30. II V. 15
In der Ueberzeugung, daß sämtliche Bahnen abgesperrt sind, bleiben wir zuhause. — In der „N. Fr. Pr.“ Aufsatz von Seligmann über Machiavelli. 1 Leider vertritt auch dieser Verfasser die Ansicht, daß M. Recht hatte, List, Betrug u. Gemeinheit als {939} wirksames Kampfmittel zu empfehlen u. selbst kritisierend kommt er nicht auf den viel Näher näherliegenden Gedanken, daß Machiavelli’s Rat schon darum ein schlechter sei, weil als noch wirksameres Kampfmittel vor Allem doch doch die Kraft (des Geistes u. folglich auch des Armes) zu empfehlen wäre. Aber Mac. scheint ja seine Landsleute gekannt zu haben: gieng sein Rat dahin, daß List u. Betrug unter Umständen erlaubt seien, so fühlte er offenbar, daß es vergebens wäre, den Italienern den Geist anzuraten. Und gerade darin offenbart sich der Unterschied gegenüber der deutschen Nation, wo das Gefühl der Kraft einfach verbietet, minderwertige u. zweifelhafte Surrogate anzupreisen. Schließlich läuft lauft ja auch diese Frage darauf hinaus, daß wer nur der List u. des Betruges fähig ist[,] leider unfähig sich erweist , den Mißerfolg zu sehen, der sich in der Regel als Wirkung später dennoch einfindet. *
© Transcription Marko Deisinger. |
May 30, 1915.
In the belief that all paths are cut off, we stay at home. — In the Neue freie Presse , an article by Seligmann on Machiavelli. 1 Unfortunately, even this author advocates the view that Machiavelli was right to recommend cunning, deceit and meanness as {939} effective weapons; and, criticizing himself, he does not arrive at the more obvious idea, that Machiavelli's advice was for that reason a rather bad one, since since strength (of the intellect and, consequently also physical) can be recommended as an even more effective weapon. But Machiavelli seems indeed to have understood his countrymen: if his advice took the course that cunning and betrayal could, under certain circumstances, be permitted, then he evidently felt that it would be vain to recommend the Italians to use their intellect. And it is precisely here that the difference with the German national is revealed, where the feeling of power simply forbids commending surrogates of lesser or dubious value. Finally this matter, too, boils down to the question that one who is capable only of cunning and deceit proves, unfortunately, also to be incapable of seeing the failure which, as a rule, nonetheless turns out to be the result. *
© Translation William Drabkin. |
30. II V. 15
In der Ueberzeugung, daß sämtliche Bahnen abgesperrt sind, bleiben wir zuhause. — In der „N. Fr. Pr.“ Aufsatz von Seligmann über Machiavelli. 1 Leider vertritt auch dieser Verfasser die Ansicht, daß M. Recht hatte, List, Betrug u. Gemeinheit als {939} wirksames Kampfmittel zu empfehlen u. selbst kritisierend kommt er nicht auf den viel Näher näherliegenden Gedanken, daß Machiavelli’s Rat schon darum ein schlechter sei, weil als noch wirksameres Kampfmittel vor Allem doch doch die Kraft (des Geistes u. folglich auch des Armes) zu empfehlen wäre. Aber Mac. scheint ja seine Landsleute gekannt zu haben: gieng sein Rat dahin, daß List u. Betrug unter Umständen erlaubt seien, so fühlte er offenbar, daß es vergebens wäre, den Italienern den Geist anzuraten. Und gerade darin offenbart sich der Unterschied gegenüber der deutschen Nation, wo das Gefühl der Kraft einfach verbietet, minderwertige u. zweifelhafte Surrogate anzupreisen. Schließlich läuft lauft ja auch diese Frage darauf hinaus, daß wer nur der List u. des Betruges fähig ist[,] leider unfähig sich erweist , den Mißerfolg zu sehen, der sich in der Regel als Wirkung später dennoch einfindet. *
© Transcription Marko Deisinger. |
May 30, 1915.
In the belief that all paths are cut off, we stay at home. — In the Neue freie Presse , an article by Seligmann on Machiavelli. 1 Unfortunately, even this author advocates the view that Machiavelli was right to recommend cunning, deceit and meanness as {939} effective weapons; and, criticizing himself, he does not arrive at the more obvious idea, that Machiavelli's advice was for that reason a rather bad one, since since strength (of the intellect and, consequently also physical) can be recommended as an even more effective weapon. But Machiavelli seems indeed to have understood his countrymen: if his advice took the course that cunning and betrayal could, under certain circumstances, be permitted, then he evidently felt that it would be vain to recommend the Italians to use their intellect. And it is precisely here that the difference with the German national is revealed, where the feeling of power simply forbids commending surrogates of lesser or dubious value. Finally this matter, too, boils down to the question that one who is capable only of cunning and deceit proves, unfortunately, also to be incapable of seeing the failure which, as a rule, nonetheless turns out to be the result. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "‚Wie die Fürsten ihr Wort halten sollen'," Neue Freie Presse, No. 18235, May 30, 1915, morning edition, pp. 1-4. |