17. VIII. 16
Nachts Regen; des morgens aber nur mehr ein letzter Rest der Regenstimmung, auf den aber die Sonne bereits siegreich niederblickt. — Nur um zur Abwechslung einmal einen steileren Weg zu gehen von 9¼–12h ins Steißbachtal. — Von Frl. König K. mit Gruß aus Wien. — Von Friedl u. Julian Grüße von einem Ausflug. *Der Gebirgler bleibt Tier mit seinem Tier, wie der Mensch Kind bleibt mit seinem Kinde (vgl. dagegen „Wilhelm Meister“ VIII. 2 1 ). — *{381} Der Reiche: Man bBade einen den Hund, pedukure u. manukure [sic] ihn: er bleibt ein Hund. Uns so lebe der Reiche hygienisch wie er will, lasse sich peduk uieren u. manuk uieren, er bade kalt u. warm, er bleibt ein Menschentier, wenn nicht über all die Hygiene hinaus seine Seele eine Steigerung erfuhr. Blutegel, – Schoß-Blutegel = Schoßhündchen. — *Vermutlich hat die Regierung all die Zeit her den Händlern u. Wucherern nur deshalb stattgegeben, weil sie alle Ursache hatte, ihre Gedanken von der Klasse der Großgrundbesitzer u. Großindustriellen abzulenken, die in nur wenigen Händen die sichersten Güter auf einer nur sehr fragwürdigen Basis vereinigen, die Sicherheit ihres Daseins nicht nur ihnen, sondern allen deren nachkommenden Geschlechtern garantier ten. Wären Wie ehemals solche großen Komplexe dem Staate gegenüber unbelastet waren, so sind sie es im Grunde auch noch heute der menschlichen Gesellschaft noch ebenso unbelastet gegenüber u. zwar in dem Sinne, als ihre großen Einkünfte mehr als die Bedürfnisse blos einer Familie braucht decken. Keine Kriegszeit kann so hart sein, daß sie Lasten auch diesen Kreisen je aufbürden könnten. 2 — *Nachmittags hin u. wieder Regen; gegen Abend schwere Wolken, um 7h Donner, erst von kurzer Dauer. , Wwährend des Abendessens lebt das Gewitter stärker auf u. treibt sein Unwesen bis nahezu Mitternacht. Regen die ganze Nacht über. — — Während der Jause Gespräch mit Schuler jun., der, obgleich er selbst an der Front ist, sich dennoch völlig frei von der Depression, die im Hinterland wütet, sich erhalten hat u. nur das Günstigste von Truppen u. Offizieren berichtet. Wir hörten von ihm, daß inzwischen General Dankl zurückgetreten sei, daß die Front in Südtirol zwar sehr dünn gehalten ist, u. wohl aber der Truppenmangel durch höchste Kunst in glücklichster Weise wettgemacht wird! Er erzählt uns auch von so manchen Bravourstücken, von seiner eigenen Aufgabe beim Train, Menage den kämpfenden Truppen zuzuführen u. s. w. Er hat beobachtet gut, erzählt in guter fließender Sprache, womit schon allein er sich über das Durchschnittsniveau auch der Gesellschaft erhebt. — *{382} „Wilhelm Meister“, VIII. 3, 3 bei Thee, den wir nach dem Abendessen in Lie-Liechens Zimmer einnehmen. *
© Transcription Marko Deisinger. |
August 17, 1916.
Rain overnight; in the morning, however, only a final remainder of the rainy atmosphere, upon which the sun is already looking down victoriously. — Just once for variety, a steeper path taken from 9:15 to 12 o'clock, into the Steißbachtal. — Postcard from Miss König, with greetings from Vienna. — From Friedl and Julian, greetings from an excursion. *The mountain dweller remains an animal with his animal, as the human remains a child with his child (see on the other hand Wilhelm Meister VIII2 1 ). — *{381} The rich man: bathe a dog, pedicure and manicure it: it remains a dog. And so the rich man may live hygienically, as he wishes, receive pedicures and manicures, and take cold and hot baths: but he remains a human animal if in spite of all this hygiene his soul is not elevated. Leech, lap–leech = lapdog. — *Presumably the government has been sustaining the merchants and profiteers all this time only because it had every reason to steer its thoughts away from the class of large estate holders and industrialists, who unify the safest properties in a few hands on only a highly questionable basis, guaranteeing the security of their existence not only for themselves but for the generations that will follow them. As in the past all such great complexes were unencumbered by the state. So they are basically even now with respect to human society, and indeed in the sense that their great incomes cover more than the needs merely of one family. No wartime period can be so difficult as to be able ever to impose encumbrances even on these circles. 2 — *In the afternoon, occasional rain; towards evening, thick clouds; thunder at 7 o'clock, initially of short duration. During supper, the storm increases in intensity and makes mischief until nearly midnight. Rain throughout the night. — — During teatime, conversation with Schuler's son who, though he himself is serving in the army, is nonetheless completely free of the depression that rages in the hinterland has kept himself in good shape, and has only the most favorable things to report about troops and officers. We heard from him that General Dankl has meanwhile retired, that the front in the South Tyrol is in fact sparsely manned, but that surely the troop shortage will be offset by the greatest skill in the most providential way! He also regales us with many feats of brilliance, of his own tasks in the military transport service, offering assistance to the fighting troops, and so on. He observes well, speaks well and fluently, by which things alone he has already raised himself above the level of mediocrity. — *{382} Wilhelm Meister VIII3, 3 over tea, which we take after supper in Lie-Liechen's bedroom. *
© Translation William Drabkin. |
17. VIII. 16
Nachts Regen; des morgens aber nur mehr ein letzter Rest der Regenstimmung, auf den aber die Sonne bereits siegreich niederblickt. — Nur um zur Abwechslung einmal einen steileren Weg zu gehen von 9¼–12h ins Steißbachtal. — Von Frl. König K. mit Gruß aus Wien. — Von Friedl u. Julian Grüße von einem Ausflug. *Der Gebirgler bleibt Tier mit seinem Tier, wie der Mensch Kind bleibt mit seinem Kinde (vgl. dagegen „Wilhelm Meister“ VIII. 2 1 ). — *{381} Der Reiche: Man bBade einen den Hund, pedukure u. manukure [sic] ihn: er bleibt ein Hund. Uns so lebe der Reiche hygienisch wie er will, lasse sich peduk uieren u. manuk uieren, er bade kalt u. warm, er bleibt ein Menschentier, wenn nicht über all die Hygiene hinaus seine Seele eine Steigerung erfuhr. Blutegel, – Schoß-Blutegel = Schoßhündchen. — *Vermutlich hat die Regierung all die Zeit her den Händlern u. Wucherern nur deshalb stattgegeben, weil sie alle Ursache hatte, ihre Gedanken von der Klasse der Großgrundbesitzer u. Großindustriellen abzulenken, die in nur wenigen Händen die sichersten Güter auf einer nur sehr fragwürdigen Basis vereinigen, die Sicherheit ihres Daseins nicht nur ihnen, sondern allen deren nachkommenden Geschlechtern garantier ten. Wären Wie ehemals solche großen Komplexe dem Staate gegenüber unbelastet waren, so sind sie es im Grunde auch noch heute der menschlichen Gesellschaft noch ebenso unbelastet gegenüber u. zwar in dem Sinne, als ihre großen Einkünfte mehr als die Bedürfnisse blos einer Familie braucht decken. Keine Kriegszeit kann so hart sein, daß sie Lasten auch diesen Kreisen je aufbürden könnten. 2 — *Nachmittags hin u. wieder Regen; gegen Abend schwere Wolken, um 7h Donner, erst von kurzer Dauer. , Wwährend des Abendessens lebt das Gewitter stärker auf u. treibt sein Unwesen bis nahezu Mitternacht. Regen die ganze Nacht über. — — Während der Jause Gespräch mit Schuler jun., der, obgleich er selbst an der Front ist, sich dennoch völlig frei von der Depression, die im Hinterland wütet, sich erhalten hat u. nur das Günstigste von Truppen u. Offizieren berichtet. Wir hörten von ihm, daß inzwischen General Dankl zurückgetreten sei, daß die Front in Südtirol zwar sehr dünn gehalten ist, u. wohl aber der Truppenmangel durch höchste Kunst in glücklichster Weise wettgemacht wird! Er erzählt uns auch von so manchen Bravourstücken, von seiner eigenen Aufgabe beim Train, Menage den kämpfenden Truppen zuzuführen u. s. w. Er hat beobachtet gut, erzählt in guter fließender Sprache, womit schon allein er sich über das Durchschnittsniveau auch der Gesellschaft erhebt. — *{382} „Wilhelm Meister“, VIII. 3, 3 bei Thee, den wir nach dem Abendessen in Lie-Liechens Zimmer einnehmen. *
© Transcription Marko Deisinger. |
August 17, 1916.
Rain overnight; in the morning, however, only a final remainder of the rainy atmosphere, upon which the sun is already looking down victoriously. — Just once for variety, a steeper path taken from 9:15 to 12 o'clock, into the Steißbachtal. — Postcard from Miss König, with greetings from Vienna. — From Friedl and Julian, greetings from an excursion. *The mountain dweller remains an animal with his animal, as the human remains a child with his child (see on the other hand Wilhelm Meister VIII2 1 ). — *{381} The rich man: bathe a dog, pedicure and manicure it: it remains a dog. And so the rich man may live hygienically, as he wishes, receive pedicures and manicures, and take cold and hot baths: but he remains a human animal if in spite of all this hygiene his soul is not elevated. Leech, lap–leech = lapdog. — *Presumably the government has been sustaining the merchants and profiteers all this time only because it had every reason to steer its thoughts away from the class of large estate holders and industrialists, who unify the safest properties in a few hands on only a highly questionable basis, guaranteeing the security of their existence not only for themselves but for the generations that will follow them. As in the past all such great complexes were unencumbered by the state. So they are basically even now with respect to human society, and indeed in the sense that their great incomes cover more than the needs merely of one family. No wartime period can be so difficult as to be able ever to impose encumbrances even on these circles. 2 — *In the afternoon, occasional rain; towards evening, thick clouds; thunder at 7 o'clock, initially of short duration. During supper, the storm increases in intensity and makes mischief until nearly midnight. Rain throughout the night. — — During teatime, conversation with Schuler's son who, though he himself is serving in the army, is nonetheless completely free of the depression that rages in the hinterland has kept himself in good shape, and has only the most favorable things to report about troops and officers. We heard from him that General Dankl has meanwhile retired, that the front in the South Tyrol is in fact sparsely manned, but that surely the troop shortage will be offset by the greatest skill in the most providential way! He also regales us with many feats of brilliance, of his own tasks in the military transport service, offering assistance to the fighting troops, and so on. He observes well, speaks well and fluently, by which things alone he has already raised himself above the level of mediocrity. — *{382} Wilhelm Meister VIII3, 3 over tea, which we take after supper in Lie-Liechen's bedroom. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre (Wilhelm Meister's Apprenticeship), vol. 1, first published in 1795 (Berlin: Johann Friedrich Unger). 2 Marginal remark in Schenker's hand: Reich ("rich") 3 See Footnote 1 |