29.

Fahnen retourWSLB 208 bis S. 55.

*

BriefOC 52/144 von Hertzka wegen Rücksendung des Manuscriptes, gezeichnet: hochachtungsvoll ergeben.

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Ad vocem Kühnemann, der die geistesmacht Deutschlands gepriesen u. ein darauf bezügliches Feuilleton im Berliner Tageblatt von Harms: 1 Als um die Zeit des römischen Kaiserreiches die Kluft zwischen Reichen u. Armen, Freien u. Sclaven unüberbrückbar geworden, blieb den Unterdrückten, wie selbstverständlich, nichts anderes übrig, als Trost in der Abwendung von der Welt u. der Hinneigung zu Gott zu suchen. Die Unterdrückten waren es, die gleichsam zu ihrem Selbstgebrauch eine Religion der Armen schufen, worin sie ihre Verachtung der Reichen so kräftig als möglich sich von der Seele losgeschrieen haben. Diese Verachtung war es, u. nichts anderes, die die Reichen Tag u. Nacht peinigte, so daß sie auf die Idee verfielen, sich dem Spott u. dem Hohn dadurch zu entziehen, daß sie mindestens im Punkte Religion gemeinsame Sache mit ihren Sclaven machten. Sie waren eben reich genug, um sich auch das Christentum kaufen zu können, wenn es ihre schwer getroffene Eitelkeit gebraucht hat. Einen analogen Prozess können wir ja auch noch heute verfolgen, da die Sozialdemokraten ihre Flüche wider die Reichen so wirksam vorzubringen wußten, daß sich diese letzteren, um moralisch standhalten zu können, die Gedanken der Sozialdemokratie aneignen. In beiden Fällen aber hat die Annahme des Christentums, bezw. der sozialdemokratischen Idee am Sachverhalt selbst gleichwohl nichts zu ändern vermocht. Nach {560} wie vor gibt es Reiche u. Arme, Ausnutzung u. Sclaverei, nur daß sich die Reichen durch List der Verachtung u. dem Spott dadurch zu entziehen verstanden haben, daß sie sich nun „Bruder in Christo“, bezw. „Sozialdemokraten“ nennen. Auch dieses ist aber durchaus nur in der Natur begründet, denn die Erscheinung des Reichtums ist rein wirtschaftlicher Natur u. ein in sich selbst gegründeter Prozess, so daß Religion oder Sozialdemokratie ihm nicht beikommen können. Unabhängig eben von dieser oder jener Geistes- oder Gefühlsströmung basirt jeglicher Reichtum nur darauf, daß mehrere Arbeitskräfte sich einer einzelnen Person anbieten. Da dieses aber bis ans Ende aller Zeiten der Fall sein wird, so ist damit auch von vornherein die Entstehung der Reichtümer verbürgt. Mit dem Reichtum aber wird allezeit auch die Schlauheit sich paaren, des Scheines halber gemeinsame Sache mit den Unterdrückten zu machen, um sie desto besser ausnützen zu können!

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© Transcription Marko Deisinger.

29.

ReturnWSLB 208 of the galley proofs as far as p. 55.

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LetterOC 52/144 from Hertzka concerning the return of the manuscript , signed "Very truly yours."

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In response to Kühnemann, who lauded the intellectual power of Germany, and a feuilleton by Harms in the Berliner Tageblatt : 1 When, in the time of the Roman Empire, the gap between rich and poor, freemen and slaves became unbridgeable, there clearly remained nothing else for the oppressed to do than to seek comfort by turning away from the world and towards God. It was the oppressed who, so to speak, created a religion of the poor for their own use, wherein they loudly proclaimed their contempt for the rich as powerfully as possible from their souls. It was this contempt and nothing else that pained the rich day and night, so that they hit upon the idea of evading mockery and scorn by at least making common cause with their slaves in the realm of religion. They were indeed wealthy enough to be able to purchase even Christianity, if their seriously damaged vanity required it. We can indeed witness an analogous process today, as the Social Democrats have been able to put forward their curses against the rich so effectively that the latter, in order to be able to put up a moral defense, have appropriated the ideas of social democracy. In both cases, however, the adoption of Christianity and the social-democratic idea have nonetheless been able to change nothing. {560} Now, as before, there exist rich and poor, exploitation and slavery, except that the rich have, by cunning, learned to escape contempt and mockery by calling themselves "brothers in Christ" or "Social Democrats." But even this is entirely founded only in nature; since the manifestation of wealth is of a purely commercial nature and a process based upon itself, neither religion nor social democracy can get to grips with it. Independently from this or that very spiritual or sensory current, all wealth is based only on several workers offering their services to a single person. But since this will be the case until the end of time, the emergence of wealth is guaranteed from the outset. Wealth will, however, always also be paired with cunning, in order to give the appearance of a common cause, so that the wealthy can exploit it all the more easily!

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© Translation William Drabkin.

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Fahnen retourWSLB 208 bis S. 55.

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BriefOC 52/144 von Hertzka wegen Rücksendung des Manuscriptes, gezeichnet: hochachtungsvoll ergeben.

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Ad vocem Kühnemann, der die geistesmacht Deutschlands gepriesen u. ein darauf bezügliches Feuilleton im Berliner Tageblatt von Harms: 1 Als um die Zeit des römischen Kaiserreiches die Kluft zwischen Reichen u. Armen, Freien u. Sclaven unüberbrückbar geworden, blieb den Unterdrückten, wie selbstverständlich, nichts anderes übrig, als Trost in der Abwendung von der Welt u. der Hinneigung zu Gott zu suchen. Die Unterdrückten waren es, die gleichsam zu ihrem Selbstgebrauch eine Religion der Armen schufen, worin sie ihre Verachtung der Reichen so kräftig als möglich sich von der Seele losgeschrieen haben. Diese Verachtung war es, u. nichts anderes, die die Reichen Tag u. Nacht peinigte, so daß sie auf die Idee verfielen, sich dem Spott u. dem Hohn dadurch zu entziehen, daß sie mindestens im Punkte Religion gemeinsame Sache mit ihren Sclaven machten. Sie waren eben reich genug, um sich auch das Christentum kaufen zu können, wenn es ihre schwer getroffene Eitelkeit gebraucht hat. Einen analogen Prozess können wir ja auch noch heute verfolgen, da die Sozialdemokraten ihre Flüche wider die Reichen so wirksam vorzubringen wußten, daß sich diese letzteren, um moralisch standhalten zu können, die Gedanken der Sozialdemokratie aneignen. In beiden Fällen aber hat die Annahme des Christentums, bezw. der sozialdemokratischen Idee am Sachverhalt selbst gleichwohl nichts zu ändern vermocht. Nach {560} wie vor gibt es Reiche u. Arme, Ausnutzung u. Sclaverei, nur daß sich die Reichen durch List der Verachtung u. dem Spott dadurch zu entziehen verstanden haben, daß sie sich nun „Bruder in Christo“, bezw. „Sozialdemokraten“ nennen. Auch dieses ist aber durchaus nur in der Natur begründet, denn die Erscheinung des Reichtums ist rein wirtschaftlicher Natur u. ein in sich selbst gegründeter Prozess, so daß Religion oder Sozialdemokratie ihm nicht beikommen können. Unabhängig eben von dieser oder jener Geistes- oder Gefühlsströmung basirt jeglicher Reichtum nur darauf, daß mehrere Arbeitskräfte sich einer einzelnen Person anbieten. Da dieses aber bis ans Ende aller Zeiten der Fall sein wird, so ist damit auch von vornherein die Entstehung der Reichtümer verbürgt. Mit dem Reichtum aber wird allezeit auch die Schlauheit sich paaren, des Scheines halber gemeinsame Sache mit den Unterdrückten zu machen, um sie desto besser ausnützen zu können!

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© Transcription Marko Deisinger.

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ReturnWSLB 208 of the galley proofs as far as p. 55.

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LetterOC 52/144 from Hertzka concerning the return of the manuscript , signed "Very truly yours."

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In response to Kühnemann, who lauded the intellectual power of Germany, and a feuilleton by Harms in the Berliner Tageblatt : 1 When, in the time of the Roman Empire, the gap between rich and poor, freemen and slaves became unbridgeable, there clearly remained nothing else for the oppressed to do than to seek comfort by turning away from the world and towards God. It was the oppressed who, so to speak, created a religion of the poor for their own use, wherein they loudly proclaimed their contempt for the rich as powerfully as possible from their souls. It was this contempt and nothing else that pained the rich day and night, so that they hit upon the idea of evading mockery and scorn by at least making common cause with their slaves in the realm of religion. They were indeed wealthy enough to be able to purchase even Christianity, if their seriously damaged vanity required it. We can indeed witness an analogous process today, as the Social Democrats have been able to put forward their curses against the rich so effectively that the latter, in order to be able to put up a moral defense, have appropriated the ideas of social democracy. In both cases, however, the adoption of Christianity and the social-democratic idea have nonetheless been able to change nothing. {560} Now, as before, there exist rich and poor, exploitation and slavery, except that the rich have, by cunning, learned to escape contempt and mockery by calling themselves "brothers in Christ" or "Social Democrats." But even this is entirely founded only in nature; since the manifestation of wealth is of a purely commercial nature and a process based upon itself, neither religion nor social democracy can get to grips with it. Independently from this or that very spiritual or sensory current, all wealth is based only on several workers offering their services to a single person. But since this will be the case until the end of time, the emergence of wealth is guaranteed from the outset. Wealth will, however, always also be paired with cunning, in order to give the appearance of a common cause, so that the wealthy can exploit it all the more easily!

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Paul Harms, "Vom Weltreich deutschen Geistes," Berliner Tageblatt, No. 206, 43rd year, April 24, 1914, evening edition, pp. [1–2].