16.
An Frau Stirling Ultimatum! *An Hertzka urgirende KarteWSLB 157. *An Floriz, um Mißverständnissen für die Zukunft vorzubeugen, eine Karte; um Schutz gegen die inferioren Menschen, die nur ihre Teiln nichtssagende Teilnahme für überhaupt eine halten, höher gearteten Ausdruck aber einer solchen, wie alles Höhere – herabsetzen. Das Problem ist unlösbar, da auch dem Leidenden schließlich nur jene Teilnahme lieb ist, deren er selbst fähig ist u. wiederum auch nur von jemandem, der ihm ähnelt. Man setze den Fall ein Göthe würde sich dem Leidenden genau so ruhig, mit denselben teilnehmenden nichtssagenden Worten wie nur irgend ein inferiorer Mensch, nähern, so würde dennoch nur die Teilnahme des letzteren als die wahre er- {351} scheinen. Nur sich selbst u. ihresgleichen wollen die niedrigen Menschen ohne zu ahnen, daß nur darin die Tragödie der ganzen Menschheit liegt. Denn es wäre besser, sie wollten höher geartete Naturen, als sie selbst sind, denn selbst um den Preis verletzter Eitelkeit gewännen sie Vorteile, wie sie sie von ihresgleichen niemals haben können. Es ist bedauerlich, daß die Menschheit nicht die Klugheit hat, die mindestens der kranke Mensch hat, der in stärkerer Not doch lieber nach dem überragenden Professor, als nach dem gewöhnlichen Arzt schickt. Offenbar hält sich die Menschheit für gesund, da sie sich nicht ausschließlich an den höchsten Stand wendet. Und doch ist sie im Grunde krank, wovon ihr ewiges lamento genügend Zeugnis gibt. Florizens Antwort bestätigt die Unlösbarkeit! Vor allem die Selbstbeschmeichelung, er führe seine Frau in einen auserlesenen Kreis ein u. sodann bei soviel Urteilslosigkeit u. Lebensuntüchtigkeit die Annahme seines eigenen Standpunctes als eines Ausgangspunctes, der über jeden Zweifel erhaben sei. Er ahnt nicht, daß wie gesagt derselbe Standpunct von mir statt von ihm ausgeführt dennoch nicht den gewünschten Eindruck machen würde. So sehr wäre dafür nicht meine Leistung, sondern meine Person entscheidend. Es ist ja genau dasselbe das selbe in allen Verhältnissen des überragenden Menschen zu beobachten: gerade seine Polemik wird getadelt, während man sie bei sich selbst gerne sieht. Auch die Frau billigt sich selbst mehr zu, als ihm u. dasselbe das selbe mißfällt ihr an ihm, was sie an sich selbst durchaus besser ausgelegt wissen möchte. Es waltet eben nicht genügend die Hingabe an die Sache um sie von der Person zu trennen u. auch dem überragenden Menschen dieselbe die selbe Gerechtigkeit wiederfahren [sic] zu lassen, die man für sich selbst fordert. *Ibsen soll einem kleinen Kinde aus Verlegenheit Rotwein zu trinken gegeben {352} haben. Die Erzählerin (Frankfurter Ztg; 15. Mai 1913) 1 schließt daraus, daß er nie wußte, wie er Kinder behandeln soll. Das mag sein; er wußte ja auch nicht einmal, wie er die Erwachsenen behandeln sollte. Nur so viel wußte er, daß die Erwachsenen, denen er statt Rotwein seine Dramen gab, vielleicht erst noch Kinder waren sind, die Kinder aber noch gar nicht vorhandene Menschen! Sein Leben erweist ja, daß er sich die Behandlung der Erwachsenen auch gar nicht angelegen sein ließ. *
© Transcription Marko Deisinger. |
16.
To Mrs. Stirling, final notice! *To Hertzka, a postcardWSLB 157 urging action. *To Floriz, to avoid misunderstandings in future, a postcard; as protection against the inferior people, who think only of their vacuous sympathy, but disparage the more highly-formed expression of such [sympathy], like all higher things. The problem is irreconcilable since, in the end, even the person suffering will welcome only the sympathy of which he himself is capable – and then again, only from someone who resembles him. Suppose it were the case that a Goethe were to approach the suffering just as peacefully, with the same sympathetic, vacuous words used only by some inferior person, then only the sympathy of the latter would appear to be true. {351} The inferior people just want themselves, and those like them, without realizing that only therein lies the tragedy of all humanity. For it would be better that they should want those of a higher formed nature than themselves; for then they would gain, even at the price of injured vanity, advantages of the sort that they could never hope to have. It is regrettable that humanity does not have the intelligence that is possessed at least by a person who is ill, who in a greater state of emergency prefers to summon the superior professor [of medicine] than an ordinary doctor. Apparently humanity regards itself as healthy, since they do not exclusively apply to the highest authority. And yet it is basically sick, its eternal lament being sufficient proof of that. Floriz's reply confirms the insolubility! Above all, the self-vanity that he is introducing his wife to an exclusive circle; and then, with so little power of judgment or fitness for life, the assumption of his own standpoint as a point of departure that is beyond all doubt. He does not realize that, as said, the same standpoint developed from me instead of from him would nonetheless not make the desired impression. As much as it was not my accomplishment, but rather my personality, that would be decisive. The very same thing is to be observed in all situations regarding a towering personality: precisely his polemics are criticized, whereas people are happy to behave in this way themselves. The woman, too, accepts her misbehavior more than the man's, and she is critical of the same things in him that she would like to be seen cast in a better light in herself. There is just not enough devotion to an issue in order to separate it from the person, and also in order to grant the superior person the same justice that one claims for oneself. *Ibsen is reported, in a difficult moment, to have given a small child red wine to drink. {352} The storyteller ( Frankfurter Zeitung , May 15 1913) 1 concludes from this that he never understood how to deal with children. That may be the case; he also did not know how to deal with adults. He knew only so much: that adults, to whom he gave his plays instead of red wine, were probably still children, but the children were not at all living beings! His life indeed shows that he did not care at all about how he dealt with adults. *
© Translation William Drabkin. |
16.
An Frau Stirling Ultimatum! *An Hertzka urgirende KarteWSLB 157. *An Floriz, um Mißverständnissen für die Zukunft vorzubeugen, eine Karte; um Schutz gegen die inferioren Menschen, die nur ihre Teiln nichtssagende Teilnahme für überhaupt eine halten, höher gearteten Ausdruck aber einer solchen, wie alles Höhere – herabsetzen. Das Problem ist unlösbar, da auch dem Leidenden schließlich nur jene Teilnahme lieb ist, deren er selbst fähig ist u. wiederum auch nur von jemandem, der ihm ähnelt. Man setze den Fall ein Göthe würde sich dem Leidenden genau so ruhig, mit denselben teilnehmenden nichtssagenden Worten wie nur irgend ein inferiorer Mensch, nähern, so würde dennoch nur die Teilnahme des letzteren als die wahre er- {351} scheinen. Nur sich selbst u. ihresgleichen wollen die niedrigen Menschen ohne zu ahnen, daß nur darin die Tragödie der ganzen Menschheit liegt. Denn es wäre besser, sie wollten höher geartete Naturen, als sie selbst sind, denn selbst um den Preis verletzter Eitelkeit gewännen sie Vorteile, wie sie sie von ihresgleichen niemals haben können. Es ist bedauerlich, daß die Menschheit nicht die Klugheit hat, die mindestens der kranke Mensch hat, der in stärkerer Not doch lieber nach dem überragenden Professor, als nach dem gewöhnlichen Arzt schickt. Offenbar hält sich die Menschheit für gesund, da sie sich nicht ausschließlich an den höchsten Stand wendet. Und doch ist sie im Grunde krank, wovon ihr ewiges lamento genügend Zeugnis gibt. Florizens Antwort bestätigt die Unlösbarkeit! Vor allem die Selbstbeschmeichelung, er führe seine Frau in einen auserlesenen Kreis ein u. sodann bei soviel Urteilslosigkeit u. Lebensuntüchtigkeit die Annahme seines eigenen Standpunctes als eines Ausgangspunctes, der über jeden Zweifel erhaben sei. Er ahnt nicht, daß wie gesagt derselbe Standpunct von mir statt von ihm ausgeführt dennoch nicht den gewünschten Eindruck machen würde. So sehr wäre dafür nicht meine Leistung, sondern meine Person entscheidend. Es ist ja genau dasselbe das selbe in allen Verhältnissen des überragenden Menschen zu beobachten: gerade seine Polemik wird getadelt, während man sie bei sich selbst gerne sieht. Auch die Frau billigt sich selbst mehr zu, als ihm u. dasselbe das selbe mißfällt ihr an ihm, was sie an sich selbst durchaus besser ausgelegt wissen möchte. Es waltet eben nicht genügend die Hingabe an die Sache um sie von der Person zu trennen u. auch dem überragenden Menschen dieselbe die selbe Gerechtigkeit wiederfahren [sic] zu lassen, die man für sich selbst fordert. *Ibsen soll einem kleinen Kinde aus Verlegenheit Rotwein zu trinken gegeben {352} haben. Die Erzählerin (Frankfurter Ztg; 15. Mai 1913) 1 schließt daraus, daß er nie wußte, wie er Kinder behandeln soll. Das mag sein; er wußte ja auch nicht einmal, wie er die Erwachsenen behandeln sollte. Nur so viel wußte er, daß die Erwachsenen, denen er statt Rotwein seine Dramen gab, vielleicht erst noch Kinder waren sind, die Kinder aber noch gar nicht vorhandene Menschen! Sein Leben erweist ja, daß er sich die Behandlung der Erwachsenen auch gar nicht angelegen sein ließ. *
© Transcription Marko Deisinger. |
16.
To Mrs. Stirling, final notice! *To Hertzka, a postcardWSLB 157 urging action. *To Floriz, to avoid misunderstandings in future, a postcard; as protection against the inferior people, who think only of their vacuous sympathy, but disparage the more highly-formed expression of such [sympathy], like all higher things. The problem is irreconcilable since, in the end, even the person suffering will welcome only the sympathy of which he himself is capable – and then again, only from someone who resembles him. Suppose it were the case that a Goethe were to approach the suffering just as peacefully, with the same sympathetic, vacuous words used only by some inferior person, then only the sympathy of the latter would appear to be true. {351} The inferior people just want themselves, and those like them, without realizing that only therein lies the tragedy of all humanity. For it would be better that they should want those of a higher formed nature than themselves; for then they would gain, even at the price of injured vanity, advantages of the sort that they could never hope to have. It is regrettable that humanity does not have the intelligence that is possessed at least by a person who is ill, who in a greater state of emergency prefers to summon the superior professor [of medicine] than an ordinary doctor. Apparently humanity regards itself as healthy, since they do not exclusively apply to the highest authority. And yet it is basically sick, its eternal lament being sufficient proof of that. Floriz's reply confirms the insolubility! Above all, the self-vanity that he is introducing his wife to an exclusive circle; and then, with so little power of judgment or fitness for life, the assumption of his own standpoint as a point of departure that is beyond all doubt. He does not realize that, as said, the same standpoint developed from me instead of from him would nonetheless not make the desired impression. As much as it was not my accomplishment, but rather my personality, that would be decisive. The very same thing is to be observed in all situations regarding a towering personality: precisely his polemics are criticized, whereas people are happy to behave in this way themselves. The woman, too, accepts her misbehavior more than the man's, and she is critical of the same things in him that she would like to be seen cast in a better light in herself. There is just not enough devotion to an issue in order to separate it from the person, and also in order to grant the superior person the same justice that one claims for oneself. *Ibsen is reported, in a difficult moment, to have given a small child red wine to drink. {352} The storyteller ( Frankfurter Zeitung , May 15 1913) 1 concludes from this that he never understood how to deal with children. That may be the case; he also did not know how to deal with adults. He knew only so much: that adults, to whom he gave his plays instead of red wine, were probably still children, but the children were not at all living beings! His life indeed shows that he did not care at all about how he dealt with adults. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Wd., "Ibsen, der Kinderfreund. Aus neuen Ibsen-Erinnerungen," Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, May 15, 1913, evening edition, p. 1. |