7. XI. 16
An Mathdies in St. Jakob mit Anfrage, ob er in gegenwärtiger oder absehbarer Zeit ein paar [sic] Schuhe für mich herstellen könnte. — Lie-Liechen erbeutet 2 kg Fett!! — Fr. D. zu Tisch u. im Caféhaus; erzählt von der neuen Bekanntschaft Herrn Ernst Lissauer s. Ihre Erzählung ist zu entnehmen, daß sSie scheint – um in ihrem Jargon zu sprechen – nur wenig auf ihre Rechnung gekommen ist zu sein! Anderseits konnte ich bemerken, welch’ ungünstigen Eindruck auf sie die Tatsache gemacht hat, daß L. von mir noch gar nichts wußte (oder vielleicht nichts wissen wollte?). — Zu Orlay (2.), sodann zu Gerngroß {498} [wegen] Honigs; leider finden wir davon keine Spur mehr. — Kaufmann: Suchen die Verbraucher Marmelade wegen als Ersatz für mangelnde Butternot etwaigen durch, so versteckt diese weiß sie der Kaufmann sofort zu verstecken, um einen Zeitpunkt noch mehr gesteigerter gespannterer Not abzuwarten, die ihm höheren Wuchergewinn ermöglicht; wenden sich die Verbraucher in Ermangelung der Marmelade wieder dem Honig zu, so schafft auch diesen der Kaufmann sofort aus dem Laden, u sw.nd sofort in infinitum. So ist Augenblicklich [recte augenblicklich] ist weder Butter, noch Marmelade, noch Honig irgendwo anzutreffen, man müßte sich denn zu horribeln Preisen verstehen, um die man aber nicht einmal Waren von zweifelhafter Qualität erwirbt. — Jause im Caféhaus casa piccola; darnach hierauf macht Lie-Liechen Besuch in Schönbrunn. — Die neu ernannten Minister geben die Wucherer der allgemeinen Verachtung preis, 1 was die Wucherer aber, abgestumpft , wie sie nun einmal sind, nicht im geringsten berührt, denn auch MinisterReden sind vorerst nur eben Reden! — — Brünauer hat noch immer das Honorar für Oktober nicht erlegt. — *
© Transcription Marko Deisinger. |
November 7, 1916.
To Mathies in St. Jakob, asking whether he could make a pair of shoes for me now or in the near future. — Lie-Liechen gets her hands on 2 kilograms of cooking fat!! — Mrs. Deutsch at lunch and at the coffee house; she speaks of her new acquaintance, Mr. Ernst Lissauer . It seems – to use her jargon – to have cost her little! On the other hand I could observe the unfavorable impression made on her by the fact that Lissauer still knew nothing about me (or perhaps did not want to know anything?). — To Orlay (for the second time), then to Gerngroß {498} for honey; unfortunately we find not a trace of it. — Businessman: if consumers look for marmalade as a substitute for butter which is in short supply, the businessman will immediately be able to conceal it, waiting for a point in time of still more acute need, which will enable him to make an even more extortionate profit; if the consumers, in the absence of marmalade, now turn to honey, then the businessman will immediately banish it from his shop, and so on ad infinitum. Thus at the present moment neither butter nor marmalade nor honey can be found anywhere; one must then be reconciled to paying horrible prices in order to obtain wares that are not even of good quality. — Afternoon snack at the Café Casa Piccola; afterwards, Lie-Liechen pays a visit to Schönbrunn. — The newly appointed ministers reveal their general contempt for the profiteers; 1 this does not affect the profiteers in the slightest, dull as they always are; for even ministerial speeches are essentially just speeches! — — Brünauer has still not paid the lesson fee for October. — *
© Translation William Drabkin. |
7. XI. 16
An Mathdies in St. Jakob mit Anfrage, ob er in gegenwärtiger oder absehbarer Zeit ein paar [sic] Schuhe für mich herstellen könnte. — Lie-Liechen erbeutet 2 kg Fett!! — Fr. D. zu Tisch u. im Caféhaus; erzählt von der neuen Bekanntschaft Herrn Ernst Lissauer s. Ihre Erzählung ist zu entnehmen, daß sSie scheint – um in ihrem Jargon zu sprechen – nur wenig auf ihre Rechnung gekommen ist zu sein! Anderseits konnte ich bemerken, welch’ ungünstigen Eindruck auf sie die Tatsache gemacht hat, daß L. von mir noch gar nichts wußte (oder vielleicht nichts wissen wollte?). — Zu Orlay (2.), sodann zu Gerngroß {498} [wegen] Honigs; leider finden wir davon keine Spur mehr. — Kaufmann: Suchen die Verbraucher Marmelade wegen als Ersatz für mangelnde Butternot etwaigen durch, so versteckt diese weiß sie der Kaufmann sofort zu verstecken, um einen Zeitpunkt noch mehr gesteigerter gespannterer Not abzuwarten, die ihm höheren Wuchergewinn ermöglicht; wenden sich die Verbraucher in Ermangelung der Marmelade wieder dem Honig zu, so schafft auch diesen der Kaufmann sofort aus dem Laden, u sw.nd sofort in infinitum. So ist Augenblicklich [recte augenblicklich] ist weder Butter, noch Marmelade, noch Honig irgendwo anzutreffen, man müßte sich denn zu horribeln Preisen verstehen, um die man aber nicht einmal Waren von zweifelhafter Qualität erwirbt. — Jause im Caféhaus casa piccola; darnach hierauf macht Lie-Liechen Besuch in Schönbrunn. — Die neu ernannten Minister geben die Wucherer der allgemeinen Verachtung preis, 1 was die Wucherer aber, abgestumpft , wie sie nun einmal sind, nicht im geringsten berührt, denn auch MinisterReden sind vorerst nur eben Reden! — — Brünauer hat noch immer das Honorar für Oktober nicht erlegt. — *
© Transcription Marko Deisinger. |
November 7, 1916.
To Mathies in St. Jakob, asking whether he could make a pair of shoes for me now or in the near future. — Lie-Liechen gets her hands on 2 kilograms of cooking fat!! — Mrs. Deutsch at lunch and at the coffee house; she speaks of her new acquaintance, Mr. Ernst Lissauer . It seems – to use her jargon – to have cost her little! On the other hand I could observe the unfavorable impression made on her by the fact that Lissauer still knew nothing about me (or perhaps did not want to know anything?). — To Orlay (for the second time), then to Gerngroß {498} for honey; unfortunately we find not a trace of it. — Businessman: if consumers look for marmalade as a substitute for butter which is in short supply, the businessman will immediately be able to conceal it, waiting for a point in time of still more acute need, which will enable him to make an even more extortionate profit; if the consumers, in the absence of marmalade, now turn to honey, then the businessman will immediately banish it from his shop, and so on ad infinitum. Thus at the present moment neither butter nor marmalade nor honey can be found anywhere; one must then be reconciled to paying horrible prices in order to obtain wares that are not even of good quality. — Afternoon snack at the Café Casa Piccola; afterwards, Lie-Liechen pays a visit to Schönbrunn. — The newly appointed ministers reveal their general contempt for the profiteers; 1 this does not affect the profiteers in the slightest, dull as they always are; for even ministerial speeches are essentially just speeches! — — Brünauer has still not paid the lesson fee for October. — *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Die Rede des Justizministers. Beim Empfange der Beamten," Neue Freie Presse, No. 18756, November 7, 1916, morning edition, pp. 2-3. "Die Sprache des Volkes. Das Programm des Justizministers Dr. Klein," Neues Wiener Journal, No. 8271, November 7, 1916, 24th year, p. 2. |