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5. II. 17 -9°;

schneidender u. kälter wie an den vergangenen Tagen, selbst wie auch an jenen Tagen, an denen die Temperatur niedriger war. — Schon um 9h zu Dr. Türkel ; erklärt den Versuch machen zu wollen, den Betrag von M. 10000 aus der Verlassenschaft „zu retten“, um nicht überflüssig den Kammerrat in Anspruch zu nehmen. Der Versuch soll darauf gegründet sein, daß der Brief der Fr. D. sowie die Zuschrift des Bankvereins für Dokumente einer Schenkung in Anspruch genommen werden sollen, u. als wäre die Bank Schuld, wenn {587} er dem Auftrag der Fr. D. nicht die angemessene Form eines eigenen Depots gege gben. Ich erkläre mich mit dem Versuch einverstanden, gestehe aber so wenig Hoffnung zu haben als der Anreger des Versuches, nämlich er selbst. In taktvoller Weise gab ich ihm aber noch außerdem zu verstehen, daß ich nur deshalb dem Versuch zustimme, weil ich den Kammerrat gerne entlasten möchte; der Umstand, daß er nicht gleich die Sache auf sich selbst gestellt hat, mache mir den Versuch wünschenswert. Was ich darunter verstand, gab ich durch den Parallelfall zu erkennen, der sich seinerzeit zwischen mir u. dem verstorbenen Heinrich Mendl ereignete, u. der mir Kr. 500 kostete. Jedoch Freilich war der Anwalt dadurch nicht aus der Reserve nicht gleich herauszubringen, die Anständigkeit seines Klienten war mußte ihm eben eine ausgemachte Sache bleiben ; u. meiner eigenen Anregung folgend meinte er aber schließlich, daß er nach Mißlingen des Versuches den Kammerrat um irgend ein Dokument zu meinem Gunsten ersuchen werde. Unangenehm berührte mich die Wendung des Kammerrates, mit der er seine Bereitwilligkeit zur Uebernahme der Zuweisung erklärte „Sie wissen“ sagte er „ich habe einen breiten Buckel “. – Dazwischen sprach der Anwalt in wirklich ergötzlicher Weise von der Pianistin Ney – es versteht sich, daß sie aus der Schule Sauer ist, der auch seine eigene Frau angehörte! –, sprach auch vom „öden“ Kalbeck u. lud sich selbst zur Besichtigung meiner Autograph-Photographien ein.

— Per Post Einladung von Dr. Türkel zu den in der Urania abzuhaltenden 6 Vorträgen.

— An Sophie Kr. 20. – zur Tilgung des Schuldenrestes sowie a conto. — Zuhause finde ich von Sophie einen Brief, worin sie eine neue Sendung ankündigt, sowie die Aussicht eröffnet, uns von Bielitz aus auch zum Teil durch die Post, zum Teil aber auch durch gelegentlich reisende Verwandte die Lebensmittel in vielleicht noch reichlicherem Maße wird zukommen lassen zu können. Sie meldet auch den Tod Anselm Moslers. Wie vielverheißend begann dieser ohne Zweifel sehr begabte Mann! Von allen Erfolgen seiner Studienzeit u. der knapp dahinterliegenden darauffolgenden Epoche fiel er plötzlich {588} in die ödeste Provinz als Advokat, – gleich einem Zeppelinführer, der vom Ballon abstürzt. Indessen hatte auch dieser Lebenslauf sein Gesetz in sich; das Ende kam so unmotiviert nicht, als es den Anschein hat: denn selbst in den stolzesten Zeiten seines Denkens u. Wirkens war seine geistige Kraft stets von einer sonderbaren Wirrnis angekränkelt, die ihn zu Paradoxen nicht nur in Wort u. Schrift, sondern auch zu solchen im praktischen Leben hinausjagten. Gleichsam war die geistige Dynamomaschine zu schwach, um die vielen wirren Pläne u. Ideen zu vereinen, die auch rein äußerlich genommen auseinanderstreben mußten. Ein Doktorat der Philosophie für Geschichte, ein Doktorat der Rechte, Sozialpolitik, praktische Politik u. dgl. m. waren Einzelstationen auf einer Fahrt, die kein Ziel hatte. —

© Transcription Marko Deisinger.

February 5, 1917. -9°;

more biting and feeling colder than on the previous days, even on those days on which the temperature was lower. — As early as 9 o'clock, to Dr. Türkel ; he explains that he will attempt to "save" the sum of 10,000 marks from the estate without having to engage the services of the Chamber Counsellor unnecessarily. The attempt should be based on Mrs. Deutsch's letter and the official communication from the Bankverein being taken into account as documents of a bequest and the bank being at fault if {587} he (Türkel) did not give Mrs. Deutsch's instructions the correct form of a portfolio of its own. I tell him that I approve of his plan but admit that I hold out as little hope for success as the originator of the attempt himself. In a tactful way, I also gave him to understand that I am only going along with his plan because I would like to be free of the Chamber Counsellor's services; the fact that he did not get to grips with the matter immediately makes the plan desirable to me. What I understood by it, I explained by way of the parallel case that occurred a while ago between me and the now deceased Heinrich Mendl , which cost me 500 Kronen. Of course, the attorney could not be paid immediately out of the reserve: his client's scrupulousness had to remain a foregone conclusion; following my own suggestion, he ultimately said, however, that if the plan fails, he will ask the Chamber Counsellor for some document that would favor me. I was not pleased by the expression used by the Chamber Counsellor to express his willingness to take on the assignment: "You know," he said, "that I have a broad back." – In between, the lawyer spoke of the pianist Ney in a truly adulatory way – it goes without saying that she is from the school of Sauer, to whom his own wife belongs! – and he also spoke of the "dry" Kalbeck and invited himself to see my collection of signed photographs.

— By mail, invitation from Dr. Türkel to attend the six lectures he will give at the Urania.

— To Sophie, 20 Kronen, to cancel the remaining debt and to put some on account. — At home I find a letter from Sophie in which she announces a new consignment as well as offering the prospect of being able to send us food in perhaps more abundant quantities from Bielitz, partly through the mail, but partly through relatives who occasionally travel. She also reports the death of Anselm Mosler . With what promise did this undoubtedly very gifted man set out! After all the successes of his days as a student and the period that followed, {588} he suddenly ended up as a lawyer in the most barren province – like a Zeppelin pilot who had fallen from his balloon. Nonetheless, even the course of this life was governed by its law; the end did not come so much by chance as it seems. For even in the proudest moments of his thought and activity, his intellectual power suffered constantly from a strange confusion that drove him to paradoxes not only in what he said and wrote but also in his practical life. The intellectual dynamo was, so to speak, too weak to unify his many tangled plans and ideas which, even when considered superficially, were forced to diverge. A Ph.D. in history, a doctorate in law, social politics, practical politics and much else were the way stations of a voyage that had no goal.

© Translation William Drabkin.

5. II. 17 -9°;

schneidender u. kälter wie an den vergangenen Tagen, selbst wie auch an jenen Tagen, an denen die Temperatur niedriger war. — Schon um 9h zu Dr. Türkel ; erklärt den Versuch machen zu wollen, den Betrag von M. 10000 aus der Verlassenschaft „zu retten“, um nicht überflüssig den Kammerrat in Anspruch zu nehmen. Der Versuch soll darauf gegründet sein, daß der Brief der Fr. D. sowie die Zuschrift des Bankvereins für Dokumente einer Schenkung in Anspruch genommen werden sollen, u. als wäre die Bank Schuld, wenn {587} er dem Auftrag der Fr. D. nicht die angemessene Form eines eigenen Depots gege gben. Ich erkläre mich mit dem Versuch einverstanden, gestehe aber so wenig Hoffnung zu haben als der Anreger des Versuches, nämlich er selbst. In taktvoller Weise gab ich ihm aber noch außerdem zu verstehen, daß ich nur deshalb dem Versuch zustimme, weil ich den Kammerrat gerne entlasten möchte; der Umstand, daß er nicht gleich die Sache auf sich selbst gestellt hat, mache mir den Versuch wünschenswert. Was ich darunter verstand, gab ich durch den Parallelfall zu erkennen, der sich seinerzeit zwischen mir u. dem verstorbenen Heinrich Mendl ereignete, u. der mir Kr. 500 kostete. Jedoch Freilich war der Anwalt dadurch nicht aus der Reserve nicht gleich herauszubringen, die Anständigkeit seines Klienten war mußte ihm eben eine ausgemachte Sache bleiben ; u. meiner eigenen Anregung folgend meinte er aber schließlich, daß er nach Mißlingen des Versuches den Kammerrat um irgend ein Dokument zu meinem Gunsten ersuchen werde. Unangenehm berührte mich die Wendung des Kammerrates, mit der er seine Bereitwilligkeit zur Uebernahme der Zuweisung erklärte „Sie wissen“ sagte er „ich habe einen breiten Buckel “. – Dazwischen sprach der Anwalt in wirklich ergötzlicher Weise von der Pianistin Ney – es versteht sich, daß sie aus der Schule Sauer ist, der auch seine eigene Frau angehörte! –, sprach auch vom „öden“ Kalbeck u. lud sich selbst zur Besichtigung meiner Autograph-Photographien ein.

— Per Post Einladung von Dr. Türkel zu den in der Urania abzuhaltenden 6 Vorträgen.

— An Sophie Kr. 20. – zur Tilgung des Schuldenrestes sowie a conto. — Zuhause finde ich von Sophie einen Brief, worin sie eine neue Sendung ankündigt, sowie die Aussicht eröffnet, uns von Bielitz aus auch zum Teil durch die Post, zum Teil aber auch durch gelegentlich reisende Verwandte die Lebensmittel in vielleicht noch reichlicherem Maße wird zukommen lassen zu können. Sie meldet auch den Tod Anselm Moslers. Wie vielverheißend begann dieser ohne Zweifel sehr begabte Mann! Von allen Erfolgen seiner Studienzeit u. der knapp dahinterliegenden darauffolgenden Epoche fiel er plötzlich {588} in die ödeste Provinz als Advokat, – gleich einem Zeppelinführer, der vom Ballon abstürzt. Indessen hatte auch dieser Lebenslauf sein Gesetz in sich; das Ende kam so unmotiviert nicht, als es den Anschein hat: denn selbst in den stolzesten Zeiten seines Denkens u. Wirkens war seine geistige Kraft stets von einer sonderbaren Wirrnis angekränkelt, die ihn zu Paradoxen nicht nur in Wort u. Schrift, sondern auch zu solchen im praktischen Leben hinausjagten. Gleichsam war die geistige Dynamomaschine zu schwach, um die vielen wirren Pläne u. Ideen zu vereinen, die auch rein äußerlich genommen auseinanderstreben mußten. Ein Doktorat der Philosophie für Geschichte, ein Doktorat der Rechte, Sozialpolitik, praktische Politik u. dgl. m. waren Einzelstationen auf einer Fahrt, die kein Ziel hatte. —

© Transcription Marko Deisinger.

February 5, 1917. -9°;

more biting and feeling colder than on the previous days, even on those days on which the temperature was lower. — As early as 9 o'clock, to Dr. Türkel ; he explains that he will attempt to "save" the sum of 10,000 marks from the estate without having to engage the services of the Chamber Counsellor unnecessarily. The attempt should be based on Mrs. Deutsch's letter and the official communication from the Bankverein being taken into account as documents of a bequest and the bank being at fault if {587} he (Türkel) did not give Mrs. Deutsch's instructions the correct form of a portfolio of its own. I tell him that I approve of his plan but admit that I hold out as little hope for success as the originator of the attempt himself. In a tactful way, I also gave him to understand that I am only going along with his plan because I would like to be free of the Chamber Counsellor's services; the fact that he did not get to grips with the matter immediately makes the plan desirable to me. What I understood by it, I explained by way of the parallel case that occurred a while ago between me and the now deceased Heinrich Mendl , which cost me 500 Kronen. Of course, the attorney could not be paid immediately out of the reserve: his client's scrupulousness had to remain a foregone conclusion; following my own suggestion, he ultimately said, however, that if the plan fails, he will ask the Chamber Counsellor for some document that would favor me. I was not pleased by the expression used by the Chamber Counsellor to express his willingness to take on the assignment: "You know," he said, "that I have a broad back." – In between, the lawyer spoke of the pianist Ney in a truly adulatory way – it goes without saying that she is from the school of Sauer, to whom his own wife belongs! – and he also spoke of the "dry" Kalbeck and invited himself to see my collection of signed photographs.

— By mail, invitation from Dr. Türkel to attend the six lectures he will give at the Urania.

— To Sophie, 20 Kronen, to cancel the remaining debt and to put some on account. — At home I find a letter from Sophie in which she announces a new consignment as well as offering the prospect of being able to send us food in perhaps more abundant quantities from Bielitz, partly through the mail, but partly through relatives who occasionally travel. She also reports the death of Anselm Mosler . With what promise did this undoubtedly very gifted man set out! After all the successes of his days as a student and the period that followed, {588} he suddenly ended up as a lawyer in the most barren province – like a Zeppelin pilot who had fallen from his balloon. Nonetheless, even the course of this life was governed by its law; the end did not come so much by chance as it seems. For even in the proudest moments of his thought and activity, his intellectual power suffered constantly from a strange confusion that drove him to paradoxes not only in what he said and wrote but also in his practical life. The intellectual dynamo was, so to speak, too weak to unify his many tangled plans and ideas which, even when considered superficially, were forced to diverge. A Ph.D. in history, a doctorate in law, social politics, practical politics and much else were the way stations of a voyage that had no goal.

© Translation William Drabkin.