nicht zugleich den Nutzen des Be- u. Ausgenutzten ins Auge fassen. — d’Albert, interviewt im „N. W. Journal“, 3 macht sich u. dem Leser vor, er habe sich in diesem Winter dem Publikum geopfert, um ihm über {631} die Kriegs-Misère hinwegzuhelfen, habe aber vor, in nächster Zeit wieder zu komponieren.

© Transcription Marko Deisinger.

March 25, 1917. 0°; on the rooftops and in the streets, the snow lies higher than in the depths of winter.

Postcard to Dahms: thanks for the photograph; I mention the suddenly announced danger which is threatened by the city government. — Letter to Vrieslander: I return to the importance of caution, and thus advise him to put together an album which, as I hope, can easily be achieved even if the stipend is not forthcoming. The polemic against Reger would be an independent essay, and as such worth editing, if only one could be sure of the stipend. I enclose a copy of Halm's most recent letter, with a few small marginal remarks. — {630} Postcard to Roth: I speak likewise about the danger, promise to return to HandelBrahms. — Postcard to Hupka: I inform him that the letter intended for me has just arrived, via Vienna; I shall save a lesson time for him. — Postcard to Dr. Brünauer: I remind him to arrive early, as I want to leave the house at 8:15 at the latest. —

Mittelmann surprises us by suddenly turning up at the coffee house, saying that he received my postcard only yesterday. He takes the opportunity to talk about his latest project, which concerns the editing of the Jewish calendar. The flames of illusion once again reach up high; he is thinking of presenting the result to the Academy of Sciences, to write a separate study, perhaps a newspaper article. He has shown us these studies; but whether things will go the same way as all his previous studies is something that only the future will tell. —

— The question as to why a genius like Beethoven cannot be the subject of a drama, unlike for example Wallenstein or some other hero from a historical drama, may be explained by the fact that the tragedians have figured out, with a sharp instinct, how a genius like Beethoven always remained the victor, in spite of all the setbacks he may have suffered in his life, and thus finds himself in the completely opposite situation in which the tragic hero finds himself when he seals his defeat with tragic consequences. —

— "Lofty Goals of Business," by Prof. Johannes Dück (published by Tyrolia, Innsbruck, 1917), 1 reviewed in the Neues Wiener Journal under the title "The New Ethics of the Businessman." 2 I fear that the author fails to see the basis of the evil, namely the contradiction that exists at the outset between the business profession and ethics. Anyone whose occupation it is to think about advantage cannot simultaneously contemplate the advantage of the "used" and the "abused." — Interview with d'Albert in the Neues Wiener Journal ; 3 he pretends, to himself and his readers, that he sacrificed himself to the audience this winter to help them get through the misery of the war, {631} but that he now intends to return to composing for the foreseeable future.

© Translation William Drabkin.

25. III. 17 0°; auf den Dächern u. in den Straßen liegt der Schnee höher, als im tiefsten Winter.

— An Dahms (K.): Dank für das Bild; erwähne der plötzlich angekündigten Gefahr, die von Seite der Statthalterei droht. — An Vrieslander (Br.): komme wieder auf die Notwendigkeit einer Vorsicht zurück u. rate daher zum Album als einer Arbeit, die sich, wie ich hoffe, leicht selbst dann noch durchsetzen ließe, wenn das Stipendium entfiele. Die Polemik wider Reger wäre ein selbständiges Schriftchen u. als solches auch zu edieren wert, wenn ich nur des Stipendiums sicher wäre. Lege Abschrift des letzten Briefes von Halm an mich bei, mit einigen kleinen Randbemerkungen. — {630} An Roth (K.): melde ebenfalls von der Gefahr; behalte mir vor auf HändelBrahms zurückzukommen. — An Hupka (K.): teile mit, daß soeben über Wien der für mich der bestimmte Brief eingelangt sei; halte ihm eine Stunde gut. — An Dr. Brünauer (K.): mahne zum früheren Kommen, da ich spätestens 8¼h aus dem Hause gehen will.

Mittelmann überrascht uns plötzlich im Caféhaus, da er, wie er nachweist, die Karte erst gestern erhalten hat. Erzählt bei dieser Gelegenheit von seiner neuesten Arbeit, die die Redaktion des jüdischen Kalenders betrifft. Die Flammen der Illusion schlagen wieder einmal hoch empor; er gedenkt das Resultat der Akademie der Wissenschaften vorzulegen, eine selbständige Arbeit zu machen bezw. einen Zeitungsaufsatz. Die Studien hat er uns gezeigt, aber ob es nicht auch damit dieselben Wege haben wird, wie mit allen seinen früheren Studien, wird die Zukunft lehren. —

— Die Frage, weshalb ein Genie wie Beethoven nicht Gegenstand eines Dramas sein kann, nicht eben wie z. B. Wallenstein oder sonst ein Held irgend eines historischen Dramas, erklärt sich damit, daß die Tragiker mit sehr richtigem Instinkten herausgefunden haben, wie ein Genie wie Beethoven trotz allen Niederlagen, die er im Leben erleiden mag, immer dennoch Sieger bleibt, also sich in der völlig gegensätzlichen Situation befindet, in die schließlich der tragische Held gerät, wenn er seine Niederlage mit tragischem Ausgang besiegelt. —

— „Kaufmännische Hochziele“ von Prof. Johannes Dürk (Verlag Tyrolia, Innsbruck 1917) 1 im „N. W. Journal“ unter dem Titel „Die neue Ethik des Kaufmanns“ besprochen. 2 Ich befürchte, daß der Verfasser den Urgrund des Uebels übersieht, nämlich den Widerspruch, der zwischen dem kaufmännischen Berufe u. Ethik von vornherein besteht. Wessen Beruf es ist, an Nutzen zu denken, der kann nicht zugleich den Nutzen des Be- u. Ausgenutzten ins Auge fassen. — d’Albert, interviewt im „N. W. Journal“, 3 macht sich u. dem Leser vor, er habe sich in diesem Winter dem Publikum geopfert, um ihm über {631} die Kriegs-Misère hinwegzuhelfen, habe aber vor, in nächster Zeit wieder zu komponieren.

© Transcription Marko Deisinger.

March 25, 1917. 0°; on the rooftops and in the streets, the snow lies higher than in the depths of winter.

Postcard to Dahms: thanks for the photograph; I mention the suddenly announced danger which is threatened by the city government. — Letter to Vrieslander: I return to the importance of caution, and thus advise him to put together an album which, as I hope, can easily be achieved even if the stipend is not forthcoming. The polemic against Reger would be an independent essay, and as such worth editing, if only one could be sure of the stipend. I enclose a copy of Halm's most recent letter, with a few small marginal remarks. — {630} Postcard to Roth: I speak likewise about the danger, promise to return to HandelBrahms. — Postcard to Hupka: I inform him that the letter intended for me has just arrived, via Vienna; I shall save a lesson time for him. — Postcard to Dr. Brünauer: I remind him to arrive early, as I want to leave the house at 8:15 at the latest. —

Mittelmann surprises us by suddenly turning up at the coffee house, saying that he received my postcard only yesterday. He takes the opportunity to talk about his latest project, which concerns the editing of the Jewish calendar. The flames of illusion once again reach up high; he is thinking of presenting the result to the Academy of Sciences, to write a separate study, perhaps a newspaper article. He has shown us these studies; but whether things will go the same way as all his previous studies is something that only the future will tell. —

— The question as to why a genius like Beethoven cannot be the subject of a drama, unlike for example Wallenstein or some other hero from a historical drama, may be explained by the fact that the tragedians have figured out, with a sharp instinct, how a genius like Beethoven always remained the victor, in spite of all the setbacks he may have suffered in his life, and thus finds himself in the completely opposite situation in which the tragic hero finds himself when he seals his defeat with tragic consequences. —

— "Lofty Goals of Business," by Prof. Johannes Dück (published by Tyrolia, Innsbruck, 1917), 1 reviewed in the Neues Wiener Journal under the title "The New Ethics of the Businessman." 2 I fear that the author fails to see the basis of the evil, namely the contradiction that exists at the outset between the business profession and ethics. Anyone whose occupation it is to think about advantage cannot simultaneously contemplate the advantage of the "used" and the "abused." — Interview with d'Albert in the Neues Wiener Journal ; 3 he pretends, to himself and his readers, that he sacrificed himself to the audience this winter to help them get through the misery of the war, {631} but that he now intends to return to composing for the foreseeable future.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Johannes Dück, Kaufmännische Hochziele (Innsbruck: Tyrolia, 1917).

2 "Kaufmännische Hochziele. Die neue Ethik des Kaufmannstandes," Neues Wiener Journal, No. 8405, March 25, 1917, 25th year, pp. 6-7.

3 "Gespräch mit d'Albert," Neues Wiener Journal, No. 8405, March 25, 1917, 25th year, p. 5.