26. II. 17 0°, schöner blauer Himmel, mittags +12° in der Sonne.

— Die Sept begonnen! — Von Dr. Türkel (Br.): verspricht in 2–3 Tagen mein Ersuchen auszutragen; im Postscriptum heißt es, er zweifle nicht daran, zumal Mendl seinerzeit eine Andeutung in diesem Sinne bereits gemacht habe. — In der „Voss. Ztg.“ No. 102 vom 25. II. schreibt Penck über Austausch fprofessoren u. enthüllt geradezu trostlose Zustände der amerik. Universitäten; 1 am auffallendsten, daß nach Krämerweise die Geldgeber der Universitäten auch auf die Anstellung wie auf den Unterrichtsstoff Einfluss haben nehmen. Also auch Wissenschaft wird dort von de rn Händlern vor allem gekauft u. verkauft. — Sollte im Worte „Meinung “ vielleicht auch die Wurzel „mein“ in Frage kommen? So könnte man in analoger Weise dann wohl auch das Wort „Seinung “ prägen, u. vielleicht erst auf diesem Wege gewinnt man Einblick in die Tragikomödie der menschlichen Illusionen: Immer handelt geht es sich blos den Menschen eigentlich nur um Gedanken, doch es daß darf niemals aber „Sein“ung, sondern immer nur „Mein“ung sein. — Der Krieg lehrt auch noch dieses: Vielleicht wird alle Menschen nur erst die Not gemeinsamen Sterbens am Vorabend gemeinsamen Untergangs zum ersten u. letzten male vereinen, ebenso wie heute die Not des Krieges, die Gefahr des gemeinsam zu bestehenden Todes die Krieger ohne Unterschied des Ranges u. Standes in den Schützengräben u. auf den Schlachtfeldern vereint. Nur der Tod schreckt den eEinzelnen Menschen, schreckt auch die gesamte Menschheit. (Die Dichter in ihren Tragödien haben Recht, das Motiv des Todes so stark in den Vordergrund zu stellen, siehe alte Notiz). Bis zum einem solchen tragischen Moment des Todes scheitert alle Güte des einzelnen am Egoismus u. Mißverständnis der Uebrigen; denn nur darauf allein kommt es an, daß sich zur Güte bekenne derjenige, der es noch nicht kann u. nicht können will. —

{607} — Die Manuskripte der jungen Bach werden abgeholt.

© Transcription Marko Deisinger.

February 26, 1917. 0°, beautiful blue sky, at midday +12° in the sun.

— The chapter on the seventh begun! — Letter from Dr. Türkel : he promises to deal with my request in two to three days; in the postscript it says that he is in no doubt about it, all the more as Mendl had at the time already made a gesture in this direction. — In the Vossische Zeitung No. 102, of February 25, Penck writes about exchange professors and reveals the downright hopeless conditions of American universities; 1 most striking of all is that the patrons of the university, in their shopkeeper ways, are influential even in making appointments and in the teaching material. So there, too, knowledge is bought and sold above all by the businessmen. — In the word Meinung (opinion), does the root mein (my, mine) perhaps come into play? Then one could also, by analogy, coin the word Seinung ("his" opinion); and perhaps only in this way does one gain insight into the tragicomedy of human illusions. With people it is always just a matter of thoughts, and yet never about "his"-thoughts, only just "my"-thoughts. — The war also teaches us this: perhaps all people will, for the first and last time, finally unite the necessity of a collective death with the eve of a collective downfall, just as today the necessity of the war, the danger of a death that has to be faced communally, joins the warriors in the trench and on the battlefield, regardless of their rank and stature. Death alone frightens the individual, frightens the whole of humanity. (In their tragedies, the poets are right to place the theme of death so plainly in the foreground; see an earlier note). Until the tragic moment of death, all the goodness of the individual founders on egoism, and the misunderstanding of others; for the only thing that matters is for the one to acknowledge the good that he is yet unable to do or does not wish to do. —

{607} — Miss Bach's manuscripts are collected.

© Translation William Drabkin.

26. II. 17 0°, schöner blauer Himmel, mittags +12° in der Sonne.

— Die Sept begonnen! — Von Dr. Türkel (Br.): verspricht in 2–3 Tagen mein Ersuchen auszutragen; im Postscriptum heißt es, er zweifle nicht daran, zumal Mendl seinerzeit eine Andeutung in diesem Sinne bereits gemacht habe. — In der „Voss. Ztg.“ No. 102 vom 25. II. schreibt Penck über Austausch fprofessoren u. enthüllt geradezu trostlose Zustände der amerik. Universitäten; 1 am auffallendsten, daß nach Krämerweise die Geldgeber der Universitäten auch auf die Anstellung wie auf den Unterrichtsstoff Einfluss haben nehmen. Also auch Wissenschaft wird dort von de rn Händlern vor allem gekauft u. verkauft. — Sollte im Worte „Meinung “ vielleicht auch die Wurzel „mein“ in Frage kommen? So könnte man in analoger Weise dann wohl auch das Wort „Seinung “ prägen, u. vielleicht erst auf diesem Wege gewinnt man Einblick in die Tragikomödie der menschlichen Illusionen: Immer handelt geht es sich blos den Menschen eigentlich nur um Gedanken, doch es daß darf niemals aber „Sein“ung, sondern immer nur „Mein“ung sein. — Der Krieg lehrt auch noch dieses: Vielleicht wird alle Menschen nur erst die Not gemeinsamen Sterbens am Vorabend gemeinsamen Untergangs zum ersten u. letzten male vereinen, ebenso wie heute die Not des Krieges, die Gefahr des gemeinsam zu bestehenden Todes die Krieger ohne Unterschied des Ranges u. Standes in den Schützengräben u. auf den Schlachtfeldern vereint. Nur der Tod schreckt den eEinzelnen Menschen, schreckt auch die gesamte Menschheit. (Die Dichter in ihren Tragödien haben Recht, das Motiv des Todes so stark in den Vordergrund zu stellen, siehe alte Notiz). Bis zum einem solchen tragischen Moment des Todes scheitert alle Güte des einzelnen am Egoismus u. Mißverständnis der Uebrigen; denn nur darauf allein kommt es an, daß sich zur Güte bekenne derjenige, der es noch nicht kann u. nicht können will. —

{607} — Die Manuskripte der jungen Bach werden abgeholt.

© Transcription Marko Deisinger.

February 26, 1917. 0°, beautiful blue sky, at midday +12° in the sun.

— The chapter on the seventh begun! — Letter from Dr. Türkel : he promises to deal with my request in two to three days; in the postscript it says that he is in no doubt about it, all the more as Mendl had at the time already made a gesture in this direction. — In the Vossische Zeitung No. 102, of February 25, Penck writes about exchange professors and reveals the downright hopeless conditions of American universities; 1 most striking of all is that the patrons of the university, in their shopkeeper ways, are influential even in making appointments and in the teaching material. So there, too, knowledge is bought and sold above all by the businessmen. — In the word Meinung (opinion), does the root mein (my, mine) perhaps come into play? Then one could also, by analogy, coin the word Seinung ("his" opinion); and perhaps only in this way does one gain insight into the tragicomedy of human illusions. With people it is always just a matter of thoughts, and yet never about "his"-thoughts, only just "my"-thoughts. — The war also teaches us this: perhaps all people will, for the first and last time, finally unite the necessity of a collective death with the eve of a collective downfall, just as today the necessity of the war, the danger of a death that has to be faced communally, joins the warriors in the trench and on the battlefield, regardless of their rank and stature. Death alone frightens the individual, frightens the whole of humanity. (In their tragedies, the poets are right to place the theme of death so plainly in the foreground; see an earlier note). Until the tragic moment of death, all the goodness of the individual founders on egoism, and the misunderstanding of others; for the only thing that matters is for the one to acknowledge the good that he is yet unable to do or does not wish to do. —

{607} — Miss Bach's manuscripts are collected.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Albrecht Penck, "Erinnerung eines Austauschprofessors," Vossische Zeitung, No. 102, February 25, 1916, morning edition, pp. [3-4].