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24. VII. 14

Briefe von Floriz mit Fotografie u. Synkopenfrage; von Frau Deutsch mit Berrsche; 1 von Hupka u. von Steinitz: Rekurs-Entscheidung. – Längerer Brief an Steinitz mit Gedanken zur eventuellen Revision. Anschließend noch eine Karte.

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Die „N. Fr. Pr.14. VII. 14 bringt einen Aufsatz von Fulda: „Kunst u. Moral in Amerika“. 2 Es fällt auf, daß Fulda bei Beurteilung des Verhältnisses des Puritanismus zur Tendenz des Dramas einen sehr naheliegenden, die ganze Frage aber von Grund auf entscheidenden Vorwurf den Amerikanern nicht erspart. Es ist zwar richtig, was er sagt ,: „Die Moral will kein Bild mit natürlichem Licht u. Schatten; sie will ein Vorbild. Sie wünscht das Leben nicht abgespielt zu sehen, wie es ist, sondern wie es sein soll. Sie verlangt nicht Wahrheit, sondern Lehre.“ Aber F. hätte weniger das Puritanertum, als das Krämertum in Amerika dafür verantwortlich machen sollen, daß vom Drama nicht trotzdem die Lehre der Moral abgezogen wird. Was hindert denn den Amerikaner – wenn es nicht eben die Indolenz des Krämers ist, die nur zu Geschäftchen, wie sie Milliarden betreiben, befähigt – vom Drama die Lehre abzuziehen, die er braucht? Aber das scheint Fulda eben nicht zu verstehen, wie der Krämer nur Eines haben will: auf genau so kurzem Wege, als er Geld macht, auch eine Geisteserwerbung zu machen. Es soll geradezu in einer telegraphischen Formel ihm eine Lehre verkauft werden, die er um den Preis eines Sitzes einkauft. Daher meine ich: In Amerika wird es niemals Kunst geben, u. wenn eine, so nur aus demselben dem selben Grunde, weil auch die Wildesten künstlerische Regungen haben, u. Millionen von Menschen, zumal in Generationenfolge, ein oder das andermal zu irgendwelchen künstlerischen {623} Hervorbringungen allezeit neigen.

*

„Die neue Generation. , Bemerkungen zur Zeitgeschichte.“ (Von Er[n]st Seiffert, Berlin. Frankf. 19. VII. 14). 3 Der Schriftsteller stellt seine Bemerkungen auf die Umwälzungen, die besonders die technischen Wissenschaften in der Gegenwart hervorgerufen haben. Um die Zeit, da er diesen Ausgangspunkt fixiert, muß er offenbar bei sich gewußt haben, daß nur die Wissenschaft es war, u. nicht etwa leeres Sportgelüste, die diese Umwälzung hervorgerufen hat; und doch widerspricht er der richtigen Grundanschauung in der Folge, da er gerade sich anschickt, die Pointe zu formen: „Als die Liebe zur Natur u. die niemals sich versagende gewaltige Sprache der Natur das vom Dogma angelernte u. geleitete Gefühl Fühlen in den nachdenklichsten Fragen des Daseins bezwang, da war auch dem Menschen das Verständnis für u. die Sehnsucht zu dem natürlichen Zustand wieder erwacht, er begriff die fundamentale Notwendigkeit immer währenden ehrlichen Kampfes u. erfand eine Form, die diesem Rechnung trug; eine Passion, deren Hauptaufgabe ist, den Menschen zum Kämpfer zu bilden: den Sport.“

Dieser Ueberschätzung des Sportes kann man, wie nun klar zutage tritt, nicht genug entgegentreten, da man sich einer solchen Ueberschätzung des Sportes sogar dann schuldig macht, wenn man um ihretwillen einen Widerspruch begeht. Im Kampfe des Menschen um die Bezwingung der Natur u. vor allem der Menschen selbst wird der Sport niemals eine Rolle spielen, ebensowenig als wie er je eine gespielt hat. Ich möchte variirend [sic] sagen: Eine Passion, deren Hauptaufgabe ist, den Menschen zum Spieler zu bilden.

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© Transcription Marko Deisinger.

July 24, 1914.

Letters from Floriz with a photograph and a question about syncopation; from Mrs. Deutsch (with Berrsche); 1 from Hupka; and from Steinitz: decision concerning appeal. – Lengthy letter to Steinitz with thoughts about possible revision. After this, one more postcard.

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The Neue freie Presse of July 14, 1914 prints an article by Fulda: "Art and Morality in America." 2 It is striking that Fulda, in assessing the relationship of Puritanism to the direction taken by theater, does not spare the Americans a criticism that is very obvious, but one that is fundamentally decisive for the entire matter. What he says is indeed true: "Morality does not want to be portrayed in terms of natural light and shade; it wants a model. It does not want to see life played out as it is, but as it ought to be. It demands not truth, but teaching." But Fulda should have made Puritanism in America less responsible for this than commercialism, in order that the teaching of morality could not in spite of this be derived from the theater. For what prevents the American – if it is not a businessman's laziness, which makes him fit only for deals that millions engage in – from drawing from theater the lessons that he needs? But that is the very thing that Fulda seems unable to understand, how a businessman can want to have only one thing: to create a spiritual product by following so short a path as the one along which he makes money. He expects to be sold an education in telegraphic form for the price he pays for a business. For this reason I say: there will never be art in America; and if there is to be one, then only on account the same reason, since even the most unruly people have artistic impulses and millions of people, all the more in successive generations, will sooner or later always be inclined to produce some sort of {623} artistic products.

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"The New Generation: Observations on Contemporary History" (by Ernst Seiffert, Berlin, Frankfurter Zeitung , July 19, 1914). 3 The writer bases his observations on the upheavals that have been brought about in particular by the technological sciences in the present time. Around the time when he fixes this point of departure, he must have evidently realized that it was only science, and not some empty passion for sport, that brought about this upheaval; and yet he contradicts his fundamental view, which is correct, at the moment that he proceeds to form the crux of his argument: "When the love of nature and the never-denying, mighty language of nature vanquished the feeling in the most contemplative questions of being, which had been learned and led by the dogma, the understanding of and yearning for the natural state was reawakened in man; he understood the fundamental necessity of unceasing honest combat, and invented a form that corresponded to this honest struggle and invented a form that took account of this, a passion whose principal objective is to make a person into a fighter: sport."

One cannot go too far in being opposed to this over-valuing of sport, as has become plainly obvious; for one would then be guilty of such an over-valuing even if one were to criticize it. In man's struggle to conquer nature and, above all, his fellow men, sport will never play a role, as little as it has ever played one. I would say, by way of variation: a passion whose principal objective is to make a person into someone who plays.

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© Translation William Drabkin.

24. VII. 14

Briefe von Floriz mit Fotografie u. Synkopenfrage; von Frau Deutsch mit Berrsche; 1 von Hupka u. von Steinitz: Rekurs-Entscheidung. – Längerer Brief an Steinitz mit Gedanken zur eventuellen Revision. Anschließend noch eine Karte.

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Die „N. Fr. Pr.14. VII. 14 bringt einen Aufsatz von Fulda: „Kunst u. Moral in Amerika“. 2 Es fällt auf, daß Fulda bei Beurteilung des Verhältnisses des Puritanismus zur Tendenz des Dramas einen sehr naheliegenden, die ganze Frage aber von Grund auf entscheidenden Vorwurf den Amerikanern nicht erspart. Es ist zwar richtig, was er sagt ,: „Die Moral will kein Bild mit natürlichem Licht u. Schatten; sie will ein Vorbild. Sie wünscht das Leben nicht abgespielt zu sehen, wie es ist, sondern wie es sein soll. Sie verlangt nicht Wahrheit, sondern Lehre.“ Aber F. hätte weniger das Puritanertum, als das Krämertum in Amerika dafür verantwortlich machen sollen, daß vom Drama nicht trotzdem die Lehre der Moral abgezogen wird. Was hindert denn den Amerikaner – wenn es nicht eben die Indolenz des Krämers ist, die nur zu Geschäftchen, wie sie Milliarden betreiben, befähigt – vom Drama die Lehre abzuziehen, die er braucht? Aber das scheint Fulda eben nicht zu verstehen, wie der Krämer nur Eines haben will: auf genau so kurzem Wege, als er Geld macht, auch eine Geisteserwerbung zu machen. Es soll geradezu in einer telegraphischen Formel ihm eine Lehre verkauft werden, die er um den Preis eines Sitzes einkauft. Daher meine ich: In Amerika wird es niemals Kunst geben, u. wenn eine, so nur aus demselben dem selben Grunde, weil auch die Wildesten künstlerische Regungen haben, u. Millionen von Menschen, zumal in Generationenfolge, ein oder das andermal zu irgendwelchen künstlerischen {623} Hervorbringungen allezeit neigen.

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„Die neue Generation. , Bemerkungen zur Zeitgeschichte.“ (Von Er[n]st Seiffert, Berlin. Frankf. 19. VII. 14). 3 Der Schriftsteller stellt seine Bemerkungen auf die Umwälzungen, die besonders die technischen Wissenschaften in der Gegenwart hervorgerufen haben. Um die Zeit, da er diesen Ausgangspunkt fixiert, muß er offenbar bei sich gewußt haben, daß nur die Wissenschaft es war, u. nicht etwa leeres Sportgelüste, die diese Umwälzung hervorgerufen hat; und doch widerspricht er der richtigen Grundanschauung in der Folge, da er gerade sich anschickt, die Pointe zu formen: „Als die Liebe zur Natur u. die niemals sich versagende gewaltige Sprache der Natur das vom Dogma angelernte u. geleitete Gefühl Fühlen in den nachdenklichsten Fragen des Daseins bezwang, da war auch dem Menschen das Verständnis für u. die Sehnsucht zu dem natürlichen Zustand wieder erwacht, er begriff die fundamentale Notwendigkeit immer währenden ehrlichen Kampfes u. erfand eine Form, die diesem Rechnung trug; eine Passion, deren Hauptaufgabe ist, den Menschen zum Kämpfer zu bilden: den Sport.“

Dieser Ueberschätzung des Sportes kann man, wie nun klar zutage tritt, nicht genug entgegentreten, da man sich einer solchen Ueberschätzung des Sportes sogar dann schuldig macht, wenn man um ihretwillen einen Widerspruch begeht. Im Kampfe des Menschen um die Bezwingung der Natur u. vor allem der Menschen selbst wird der Sport niemals eine Rolle spielen, ebensowenig als wie er je eine gespielt hat. Ich möchte variirend [sic] sagen: Eine Passion, deren Hauptaufgabe ist, den Menschen zum Spieler zu bilden.

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© Transcription Marko Deisinger.

July 24, 1914.

Letters from Floriz with a photograph and a question about syncopation; from Mrs. Deutsch (with Berrsche); 1 from Hupka; and from Steinitz: decision concerning appeal. – Lengthy letter to Steinitz with thoughts about possible revision. After this, one more postcard.

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The Neue freie Presse of July 14, 1914 prints an article by Fulda: "Art and Morality in America." 2 It is striking that Fulda, in assessing the relationship of Puritanism to the direction taken by theater, does not spare the Americans a criticism that is very obvious, but one that is fundamentally decisive for the entire matter. What he says is indeed true: "Morality does not want to be portrayed in terms of natural light and shade; it wants a model. It does not want to see life played out as it is, but as it ought to be. It demands not truth, but teaching." But Fulda should have made Puritanism in America less responsible for this than commercialism, in order that the teaching of morality could not in spite of this be derived from the theater. For what prevents the American – if it is not a businessman's laziness, which makes him fit only for deals that millions engage in – from drawing from theater the lessons that he needs? But that is the very thing that Fulda seems unable to understand, how a businessman can want to have only one thing: to create a spiritual product by following so short a path as the one along which he makes money. He expects to be sold an education in telegraphic form for the price he pays for a business. For this reason I say: there will never be art in America; and if there is to be one, then only on account the same reason, since even the most unruly people have artistic impulses and millions of people, all the more in successive generations, will sooner or later always be inclined to produce some sort of {623} artistic products.

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"The New Generation: Observations on Contemporary History" (by Ernst Seiffert, Berlin, Frankfurter Zeitung , July 19, 1914). 3 The writer bases his observations on the upheavals that have been brought about in particular by the technological sciences in the present time. Around the time when he fixes this point of departure, he must have evidently realized that it was only science, and not some empty passion for sport, that brought about this upheaval; and yet he contradicts his fundamental view, which is correct, at the moment that he proceeds to form the crux of his argument: "When the love of nature and the never-denying, mighty language of nature vanquished the feeling in the most contemplative questions of being, which had been learned and led by the dogma, the understanding of and yearning for the natural state was reawakened in man; he understood the fundamental necessity of unceasing honest combat, and invented a form that corresponded to this honest struggle and invented a form that took account of this, a passion whose principal objective is to make a person into a fighter: sport."

One cannot go too far in being opposed to this over-valuing of sport, as has become plainly obvious; for one would then be guilty of such an over-valuing even if one were to criticize it. In man's struggle to conquer nature and, above all, his fellow men, sport will never play a role, as little as it has ever played one. I would say, by way of variation: a passion whose principal objective is to make a person into someone who plays.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Alexander Berrsche, "Die Triller bei den Klassikern," Münchener Zeitung, May 29 and June 9, 1914 (cites Schenker's ideas on C. P. E. Bach), preserved on OC 2/p. 44. Schenker had sent Berrsche's essay to Sofie Deutsch on July 18 (see diary entry for that day).

2 Ludwig Fulda, "Kunst u. Moral in Amerika," Neue freie Presse, No. 17918, July 14, 1914, morning edition, pp. 1–3.

3 Ernst Seiffert, "Die neue Generation. Bemerkungen zur Zeitgeschichte," Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, No. 198, July 19, 1914, 58th year, first morning edition, pp. 1–2.