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4.–5. IV. 15

Reise nach Kautzen bei schönstem Wetter. Wir treffen die Mama schon in besserem Zustand, äußerlich gut nett gekleidet u. gut genährt, u. s. w. Dennoch herrscht Unzufriedenheit auf beiden Seiten; einzig die Dodi hält sich gleichsam in der Mitte zwischen Mutter u. Sohn. Die Schuld trägt vor allem der Sohn selbst ., der, wie immer er sich der Mutter gegenüber verhält, dennoch von ihr die gleiche Anerkennung erfahren will, wie der andere, der ihr mehr Aufmerksamkeit bietet. Obendrein weiß er selbst, daß er nicht gerade zart mit der Mutter umgeht, – aber alles das, meint er, sollte die Mutter nicht abhalten, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dagegen bleibt ihm der Vorwurf unverständlich, wenn man umgekehrt von ihm Gerechtigkeit gegenüber der Mutter verlangt, weshalb er nicht müde wird darauf hinzuweisen, daß die Mutter ihm nicht sehr freundlich begegne. Ein altes Spiel der menschlichen Seele: selbst schwer die Aufmerksamkeit des Anderen zu vermissen, desto leichter sie aber dem anderen zu entziehen u. über Mißachtung zu klagen. Wer wie ich Wilhelm genau kennt weiß, daß es sich bei ihm im Grunde darum handelt, so rasch als wie möglich die Last abzuwerfen u. den status quo ante zu erlangen, in dem er sich mit 50 Kr. [illeg]monatlich von jeder weiteren Pflicht nicht nur einer Pflege, sondern auch des zeitweiligen Besuches losgekauft hat. War er doch von jeher gewohnt, sofern es seine eigene Existenz u. sein Fortkommen galt, unbedenklich die Hilfe fremder Personen in Anspruch zu nehmen, die eigene aber aus Unfähigkeit zu verweigern, wenn es galt dem anderen beizuspringen. Als Gymnasialschüler lebte er von der Unterstützung der Eltern, u. selbst der Anblick schwerster Plage des Vaters vermochte ihn nicht dahin zu bringen, etwa z. B. durch Stundengeben die Last des Vaters zu verringern (wie ich es getan habe!). Als Hochschüler erkaufte er sich den Aufenthalt u. das Studium in Wien mit einer Verlobung; u. als der Onkel auf eine raschere Beendigung des Studiums drang, wozu er in Anbetracht der Trägheit Wilhelms wirklich ein gutes Recht hatte, löste der Bruder die Verlobung auf u. ließ sich für den Rest des Studiums von der Frau Schematovitsch erhalten. Und nur der Umstand, daß die letztere alles bis auf den letzten Gegenstand zur Veräußerung brachte, u. auch wir selbst ihm den letzten Gegenstand (die Uhr der Schwester) zur Verpfändung übergaben, zwang ihn endlich, {897} den Unterhalt für sich zu erwerben zu lernen. Freilich machte er in dieser Epoche schwere Erfahrungen, die ja keinem erspart bleiben, der um seine Existenz ringt; er aber trug sie so schwer, daß er für andere Pflichten einfach nicht mehr zu haben war. Traten sie an ihn heran, so schüttelte er sie ab – aus Unfähigkeit u. dem angeborenen Instinkt zur Trägheit in einer Weise ab, die allezeit eine Gefahr für denjenigen bedeutet, der seine Hilfe in Anspruch zu nehmen gesonnen war. So z. B. bestand er darauf, daß Mosio ohneweiters ins Holzhandlungshaus Eisler gebracht werde, damit er sofort erwerben kann. Und waren es auch nur 10 Kronen, die er dazumal monatlich erhielt u. die ja zu seiner Existenz nicht wesentlich beitragen konnten, so bestand W. gleichwohl darauf, daß M. dort verbleibe. Ich selbst war es, der die Unfruchtbarkeit eines solchen Anfanges einsah, ihn aus dem Hause Eisler wegnahm, ihn durch die Vermittlung von Zeitungsmenschen in die Handelsakademie brachte u. von dort in die Bank, auch wieder durch Vermittlung des Direktors.

Aehnlich hatte Wilhelm für die Schwester in ihrer Not nur einen Weg: sie an den Kaufmann Zeilinger in Kautzen zu verheiraten, der damals schon weit über 50 Jahre alt war u. mehrere Kinder hatte, von denen die ältesten mit der Schwester gleichaltrig waren. Es war dazumal der Gedanke schwer abzuweisen, daß Wilhelm sogar auf eine kleine Provision rechne!

Endlich vergieng sich W. auch an seinen Adoptivsohn, der aus eigener Vorliebe den Maschinen-Schlosserstand erstrebte, über Zwang des Bruders aber Fleischhauer werden mußte u. zw. nur deshalb, weil diese Lösung wiederum die geringste Schwierigkeit für ihn selbst bedeutete.

Naturgemäß drängt es ihn also auch im Falle der Mutter, sich selbst die Sache so leicht als wie möglich zu machen u. Tag u. Nacht sinnt er auf Mittel, um das Ziel auf Kosten der Mutter und unser beider zu erreichen. Alles dieses empfindet die Mutter sehr genau u. weiß es mit den früheren Erfahrungen zu reimen; kommt dazu noch eine rüde Behandlung u. so manche andere Taktlosigkeit, so ergibt sich die Schuld des Bruders als das Primäre von selbst. Einen leisen Schimmer vom wahren {898} Sachverhalt hat ja übrigens seine eigene Frau, die ihn daher, so viel sie kann, an die Pflicht immer wieder erinnert. Ob das aber genügen wird ist fraglich, denn des Bruders Starrsinn kommt aus der Unfähigkeit, mit der naturgemäß Mangel an wirklicher Güte u. an Gemüt verbunden ist. Und wenn er selbst Einwendungen gegen den Starrsinn der Mutter erhebt, die schon vermöge ihres Alters mehr Anspruch auf Entschuldigung hat, so läßt er gegenüber dem eigenen Starrsinn keine Argumente aufkommen.

Lie-Liechen entfaltet wieder eine unsagbar tapfere u. durchleuchtete Hingabe, aber mindestens für den Augenblick schien alles wirkungslos. – Wir verblieben viel im Zimmer, was uns beiden, die nicht an so stark geheizte Zimmer gewohnt sind, Kopfschmerzen verursacht hat. Ins Freie kamen wir nur höchstens für eine Viertelstunde, u. da wir viel zu essen bekamen, so litten wir je länger desto mehr. Ich selbst gab mir Mühe, der Mutter den Aufenthalt in K., trotz dem Verhalten des Bruderss, als den besten Ausweg zu erklären. Indessen hängt es nicht von ihr ab, ob meine Erklärungen sich nützlich erweisen. – Auch diesmal ließ der Bruder uns gegenüber an Aufmerksamkeit zu wünschen übrig, die er nach seinem eigenen Geständnis in so reichem Maße bis zur Stunde an fremde Menschen vergibt. Weder für Lie-Liechen ein Geschenk u. nicht einmal ein Stückchen Butter aus dem großen Vorrat, das sie versprochen hatten.

Die Heimreise gestaltete sich in Anbetracht der vielen Mitreisenden sehr beschwerlich u. wir waren beide körperlich u. geistig stark hergenommen, als wir um ½9h abends endlich beim Abendessen in Wien landeten. Wir erhielten nur einen Auftrag: für die Mutter Mineralwasser zu beschaffen, womit wir dem Bruder nicht nur die Mühe abgenommen, sondern auch eine Geldauslage erspart haben, zu der unter allen Umständen nur er allein verpflichtet war!

*

© Transcription Marko Deisinger.

April 4–5, 1915.

Trip to Kautzen in very fine weather. We find Mama already in better shape, outwardly well dressed and well fed, etc. Yet there reigns dissatisfaction on both sides; only Dodi keeps herself in the middle, between mother and son. Above all, the son himself bears responsibility for this; however, he continues to behave with respect to Mother, he nonetheless wants to experience the same recognition as her other [son], who pays more attention to her. Moreover, he himself knows that he does not actually behave tenderly towards Mother – but all that, he says, should not prevent Mother from giving him his due. By contrast, he does not understand the criticism when, conversely, he is required to give Mother what is due to her, for which reason he does not tire of pointing out that Mother does not behave towards him in a very friendly way. An old play of the human soul: as difficult as it is to do without the kindness of another, it is all the easier to withdraw one's own kindness from the other and complain about being disregarded. Anyone who knows Wilhelm as well as I realizes that, for him, it is basically a question of ridding himself of the burden as quickly as possible and arriving at the earlier status quo in which, with the sum of 50 Kronen per month, he has paid off all further duties, not only of care but even of occasional visits. But he had always been accustomed, so far as it concerned his own existence and his development, to accept unhesitatingly the help of strangers but to withhold his own, out of incapacity, when he ought to have sprung to their aid. As a grammar-school pupil he lived by the support of his parents, and even the sight of Father's most serious plight was insufficient to motivate him to make a contribution, for instance, by giving lessons to reduce the burdens placed upon Father (as I did!). As a college student, he paid for his stay and studies in Vienna by getting engaged; and when our uncle threatened a quick end to his studies – for which he had a good right, in consideration of Wilhelm's laziness – my brother broke off the engagement and was supported by Mrs. Schematovitsch for the remainder of his studies. And only the fact that she put everything at his disposal, right up to her last possession, and that we ourselves pawned our last possession (our sister's clock), compelled him finally {897} to learn to make a living for himself. Admittedly, he had difficult experiences during this period, which in fact nobody is spared who struggles for his existence; but he bore them with such difficulty that he was simply no longer available for other duties. If they came near, he shrugged them off – out of inability and the innate instinct towards laziness – in such a way that signaled a danger to anyone who thought of enlisting his help. Thus, for example, he insisted that without further ado Mosio be brought to Eißler's lumber company so that he could immediately earn a living. And even if it was only 10 Kronen per month which he [Mosio] received at that time, and which could not contribute much to his existence, Wilhelm nevertheless insisted that Mosio stay there. It was I myself that perceived the unfruitfulness of such a start, removed him from Eißler's house, brought him to the business school with the mediation of newspaper men, and from there to the bank, even again with the mediation of the director.

Similarly, Wilhelm had only one path for our sister in her difficulties: to marry her to the Kautzen merchant Zeilinger, who at the time was already well past the age of fifty and had several children, the eldest of which were the same age as our sister. At the time, it was difficult to deny that Wilhelm was even counting on a small provision for himself!

In the end, Wilhelm committed an offence against his adoptive son, whose own ambition was to become a machine fitter but who, under coercion from my brother, had to become a butcher – and only because this solution again involved the least difficulty for himself.

Naturally, he is prompted to make matters as easy as possible for himself even in the case of our mother, and day and night he thinks of ways of reaching this goal at the expense of Mother and the two of us. Mother senses all of this all too well and is able to connect it to her earlier experiences. If there is in addition a roughness of behavior and many other forms of tactlessness, then my brother's guilt emerges as the primary element. Incidentally, his own wife certainly has a faint idea of the true state of the matter, {898} and so she constantly reminds him of his obligation, as best as she can. Whether, however, that will suffice is questionable, since my brother's stubbornness comes from inability, with which a natural lack of true goodness and courage is connected. And when he himself raises objections to the stubbornness of our mother, who has a better claim to being excused on account of her age, then he does not raise any arguments with respect to his own stubbornness.

Lie-Liechen again develops an unspeakably bold and thoroughly clear dedication, but at least for the moment everything seemed to be ineffective. – We remained often indoors, something which gave us both headaches, being unaccustomed to such intensely heated rooms. We got out of doors only for a quarter of an hour at most; and as we received much to eat, the longer we suffered the worse it became. I myself took the trouble to explain to Mother that staying in Kautzen was her best option, in spite of my brother's behavior. Nonetheless it is not for her to consider whether my explanations will prove useful. – Even this time my brother left much to be desired, with respect to us, in terms of kindness, which according to his own admission he confers so richly upon strangers. Neither a present for Lie-Liechen, and not even a small piece of butter from their great supply, which they had promised.

The trip home turned out to be very tiring, in consideration of the great number of fellow travelers; and the two of us were physically and mentally drained when we finally arrived in Vienna for supper at 8:30. We were given only one assignment: to get mineral water for mother, by which we spare my brother not only the trouble but also the cost, for which he alone was in any event obliged!

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© Translation William Drabkin.

4.–5. IV. 15

Reise nach Kautzen bei schönstem Wetter. Wir treffen die Mama schon in besserem Zustand, äußerlich gut nett gekleidet u. gut genährt, u. s. w. Dennoch herrscht Unzufriedenheit auf beiden Seiten; einzig die Dodi hält sich gleichsam in der Mitte zwischen Mutter u. Sohn. Die Schuld trägt vor allem der Sohn selbst ., der, wie immer er sich der Mutter gegenüber verhält, dennoch von ihr die gleiche Anerkennung erfahren will, wie der andere, der ihr mehr Aufmerksamkeit bietet. Obendrein weiß er selbst, daß er nicht gerade zart mit der Mutter umgeht, – aber alles das, meint er, sollte die Mutter nicht abhalten, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dagegen bleibt ihm der Vorwurf unverständlich, wenn man umgekehrt von ihm Gerechtigkeit gegenüber der Mutter verlangt, weshalb er nicht müde wird darauf hinzuweisen, daß die Mutter ihm nicht sehr freundlich begegne. Ein altes Spiel der menschlichen Seele: selbst schwer die Aufmerksamkeit des Anderen zu vermissen, desto leichter sie aber dem anderen zu entziehen u. über Mißachtung zu klagen. Wer wie ich Wilhelm genau kennt weiß, daß es sich bei ihm im Grunde darum handelt, so rasch als wie möglich die Last abzuwerfen u. den status quo ante zu erlangen, in dem er sich mit 50 Kr. [illeg]monatlich von jeder weiteren Pflicht nicht nur einer Pflege, sondern auch des zeitweiligen Besuches losgekauft hat. War er doch von jeher gewohnt, sofern es seine eigene Existenz u. sein Fortkommen galt, unbedenklich die Hilfe fremder Personen in Anspruch zu nehmen, die eigene aber aus Unfähigkeit zu verweigern, wenn es galt dem anderen beizuspringen. Als Gymnasialschüler lebte er von der Unterstützung der Eltern, u. selbst der Anblick schwerster Plage des Vaters vermochte ihn nicht dahin zu bringen, etwa z. B. durch Stundengeben die Last des Vaters zu verringern (wie ich es getan habe!). Als Hochschüler erkaufte er sich den Aufenthalt u. das Studium in Wien mit einer Verlobung; u. als der Onkel auf eine raschere Beendigung des Studiums drang, wozu er in Anbetracht der Trägheit Wilhelms wirklich ein gutes Recht hatte, löste der Bruder die Verlobung auf u. ließ sich für den Rest des Studiums von der Frau Schematovitsch erhalten. Und nur der Umstand, daß die letztere alles bis auf den letzten Gegenstand zur Veräußerung brachte, u. auch wir selbst ihm den letzten Gegenstand (die Uhr der Schwester) zur Verpfändung übergaben, zwang ihn endlich, {897} den Unterhalt für sich zu erwerben zu lernen. Freilich machte er in dieser Epoche schwere Erfahrungen, die ja keinem erspart bleiben, der um seine Existenz ringt; er aber trug sie so schwer, daß er für andere Pflichten einfach nicht mehr zu haben war. Traten sie an ihn heran, so schüttelte er sie ab – aus Unfähigkeit u. dem angeborenen Instinkt zur Trägheit in einer Weise ab, die allezeit eine Gefahr für denjenigen bedeutet, der seine Hilfe in Anspruch zu nehmen gesonnen war. So z. B. bestand er darauf, daß Mosio ohneweiters ins Holzhandlungshaus Eisler gebracht werde, damit er sofort erwerben kann. Und waren es auch nur 10 Kronen, die er dazumal monatlich erhielt u. die ja zu seiner Existenz nicht wesentlich beitragen konnten, so bestand W. gleichwohl darauf, daß M. dort verbleibe. Ich selbst war es, der die Unfruchtbarkeit eines solchen Anfanges einsah, ihn aus dem Hause Eisler wegnahm, ihn durch die Vermittlung von Zeitungsmenschen in die Handelsakademie brachte u. von dort in die Bank, auch wieder durch Vermittlung des Direktors.

Aehnlich hatte Wilhelm für die Schwester in ihrer Not nur einen Weg: sie an den Kaufmann Zeilinger in Kautzen zu verheiraten, der damals schon weit über 50 Jahre alt war u. mehrere Kinder hatte, von denen die ältesten mit der Schwester gleichaltrig waren. Es war dazumal der Gedanke schwer abzuweisen, daß Wilhelm sogar auf eine kleine Provision rechne!

Endlich vergieng sich W. auch an seinen Adoptivsohn, der aus eigener Vorliebe den Maschinen-Schlosserstand erstrebte, über Zwang des Bruders aber Fleischhauer werden mußte u. zw. nur deshalb, weil diese Lösung wiederum die geringste Schwierigkeit für ihn selbst bedeutete.

Naturgemäß drängt es ihn also auch im Falle der Mutter, sich selbst die Sache so leicht als wie möglich zu machen u. Tag u. Nacht sinnt er auf Mittel, um das Ziel auf Kosten der Mutter und unser beider zu erreichen. Alles dieses empfindet die Mutter sehr genau u. weiß es mit den früheren Erfahrungen zu reimen; kommt dazu noch eine rüde Behandlung u. so manche andere Taktlosigkeit, so ergibt sich die Schuld des Bruders als das Primäre von selbst. Einen leisen Schimmer vom wahren {898} Sachverhalt hat ja übrigens seine eigene Frau, die ihn daher, so viel sie kann, an die Pflicht immer wieder erinnert. Ob das aber genügen wird ist fraglich, denn des Bruders Starrsinn kommt aus der Unfähigkeit, mit der naturgemäß Mangel an wirklicher Güte u. an Gemüt verbunden ist. Und wenn er selbst Einwendungen gegen den Starrsinn der Mutter erhebt, die schon vermöge ihres Alters mehr Anspruch auf Entschuldigung hat, so läßt er gegenüber dem eigenen Starrsinn keine Argumente aufkommen.

Lie-Liechen entfaltet wieder eine unsagbar tapfere u. durchleuchtete Hingabe, aber mindestens für den Augenblick schien alles wirkungslos. – Wir verblieben viel im Zimmer, was uns beiden, die nicht an so stark geheizte Zimmer gewohnt sind, Kopfschmerzen verursacht hat. Ins Freie kamen wir nur höchstens für eine Viertelstunde, u. da wir viel zu essen bekamen, so litten wir je länger desto mehr. Ich selbst gab mir Mühe, der Mutter den Aufenthalt in K., trotz dem Verhalten des Bruderss, als den besten Ausweg zu erklären. Indessen hängt es nicht von ihr ab, ob meine Erklärungen sich nützlich erweisen. – Auch diesmal ließ der Bruder uns gegenüber an Aufmerksamkeit zu wünschen übrig, die er nach seinem eigenen Geständnis in so reichem Maße bis zur Stunde an fremde Menschen vergibt. Weder für Lie-Liechen ein Geschenk u. nicht einmal ein Stückchen Butter aus dem großen Vorrat, das sie versprochen hatten.

Die Heimreise gestaltete sich in Anbetracht der vielen Mitreisenden sehr beschwerlich u. wir waren beide körperlich u. geistig stark hergenommen, als wir um ½9h abends endlich beim Abendessen in Wien landeten. Wir erhielten nur einen Auftrag: für die Mutter Mineralwasser zu beschaffen, womit wir dem Bruder nicht nur die Mühe abgenommen, sondern auch eine Geldauslage erspart haben, zu der unter allen Umständen nur er allein verpflichtet war!

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© Transcription Marko Deisinger.

April 4–5, 1915.

Trip to Kautzen in very fine weather. We find Mama already in better shape, outwardly well dressed and well fed, etc. Yet there reigns dissatisfaction on both sides; only Dodi keeps herself in the middle, between mother and son. Above all, the son himself bears responsibility for this; however, he continues to behave with respect to Mother, he nonetheless wants to experience the same recognition as her other [son], who pays more attention to her. Moreover, he himself knows that he does not actually behave tenderly towards Mother – but all that, he says, should not prevent Mother from giving him his due. By contrast, he does not understand the criticism when, conversely, he is required to give Mother what is due to her, for which reason he does not tire of pointing out that Mother does not behave towards him in a very friendly way. An old play of the human soul: as difficult as it is to do without the kindness of another, it is all the easier to withdraw one's own kindness from the other and complain about being disregarded. Anyone who knows Wilhelm as well as I realizes that, for him, it is basically a question of ridding himself of the burden as quickly as possible and arriving at the earlier status quo in which, with the sum of 50 Kronen per month, he has paid off all further duties, not only of care but even of occasional visits. But he had always been accustomed, so far as it concerned his own existence and his development, to accept unhesitatingly the help of strangers but to withhold his own, out of incapacity, when he ought to have sprung to their aid. As a grammar-school pupil he lived by the support of his parents, and even the sight of Father's most serious plight was insufficient to motivate him to make a contribution, for instance, by giving lessons to reduce the burdens placed upon Father (as I did!). As a college student, he paid for his stay and studies in Vienna by getting engaged; and when our uncle threatened a quick end to his studies – for which he had a good right, in consideration of Wilhelm's laziness – my brother broke off the engagement and was supported by Mrs. Schematovitsch for the remainder of his studies. And only the fact that she put everything at his disposal, right up to her last possession, and that we ourselves pawned our last possession (our sister's clock), compelled him finally {897} to learn to make a living for himself. Admittedly, he had difficult experiences during this period, which in fact nobody is spared who struggles for his existence; but he bore them with such difficulty that he was simply no longer available for other duties. If they came near, he shrugged them off – out of inability and the innate instinct towards laziness – in such a way that signaled a danger to anyone who thought of enlisting his help. Thus, for example, he insisted that without further ado Mosio be brought to Eißler's lumber company so that he could immediately earn a living. And even if it was only 10 Kronen per month which he [Mosio] received at that time, and which could not contribute much to his existence, Wilhelm nevertheless insisted that Mosio stay there. It was I myself that perceived the unfruitfulness of such a start, removed him from Eißler's house, brought him to the business school with the mediation of newspaper men, and from there to the bank, even again with the mediation of the director.

Similarly, Wilhelm had only one path for our sister in her difficulties: to marry her to the Kautzen merchant Zeilinger, who at the time was already well past the age of fifty and had several children, the eldest of which were the same age as our sister. At the time, it was difficult to deny that Wilhelm was even counting on a small provision for himself!

In the end, Wilhelm committed an offence against his adoptive son, whose own ambition was to become a machine fitter but who, under coercion from my brother, had to become a butcher – and only because this solution again involved the least difficulty for himself.

Naturally, he is prompted to make matters as easy as possible for himself even in the case of our mother, and day and night he thinks of ways of reaching this goal at the expense of Mother and the two of us. Mother senses all of this all too well and is able to connect it to her earlier experiences. If there is in addition a roughness of behavior and many other forms of tactlessness, then my brother's guilt emerges as the primary element. Incidentally, his own wife certainly has a faint idea of the true state of the matter, {898} and so she constantly reminds him of his obligation, as best as she can. Whether, however, that will suffice is questionable, since my brother's stubbornness comes from inability, with which a natural lack of true goodness and courage is connected. And when he himself raises objections to the stubbornness of our mother, who has a better claim to being excused on account of her age, then he does not raise any arguments with respect to his own stubbornness.

Lie-Liechen again develops an unspeakably bold and thoroughly clear dedication, but at least for the moment everything seemed to be ineffective. – We remained often indoors, something which gave us both headaches, being unaccustomed to such intensely heated rooms. We got out of doors only for a quarter of an hour at most; and as we received much to eat, the longer we suffered the worse it became. I myself took the trouble to explain to Mother that staying in Kautzen was her best option, in spite of my brother's behavior. Nonetheless it is not for her to consider whether my explanations will prove useful. – Even this time my brother left much to be desired, with respect to us, in terms of kindness, which according to his own admission he confers so richly upon strangers. Neither a present for Lie-Liechen, and not even a small piece of butter from their great supply, which they had promised.

The trip home turned out to be very tiring, in consideration of the great number of fellow travelers; and the two of us were physically and mentally drained when we finally arrived in Vienna for supper at 8:30. We were given only one assignment: to get mineral water for mother, by which we spare my brother not only the trouble but also the cost, for which he alone was in any event obliged!

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© Translation William Drabkin.