17. XI. 14
Schon früh versetzt mich die Enzyklika des Papstes in heftige Aufregung; 1 sie enthält nichts als Worte, deren Fassung seit Jahrtausenden feststeht, deren Inhalt aber selbst dem heiligen Vater nicht bekannt ist. Er spricht wieder von Nächstenliebe, von der Autorität, vom guten Alten, – aber nicht anders, als ein krasser Ignorant in Geschichte u. Erziehung. Er spricht gegen den Modernismus, gegen den Materialismus – aber nicht anders, als ein hergelaufener Katechet an einer Volksschule. Es fragt sich, ob nicht eine mächtige Gestalt, eine Art Luther auf dem päpstlichen Trohn Thron – wenn das nicht von Haus aus eine contradictio contradictio in adje kcto ist – gerade unsere schwere Zeit für günstig fände, um die Welt über ihre Schandtaten u. ihr Schandleben aufzuklären. Was ließe sich nicht alles sagen wider die Geldwirtschaft der angelsächsischen Rasse in Amerika u. England; wie leicht begreiflich machen, daß diese Rassen nur deshalb ihr ganzes Augenmerk auf Surrogate gerichtet haben, weil ihnen jede andere Kultur, selbsterworbene oder erarbeitete, fehlt, die andere Perspektiven ins Seelische eröffnet hätte! Die zusammengewürfelten Einwanderer in Amerika, die sich nicht im Zeichen irgend einer Kultur einigen konnten, was sollten sie anderes treiben, als Geld erwerben? Wie leicht ließe sich erklären, daß die Anbetung des goldenen Kalbs in Europa zu einer schrecklichen Infektion geworden, zu einer umso überflüssigeren Krankheit, als wir hier aus alter u. ältester Zeit Güter besitzen, die viel wertvoller sind als Geld! Wie leicht könnte man nachweisen, daß der Sclavendienst vor Geld eine Katastrophe über die Frauen herbeiführte, denen man die idealen Werte ausgeliefert, ohne {771} sie aber hiefür genügend vorzubereiten oder zu fördern; daß also aller Gelderwerb müßig geradezu ins Leere fällt, da er schließlich sein Ventil in Entfaltung von Aeußerlichkeiten sucht, die höchsten Wilden zur Ehre gereichen könnten. Die Borniertheit eines Amerikaners geht ja schließlich so weit, daß es wahrhaftig keinen Unterschied ausmachen würde, ob er seine Frau oder ein beliebiges Stück Holz oder Stein, Tisch oder Sessel mit Schmuck oder Zierrat überhäuft – das aufgehäufte Geld sucht eben einen Ausweg. Ist aber ein Ausweg so unfruchtbar beschaffen, u. läppisch beschaffen, wozu dann eine Lebensführung, die zu solchen Resultaten führt? Viel wäre zu sagen über die Untüchtigkeit der romanischen Rassen, über ihren Hang zum Schein; ferner auch darüber, daß nur Vertiefung in schon längst gepredigte Wahrheiten der Menschheit Nutzen bringen kann, nicht aber Abwechslung an Stoff. Und endlich müßte der große Bannfluch über den Kaufmannsstand ausgesprochen werden, der die ganze Erdkugel mit seinem Gestank erfüllt. Alles dieses u. noch mehr ließe sich in heftigsten, leidenschaftlichsten Worten sagen, obendrein so, daß dem Papst selbst nur Vorteile daraus [illeg]erwachsen müßten. Aber siehe – ein Schuljunge, ein blöder Affe produziert journalistisches Gewäsch!! *Stallknecht = Geldknecht, d. h. der Beruf färbt ab, u. sagt man vom Stallknecht, daß er nach dem Stalle rieche, in Kleidung u. Körper, daß darnach seine Gesichtszüge sich formen, u. dgl. m., so kann man dasselbe auch von den Reichen sagen, die nichts als Geldknechte sind. In Entfernung u. auch in der Nähe riechen sie nach ihrer Beschäftigung mit dem Gelde, ihre Gesichtszüge u. Haltung verraten die Knechtschaft auf Schritt u. Tritt! *Kriegsanleihe mit 1000 Kr. gezeichnet. — Anfrage an den Hausadministrator; Antwort an Baronin Bach; Brief an Dr. Steinitz; Karte an Arthur. *[in HS's hand:] Offenbar sind die heutigen Italiener von den einstigen Römern etwas Grundverschiedenes, wie die heutigen Griechen von den alten. Fällt es doch vor allem auf, daß weder das heutige Italien noch Griechenland in ihren geistigen Leistungen eine ähnliche Durchbildung u. Präzision aufweisen wie einst Rom u. Athen. *{772} © Transcription Marko Deisinger. |
November 17, 1914.
Even early in the day, the Pope's encyclical upsets me greatly; 1 it consists of nothing but words whose formulation has stood fixed for thousands of years, but whose content itself is unknown to the holy Father. He speaks again of loving one's neighbor, of authority, of that which was old and good – but differently from an unrefined person, ignorant in history and education. He speaks out against modernity, against materialism – but no differently from an ordinary catechist in an elementary school. One wonders whether a mighty figure, a sort of Luther on the papal throne (if that is not at the outset a contradiction in terms), would find precisely this difficult moment as suitable for explaining to the world its infamous deeds and infamous way of life. Think of all the things that could be said against the money economy of the Anglo-Saxon race in America and England; how easy it would be to convey that these races have turned their entire attention to surrogates only because all other culture is lacking, whether indigenous or acquired, which would have opened other perspectives to the psyche! What should the American immigrants, who have been thrown together and are unable to unify themselves under a sign of one culture or another, pursue – apart from making money? How easily it can be explained that the worship of the Golden Calf in Europe has led to a terrible infection, to an all-the-more unnecessary disease since we are in possession of a thing from olden and ancient times, which are much more valuable than money! How easily could one demonstrate that the slavish devotion to money precipitated a catastrophe for women, to whom the ideal values were delivered, {771} but without preparing or encouraging them sufficiently for these. Thus all acquisition of money pointlessly amounts to nothing, since it ultimately seeks its outlet in the development of appearances, which could bring honor to those who behave in the most outrageous way. The narrow-mindedness of an American ultimately goes so far that it would truly make no difference whether he piled jewelry or decoration onto his wife or any old piece of wood or stone, table or chair – the money that has been piled up must find an outlet. But if an outlet is so barrenly and foolishly constituted, what then is the purpose of a lifestyle that leads to such results? Much could be said about the incompetence of the Romanic races, about their devotion to appearance; also about the fact that only a deepening in truths that have been preached for a long time can bring usefulness to humanity – not, however, a change of material. And finally one would have to call out for the great excommunication of the merchant class, which fills the entire globe with its stench. All this and still more may be said in the strongest, most passionate language, moreover in such a way that only advantages would have to accrue from this to the Pope himself. But lo: a schoolboy, a stupid ape produces journalistic drivel!! *Stable servant = money servant, that is, the profession rubs off on the person. And if one says of the stableman that he smells of the stable, in his clothing and on his body, that his facial characteristics are formed accordingly, and so on, then one can say the same thing about rich people, who are nothing but slaves to money. At a distance, and also at close range, they smell in accordance with their preoccupation with money; their facial features and comportment betray their servitude at every turn! *1000-Krone war bond subscribed. — Question to the administrator of the apartment house; reply to Baroness Bach; letter to Dr. Steinitz; postcard to Arthur. *[in HS's hand:] Evidently the Italians of today are a basically different people compared to the ancient Romans, as the Greeks are different from those of old. It is striking above all that neither today's Italy or Greece gives evidence in their intellectual accomplishments an education and precision similar to that found in the Rome and Athens in olden times. *{772} © Translation William Drabkin. |
17. XI. 14
Schon früh versetzt mich die Enzyklika des Papstes in heftige Aufregung; 1 sie enthält nichts als Worte, deren Fassung seit Jahrtausenden feststeht, deren Inhalt aber selbst dem heiligen Vater nicht bekannt ist. Er spricht wieder von Nächstenliebe, von der Autorität, vom guten Alten, – aber nicht anders, als ein krasser Ignorant in Geschichte u. Erziehung. Er spricht gegen den Modernismus, gegen den Materialismus – aber nicht anders, als ein hergelaufener Katechet an einer Volksschule. Es fragt sich, ob nicht eine mächtige Gestalt, eine Art Luther auf dem päpstlichen Trohn Thron – wenn das nicht von Haus aus eine contradictio contradictio in adje kcto ist – gerade unsere schwere Zeit für günstig fände, um die Welt über ihre Schandtaten u. ihr Schandleben aufzuklären. Was ließe sich nicht alles sagen wider die Geldwirtschaft der angelsächsischen Rasse in Amerika u. England; wie leicht begreiflich machen, daß diese Rassen nur deshalb ihr ganzes Augenmerk auf Surrogate gerichtet haben, weil ihnen jede andere Kultur, selbsterworbene oder erarbeitete, fehlt, die andere Perspektiven ins Seelische eröffnet hätte! Die zusammengewürfelten Einwanderer in Amerika, die sich nicht im Zeichen irgend einer Kultur einigen konnten, was sollten sie anderes treiben, als Geld erwerben? Wie leicht ließe sich erklären, daß die Anbetung des goldenen Kalbs in Europa zu einer schrecklichen Infektion geworden, zu einer umso überflüssigeren Krankheit, als wir hier aus alter u. ältester Zeit Güter besitzen, die viel wertvoller sind als Geld! Wie leicht könnte man nachweisen, daß der Sclavendienst vor Geld eine Katastrophe über die Frauen herbeiführte, denen man die idealen Werte ausgeliefert, ohne {771} sie aber hiefür genügend vorzubereiten oder zu fördern; daß also aller Gelderwerb müßig geradezu ins Leere fällt, da er schließlich sein Ventil in Entfaltung von Aeußerlichkeiten sucht, die höchsten Wilden zur Ehre gereichen könnten. Die Borniertheit eines Amerikaners geht ja schließlich so weit, daß es wahrhaftig keinen Unterschied ausmachen würde, ob er seine Frau oder ein beliebiges Stück Holz oder Stein, Tisch oder Sessel mit Schmuck oder Zierrat überhäuft – das aufgehäufte Geld sucht eben einen Ausweg. Ist aber ein Ausweg so unfruchtbar beschaffen, u. läppisch beschaffen, wozu dann eine Lebensführung, die zu solchen Resultaten führt? Viel wäre zu sagen über die Untüchtigkeit der romanischen Rassen, über ihren Hang zum Schein; ferner auch darüber, daß nur Vertiefung in schon längst gepredigte Wahrheiten der Menschheit Nutzen bringen kann, nicht aber Abwechslung an Stoff. Und endlich müßte der große Bannfluch über den Kaufmannsstand ausgesprochen werden, der die ganze Erdkugel mit seinem Gestank erfüllt. Alles dieses u. noch mehr ließe sich in heftigsten, leidenschaftlichsten Worten sagen, obendrein so, daß dem Papst selbst nur Vorteile daraus [illeg]erwachsen müßten. Aber siehe – ein Schuljunge, ein blöder Affe produziert journalistisches Gewäsch!! *Stallknecht = Geldknecht, d. h. der Beruf färbt ab, u. sagt man vom Stallknecht, daß er nach dem Stalle rieche, in Kleidung u. Körper, daß darnach seine Gesichtszüge sich formen, u. dgl. m., so kann man dasselbe auch von den Reichen sagen, die nichts als Geldknechte sind. In Entfernung u. auch in der Nähe riechen sie nach ihrer Beschäftigung mit dem Gelde, ihre Gesichtszüge u. Haltung verraten die Knechtschaft auf Schritt u. Tritt! *Kriegsanleihe mit 1000 Kr. gezeichnet. — Anfrage an den Hausadministrator; Antwort an Baronin Bach; Brief an Dr. Steinitz; Karte an Arthur. *[in HS's hand:] Offenbar sind die heutigen Italiener von den einstigen Römern etwas Grundverschiedenes, wie die heutigen Griechen von den alten. Fällt es doch vor allem auf, daß weder das heutige Italien noch Griechenland in ihren geistigen Leistungen eine ähnliche Durchbildung u. Präzision aufweisen wie einst Rom u. Athen. *{772} © Transcription Marko Deisinger. |
November 17, 1914.
Even early in the day, the Pope's encyclical upsets me greatly; 1 it consists of nothing but words whose formulation has stood fixed for thousands of years, but whose content itself is unknown to the holy Father. He speaks again of loving one's neighbor, of authority, of that which was old and good – but differently from an unrefined person, ignorant in history and education. He speaks out against modernity, against materialism – but no differently from an ordinary catechist in an elementary school. One wonders whether a mighty figure, a sort of Luther on the papal throne (if that is not at the outset a contradiction in terms), would find precisely this difficult moment as suitable for explaining to the world its infamous deeds and infamous way of life. Think of all the things that could be said against the money economy of the Anglo-Saxon race in America and England; how easy it would be to convey that these races have turned their entire attention to surrogates only because all other culture is lacking, whether indigenous or acquired, which would have opened other perspectives to the psyche! What should the American immigrants, who have been thrown together and are unable to unify themselves under a sign of one culture or another, pursue – apart from making money? How easily it can be explained that the worship of the Golden Calf in Europe has led to a terrible infection, to an all-the-more unnecessary disease since we are in possession of a thing from olden and ancient times, which are much more valuable than money! How easily could one demonstrate that the slavish devotion to money precipitated a catastrophe for women, to whom the ideal values were delivered, {771} but without preparing or encouraging them sufficiently for these. Thus all acquisition of money pointlessly amounts to nothing, since it ultimately seeks its outlet in the development of appearances, which could bring honor to those who behave in the most outrageous way. The narrow-mindedness of an American ultimately goes so far that it would truly make no difference whether he piled jewelry or decoration onto his wife or any old piece of wood or stone, table or chair – the money that has been piled up must find an outlet. But if an outlet is so barrenly and foolishly constituted, what then is the purpose of a lifestyle that leads to such results? Much could be said about the incompetence of the Romanic races, about their devotion to appearance; also about the fact that only a deepening in truths that have been preached for a long time can bring usefulness to humanity – not, however, a change of material. And finally one would have to call out for the great excommunication of the merchant class, which fills the entire globe with its stench. All this and still more may be said in the strongest, most passionate language, moreover in such a way that only advantages would have to accrue from this to the Pope himself. But lo: a schoolboy, a stupid ape produces journalistic drivel!! *Stable servant = money servant, that is, the profession rubs off on the person. And if one says of the stableman that he smells of the stable, in his clothing and on his body, that his facial characteristics are formed accordingly, and so on, then one can say the same thing about rich people, who are nothing but slaves to money. At a distance, and also at close range, they smell in accordance with their preoccupation with money; their facial features and comportment betray their servitude at every turn! *1000-Krone war bond subscribed. — Question to the administrator of the apartment house; reply to Baroness Bach; letter to Dr. Steinitz; postcard to Arthur. *[in HS's hand:] Evidently the Italians of today are a basically different people compared to the ancient Romans, as the Greeks are different from those of old. It is striking above all that neither today's Italy or Greece gives evidence in their intellectual accomplishments an education and precision similar to that found in the Rome and Athens in olden times. *{772} © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Eine Friedensenzyklika des Papstes. Frieden für die Völker, Frieden für die Kirche. Ein Lob für die Kirchenpolitik Pius' X," Neue Freie Presse, No. 18044, November 17, 1914, morning edition, pp. 8–9. |