25. II. 17 +2°. in der Mittagssonne +13°.
— Von Roth (Br.13/30, [29]): erzählt aus seinem gegenwärtigen Leben in Mainz, wie er 4-händig mein Händel-Arrangement spielt, sich sonst aber nach der Front geradezu zurücksehnt; plant eine Ausgabe der Händelschen Klavierwerke. — Von Mittler (Br.): Freude über op. 111, eine spezielle Frage, u. schließlich auch eine etwas vorlaute Bemerkung über meine politischen Notizen. Die Berliner Schnoddrigkeit, meint er, wäre ebenfalls zu den Ursachen des Weltkrieges zu zählen. — Von Baronin Bach (Br.): in verletztem, aber nicht verletzendem Ton, wirft sie mir Mangel an Interesse für das Talent ihrer Kleinen vor, das sie doch über dem Durchschnittsniveau wähnt. — Von der Steuerbehörde Ratenbewilligung für den Rest des Jahres 1916. — Von Deetjen s (K.): erkundigt sich nach etwaigen ihm bis heute noch unbekannten Werken von mir, doch geht aus dem von ihm aufgestellten Verzeichnis hervor, daß er sie alle kennt, bis vielleicht auf die 2. Aufl. der Ornamentik u. Niloff . — Zu Tisch zum erstenmale für die Mehlspeise eine Mehlkarte gegeben. — Nach dem Caféhaus Spaziergang am Ufer. — Brotverlegenheit aus der wir uns durch Einkauf von Konditorsachen helfen. — Hermann Bahr (N. W. Journal) findet endlich, daß es angezeigt wäre, wenn die Tschechen sich im Sinne des oesterreichischen Staatsgedankens besser „Böhmen tschechischer Nation “ nennen würden. 1 Endlich! Um eben dieses ging ja Jahrzehnte lang der Kampf der Deutschen, der aber selbst von der Regierung mißverstanden u. erschwert wurde. — Wenn es ausgeschlossen ist, daß außer dem Menschen irgend ein Tier, sei es ein Haustier oder ein im wilden Zustande lebendes, etwas derartiges treibe, was sich mit der menschlichen Kunst vergleichen ließe, so ist daraus wohl ohneweiters auch der Schluss {605} zu ziehen, daß die besondere Begnadung des Menschen zur Kunst offenbar ein apriori-Ereignis der Natur ist. — Im „März“ von Schmidt über „den Amerikaner “; 2 reduziert in treffender Weise die viel berufene besondere Begabung des amerikanischen Kaufmannes auf das übliche Maß kaufmännischer Begabung überhaupt u. weist vor allem auf die Gunst der Verhältnisse, die in Amerika dem Kaufmanne schon vom Haus aus so entscheidend entgegenkamen. In den Verhältnissen lag das Glück, – der Rest, den der Kaufmann hinzu tat hinzutat, war nicht der Rede wert! — Der Feuilletonist der „N. Fr. Pr.“ (über ein Tagebuch von Bertuch aus dem Jahre 1815) spricht von „einer Pest des Nachdrucks“, vom „Nachdruck als Erzfeind des geistigen Eigentums“ u. nennt in diesem Zusammenhang Bertuch mit Cotta als Vertreter „eines Ideals, das nach Pressfreiheit u. Nachdrucksverbot strebt“. 3 Wenn nun schon aber der Nachdruck eine Pest genannt wird, wie hätte hat man da erst zu urteilen über die Neigung Aneignung fremden künstlerischen Eigentums, wie sie in Europa gesetzlich gestattet u. die nach Ablauf der Schutzfrist jedermann frei steht? —— — An Baronin Bach (Br.): protestiere in kurzer aber eindringender Weise gegen ihren Mangel an Ernst u. sage ausdrücklich, daß die Zumutung eines „Rates“ ja eigentlich eine Beleidigung war. — An Mittler (Br.): weise ihn wegen seiner Gesinnung zurecht; die Mängel unserer Feinde säßen viel tiefer als die Berliner Schnoddrigkeit, die noch durchaus nicht als das ein nationales Laster der Deutschen angesprochen werden darf. Auch [illeg]eigne sich der gegenwärtige Zeitpunkt nicht dazu, den Feinden den Dienst zu erweisen, (den sie uns verweigern,) daß wir auf uns nun wirklich mit eben d erie Schuld beladen sehen nehmen, die sie uns vorwerfen. Bei dieser Gelegenheit ziele ich nach der „ Arbeiter Ztg.; “ u. Karl Kraus als denjenigen Elementen, die den Deutschen während des Ringens der Nationen nach italienischer Art in den Rücken fallen u. dsie Deutschen auffordern, den Feind zu lieben, was sie aber indessen selbst im Bereich ihrer engeren Tätigkeit durchaus nicht tun. — Die Reichen: lassen die Dummheit im Gehirn so lang wie die Nägel an den Fingern wachsen. Wie sie auf die ihre Nägel hinweisen u. sagen „Gott sei Dank, ich brauche nicht zu arbeiten“, so ebenso weisen sie gewissermaßen auch auf die langen {606} Nägel im Gehirn hin u. ebenfalls mit der Wendung „Gott sei Dank, ich brauche nicht zu arbeiten.[“] — Man sage dem Sozialdemokraten , ein Fideikommißbesitzer oder sonst irgend ein Kapitalist habe unter anderen wohl auch gute Eigenschaften, so erwidert er: Was hat das mit seiner Teilnahme an der kapitalistischen Ordnung zu tun? Nur gerade im Weltkrieg will er beim Engländer, bei dem gehasstesten Feind Deutschlands, mit Absicht nach Vorzügen suchen sehen. — Erneuerung der Unfallsversicherung. © Transcription Marko Deisinger. |
February 25, 1917. +2°; in the midday sun, +13°.
— LetterOJ 13/30, [29] from Roth : he talks about his present life in Mainz, how he is playing my Handel arrangements four-hand but is actually yearning to return to the front. He is planning an edition of Händel's keyboard works. — Letter from Mittler : delight about Op. 111 , a special question, and finally also a somewhat impertinent remark about my political remarks. The brashness of Berlin, he says, er, ought also to be reckoned among the causes of the world war. — Letter from Baroness Bach : in an injured, but not injurious, tone, she accuses me of a lack of interest in her daughter's talent, which she still imagines to be above the average level. — The tax authorities allow me to pay in installments for the remainder of 1916. — Postcard from Deetjen : he asks if there are any works of mine that he still does not know about; and yet it is clear from the list he has put together that he knows them all, apart perhaps from the second editions of Ornamentation and Niloff . — At lunch, a dessert card presented for the dessert. —After the coffee house, a walk along the river bank. — Bread shortage, which we resolve by the purchase of pastries. — Hermann Bahr (in the Neues Wiener Journal ), thinks that it would be advisable for the Czechs, in accordance with the idea of the Austrian state, rather to call themselves "Bohemia of the Czech Nation." 1 Finally! The Germans struggled with this very matter for decades, a struggle which was misunderstood and aggravated by the government itself. — If it is impossible for any animal other than the human being, whether it is a pet or one that lives in the wild, to do something that can be regarded as comparable to human art, then one can also conclude without further ado {605} that the special endowment of human beings with art is evidently an a priori natural phenomenon. — In März , an article by Schmidt on "The American"; 2 he trenchantly reduces the much-vaunted talent of the American businessman to the usual measure of business talent in general, and points above all to the favorable circumstances that automatically accommodated the businessman in America even from the outset. The luck lay in the conditions – the rest, which the businessman added, was not worth mentioning! — A feuilleton in the Neue freie Presse concerning a diary kept by Bertuch in 1815, speaks of the "pest of the reprint," of the "reprint as the arch-enemy of intellectual property" and, in this connection names Bertuch along with Cotta as exponents "of an ideal that strives after freedom of the press and the prohibition of reprint." 3 But if reprinting is already regarded as a pest, how can one judge the appropriation of the artistic property of others, as is legally permitted and is available to anyone once the term of copyright has expired? — — Letter to Baroness Bach : I protest briefly but in a more penetrating way against her lack of seriousness and say expressly that the impertinence of a "piece of advice" was actually an indignity. — Letter to Mittler : I rebuke him for his attitude; the deficiencies of our enemies lie much deeper than Berlin brashness, which may most certainly not be regarded as a German national vice. Also the present time does not lend itself to rendering our enemies the service (which they withhold from us), that we should actually take upon ourselves the blame with which they are accusing us. On this occasion I am aiming at the Arbeiter-Zeitung and Karl Kraus as those elements who stab the Germans in the back during a struggle, in the Italian style, and who demand that we love our enemy, something that they, however, do not at all do even in the field of their narrower activity. — The rich: they leave their stupidity in the brain for as long as nails grow on their fingers. As they refer to their fingernails and say, "Thank God, I do not have to work," they likewise refer to the long {606} nails in their brain and likewise say, "Thank God, I do not have to work." — If one says to a social democrat that the owner of an entailment or some other capitalist perhaps has, among other things, some good qualities as well, he will reply: "What does that have to do with his participation in the capitalist order?" But during the world war itself, he will intentionally see merits in an Englishman, the most hated enemy of Germany. — Renewal of accident insurance. © Translation William Drabkin. |
25. II. 17 +2°. in der Mittagssonne +13°.
— Von Roth (Br.13/30, [29]): erzählt aus seinem gegenwärtigen Leben in Mainz, wie er 4-händig mein Händel-Arrangement spielt, sich sonst aber nach der Front geradezu zurücksehnt; plant eine Ausgabe der Händelschen Klavierwerke. — Von Mittler (Br.): Freude über op. 111, eine spezielle Frage, u. schließlich auch eine etwas vorlaute Bemerkung über meine politischen Notizen. Die Berliner Schnoddrigkeit, meint er, wäre ebenfalls zu den Ursachen des Weltkrieges zu zählen. — Von Baronin Bach (Br.): in verletztem, aber nicht verletzendem Ton, wirft sie mir Mangel an Interesse für das Talent ihrer Kleinen vor, das sie doch über dem Durchschnittsniveau wähnt. — Von der Steuerbehörde Ratenbewilligung für den Rest des Jahres 1916. — Von Deetjen s (K.): erkundigt sich nach etwaigen ihm bis heute noch unbekannten Werken von mir, doch geht aus dem von ihm aufgestellten Verzeichnis hervor, daß er sie alle kennt, bis vielleicht auf die 2. Aufl. der Ornamentik u. Niloff . — Zu Tisch zum erstenmale für die Mehlspeise eine Mehlkarte gegeben. — Nach dem Caféhaus Spaziergang am Ufer. — Brotverlegenheit aus der wir uns durch Einkauf von Konditorsachen helfen. — Hermann Bahr (N. W. Journal) findet endlich, daß es angezeigt wäre, wenn die Tschechen sich im Sinne des oesterreichischen Staatsgedankens besser „Böhmen tschechischer Nation “ nennen würden. 1 Endlich! Um eben dieses ging ja Jahrzehnte lang der Kampf der Deutschen, der aber selbst von der Regierung mißverstanden u. erschwert wurde. — Wenn es ausgeschlossen ist, daß außer dem Menschen irgend ein Tier, sei es ein Haustier oder ein im wilden Zustande lebendes, etwas derartiges treibe, was sich mit der menschlichen Kunst vergleichen ließe, so ist daraus wohl ohneweiters auch der Schluss {605} zu ziehen, daß die besondere Begnadung des Menschen zur Kunst offenbar ein apriori-Ereignis der Natur ist. — Im „März“ von Schmidt über „den Amerikaner “; 2 reduziert in treffender Weise die viel berufene besondere Begabung des amerikanischen Kaufmannes auf das übliche Maß kaufmännischer Begabung überhaupt u. weist vor allem auf die Gunst der Verhältnisse, die in Amerika dem Kaufmanne schon vom Haus aus so entscheidend entgegenkamen. In den Verhältnissen lag das Glück, – der Rest, den der Kaufmann hinzu tat hinzutat, war nicht der Rede wert! — Der Feuilletonist der „N. Fr. Pr.“ (über ein Tagebuch von Bertuch aus dem Jahre 1815) spricht von „einer Pest des Nachdrucks“, vom „Nachdruck als Erzfeind des geistigen Eigentums“ u. nennt in diesem Zusammenhang Bertuch mit Cotta als Vertreter „eines Ideals, das nach Pressfreiheit u. Nachdrucksverbot strebt“. 3 Wenn nun schon aber der Nachdruck eine Pest genannt wird, wie hätte hat man da erst zu urteilen über die Neigung Aneignung fremden künstlerischen Eigentums, wie sie in Europa gesetzlich gestattet u. die nach Ablauf der Schutzfrist jedermann frei steht? —— — An Baronin Bach (Br.): protestiere in kurzer aber eindringender Weise gegen ihren Mangel an Ernst u. sage ausdrücklich, daß die Zumutung eines „Rates“ ja eigentlich eine Beleidigung war. — An Mittler (Br.): weise ihn wegen seiner Gesinnung zurecht; die Mängel unserer Feinde säßen viel tiefer als die Berliner Schnoddrigkeit, die noch durchaus nicht als das ein nationales Laster der Deutschen angesprochen werden darf. Auch [illeg]eigne sich der gegenwärtige Zeitpunkt nicht dazu, den Feinden den Dienst zu erweisen, (den sie uns verweigern,) daß wir auf uns nun wirklich mit eben d erie Schuld beladen sehen nehmen, die sie uns vorwerfen. Bei dieser Gelegenheit ziele ich nach der „ Arbeiter Ztg.; “ u. Karl Kraus als denjenigen Elementen, die den Deutschen während des Ringens der Nationen nach italienischer Art in den Rücken fallen u. dsie Deutschen auffordern, den Feind zu lieben, was sie aber indessen selbst im Bereich ihrer engeren Tätigkeit durchaus nicht tun. — Die Reichen: lassen die Dummheit im Gehirn so lang wie die Nägel an den Fingern wachsen. Wie sie auf die ihre Nägel hinweisen u. sagen „Gott sei Dank, ich brauche nicht zu arbeiten“, so ebenso weisen sie gewissermaßen auch auf die langen {606} Nägel im Gehirn hin u. ebenfalls mit der Wendung „Gott sei Dank, ich brauche nicht zu arbeiten.[“] — Man sage dem Sozialdemokraten , ein Fideikommißbesitzer oder sonst irgend ein Kapitalist habe unter anderen wohl auch gute Eigenschaften, so erwidert er: Was hat das mit seiner Teilnahme an der kapitalistischen Ordnung zu tun? Nur gerade im Weltkrieg will er beim Engländer, bei dem gehasstesten Feind Deutschlands, mit Absicht nach Vorzügen suchen sehen. — Erneuerung der Unfallsversicherung. © Transcription Marko Deisinger. |
February 25, 1917. +2°; in the midday sun, +13°.
— LetterOJ 13/30, [29] from Roth : he talks about his present life in Mainz, how he is playing my Handel arrangements four-hand but is actually yearning to return to the front. He is planning an edition of Händel's keyboard works. — Letter from Mittler : delight about Op. 111 , a special question, and finally also a somewhat impertinent remark about my political remarks. The brashness of Berlin, he says, er, ought also to be reckoned among the causes of the world war. — Letter from Baroness Bach : in an injured, but not injurious, tone, she accuses me of a lack of interest in her daughter's talent, which she still imagines to be above the average level. — The tax authorities allow me to pay in installments for the remainder of 1916. — Postcard from Deetjen : he asks if there are any works of mine that he still does not know about; and yet it is clear from the list he has put together that he knows them all, apart perhaps from the second editions of Ornamentation and Niloff . — At lunch, a dessert card presented for the dessert. —After the coffee house, a walk along the river bank. — Bread shortage, which we resolve by the purchase of pastries. — Hermann Bahr (in the Neues Wiener Journal ), thinks that it would be advisable for the Czechs, in accordance with the idea of the Austrian state, rather to call themselves "Bohemia of the Czech Nation." 1 Finally! The Germans struggled with this very matter for decades, a struggle which was misunderstood and aggravated by the government itself. — If it is impossible for any animal other than the human being, whether it is a pet or one that lives in the wild, to do something that can be regarded as comparable to human art, then one can also conclude without further ado {605} that the special endowment of human beings with art is evidently an a priori natural phenomenon. — In März , an article by Schmidt on "The American"; 2 he trenchantly reduces the much-vaunted talent of the American businessman to the usual measure of business talent in general, and points above all to the favorable circumstances that automatically accommodated the businessman in America even from the outset. The luck lay in the conditions – the rest, which the businessman added, was not worth mentioning! — A feuilleton in the Neue freie Presse concerning a diary kept by Bertuch in 1815, speaks of the "pest of the reprint," of the "reprint as the arch-enemy of intellectual property" and, in this connection names Bertuch along with Cotta as exponents "of an ideal that strives after freedom of the press and the prohibition of reprint." 3 But if reprinting is already regarded as a pest, how can one judge the appropriation of the artistic property of others, as is legally permitted and is available to anyone once the term of copyright has expired? — — Letter to Baroness Bach : I protest briefly but in a more penetrating way against her lack of seriousness and say expressly that the impertinence of a "piece of advice" was actually an indignity. — Letter to Mittler : I rebuke him for his attitude; the deficiencies of our enemies lie much deeper than Berlin brashness, which may most certainly not be regarded as a German national vice. Also the present time does not lend itself to rendering our enemies the service (which they withhold from us), that we should actually take upon ourselves the blame with which they are accusing us. On this occasion I am aiming at the Arbeiter-Zeitung and Karl Kraus as those elements who stab the Germans in the back during a struggle, in the Italian style, and who demand that we love our enemy, something that they, however, do not at all do even in the field of their narrower activity. — The rich: they leave their stupidity in the brain for as long as nails grow on their fingers. As they refer to their fingernails and say, "Thank God, I do not have to work," they likewise refer to the long {606} nails in their brain and likewise say, "Thank God, I do not have to work." — If one says to a social democrat that the owner of an entailment or some other capitalist perhaps has, among other things, some good qualities as well, he will reply: "What does that have to do with his participation in the capitalist order?" But during the world war itself, he will intentionally see merits in an Englishman, the most hated enemy of Germany. — Renewal of accident insurance. © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Hermann Bahr, "Tagebuch," Neues Wiener Journal, No. 8377, February 25, 1917, 25th year, p. 7. 2 Karl Eugen Schmidt, "Der Amerikaner," März 11 (February 10, 1917), pp. 108-114. 3 "Tagebuch aus Kongreß-Wien," Neue Freie Presse, No. 18862, February 25, 1917, morning edition, pp. 1-3. |