12. XI.
Mit Dr. Mandyczewski bei Wittgenstein Einblick in das Autograf op. 109. Ganz unerwartet überraschendste Aufschlüsse, die alles bestätigen, was ich bis dahin selbst, trotz Entstellung des Textes, die Schüler gelehrte. Nottebohm’s u. Mandyczewski’s Notizen erweisen sich als viel zu oberflächlich u. rühren nirgends an den letzten Kern. Abends. Aussprache mit Dr. Brünauer u. offener Tadel seines einseitigen Nehmens. Die schlechte Beschaffenheit seiner Nerven u. wohl auch die minder gute Veranlagung trieben ihn immer wieder zur Einbildung, er sei ein nobler Mann! Keinesfalls begriff er aber, daß dazu ja vor allem noble Taten gehören. *In späte Nacht hinein die A Ergebnisse der Autograph-Lektüre verglichen. Nach kurzem Schlaf den Brief an Vrieslander beendet. *Aus Diskretion, um den Vornehmen durch Geschenkanbietungen nicht zu verletzen, bleibt der Schmutzige gerne schmutzig. Er hält es für nobel, das Geld selbst zu behalten, aber für indiskret u. unnobel, auch dem Anderen zu gönnen, was er gerne selbst besitzt. *
Man weiß, wie zulässig der Schluß ist, daß, je mehr Menschen dasselbe können u. leisten,
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diese Leistung offenbar eine
[illeg]Leichte ist; was der eine Kaufmann trifft, treffen
mMillionen andere. Und umgekehrt: was eben wenige können, scheint auch schwierig zu sein u. besonderen Wert vorzustellen. Nun deduzire man auf Grund dieses unumstößlichen Schlußes den Wert des Menschen. Jeder, Jede kann einen Menschen {279} zeugen, gebären. Wie klein ist nun die Leistung in diesem Falle!
Die Brünner Schülerin nimmt nun die Pflicht genauer als bisher. Das macht es, wenn man die Pflichterfüllung zur einer Sache der eigenen Geldsache Tasche macht: So lange es sich nach der Vorstellung ihrer Eltern blos um meine Zeit, blos um mein Geld handelte, vergeudete sie beides nach
[illeg]Belieben. Seit der Überwälzung des Geldverlustes auf ihre Seite, steht selbst eine Operation nicht mehr im Wege , zur Stunde zu kommen. Die Angst, ein paar Gulden zu verlieren ist größer als die Besorgnis um den kranken eigenen Fuß u. das Mädchen deutet sich, nicht im
Ggeringsten an Geldschmutz denkend, den Vorgang um, indem sie es sagt, es habe ihm besser geschienen sich durch die Reise u. Stunde zu zerstreuen. , als zu Hause zu bleiben.
Wenn die Menschen Bildung gelten lassen, so äußern sie oft genug Bedenken gegen eine übermäßige. Sie sprechen dann von einer angeblichen Schädlichkeit, von einem überflüssigen Luxus, u. s. f. Daß man aber gerade der differenzirteren Bildung auch differenzirtere Resultate zu verdanken hat, die in Form von kauf- {280} männischer Ware von Millionen u. Milliarden Menschen gehandelt wird, davon ahnen die lieben Menschen gar nichts. Wie viel Voraussetzung hatte z. B. die Entdeckung des Radiums nötig! Nun, da es da ist, wissen Händler gute Profitchen zu machen. Hat nicht auch Elektrizität komplizierte Voraussetzungen gehabt bevor die Menschen sie erkennen konnten? Da die Ergebnisse nun vorliegen, wie kommen sich die Menschen tüchtig vor, wenn sie die entsprechenden Waren nur vertreiben . ! Man kann sagen, auch gegen die differenzirteste Bildung hätten die Menschen-Krämer nichts, wenn man nur erst umgekehrt vor dem Experiment schon die Ware vorlegen könnte, die leider erst nach dem Experiment möglich u. vertreibbar ist. Zuerst der Chek [sic], dann die Bildung! Aber davon, die Wissenschaft zu fördern, damit sie durch Experimente auf neue Ware stoße – das überschreitet die Geduld der Menschenkrämer u. mutet ihrer Zinsengier zu viel zu. Und all’ diese Misere rührt davon her, daß Menschen schon die erste Ueberschreitung des Analphabetentums, also das purste Lesen u. Schreiben-gelernt-haben, dem armen Menschenkind schon in den Kopf steigt. Schon auf dieser primitivsten Basis hält es sich für intelligent u. betrachtet alle übrige Bildung so lange als eine überflüssige, bis eben die als überflüssig verschrieene z. B. auch zu Benzin, Elektromotoren, Aeroplanen führt. © Transcription Marko Deisinger. |
November 12.
With Dr. Mandyczewski at Wittgenstein's, an examination of the autograph of Op. 109. Quite unexpectedly surprising discoveries, which confirm everything I have taught my pupils in spite of the corruption of the text. Nottebohm's and Mandyczewski's notes prove to be too superficial, and do not come close to the heart of the matter. Evening. Discussion with Mr. Brünauer, and frank criticism of his one-sided conduct. The bad constitution of his nerves, and perhaps also his less good temperament, drove him again and again to imagine that he was a noble man! At no point, however, did he understand that this required, above all, the performance of noble deeds. *Until late at night, results of the reading of the autograph compared. After a short sleep, the letter to Vrieslander completed. *
For sake of discretion, so as not to offend the genteel person by the offer of presents, the money-grubber gladly remains money-grubbing.
One knows how valid the maxim is that, the more that people can – and indeed do
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– the same thing, the more this accomplishment appears to be something easily done; what one businessman discovers, millions of others discover. And conversely: what, in fact, few are able to do appears to be difficult and assumes a special value. Now one may deduce, on the basis of this irrefutable maxim, the value of a human being. Every male, every female can father, give birth to, a human being. {279} How small, then, is the achievement in this case!
My pupil from Brno is taking her responsibilities more seriously than before. That is what happens when one makes the fulfillment of one's obligations a matter of one's own pocket: so long as her parents regarded this merely in terms of my time, merely of my money, she squandered both at will. Now that the assumption of the loss of money lies with her, even an operation is no longer an obstacle to her coming to her lesson. The fear of losing a few gulden is greater than her worry about her own ailing foot; and the young lady, not thinking in the least of money-grubbing, is changing her story whereby, she says, it seemed better for her to entertain herself by the trip and the lesson than to stay at home.
When people concede the value of education, they often enough voice their misgivings about an excessive [fee]. They then speak of a supposed harmfulness, of a superfluous luxury, and so on. That one, however, must verily be grateful for a specialized education, which produces specialized results that take the form of commercial {280} products that will be traded by millions of people, of this the dear people have no idea. How much precondition was needed for the discovery of, for example, radium! Now that it is there, businessmen are able to make a nice little profit from it. Did not electricity also have complicated preconditions before people could recognize it? Now that the results are plain to see, how boldly the people come forth merely when they market the resulting products! One can say that the business people would even have had nothing against the most specialized education if only the product could have already been shown to them before the experiment, the product that unfortunately is possible and marketable only after the experiment. First the payment, then the education! But to promote science so that it might come up with new products as a result of experimentation: that is something that exceeds the patience of our business people, and is asking too much of their craving for interest payments. And all this misery derives from the fact that even the first surmounting of illiteracy, i.e. the purest form of having learned to read and write, goes to the heads of the poor human being. Already on this most primitive basis he believes himself to be intelligent and considers all further education as unnecessary, until the point that what he had decried as unnecessary leads to, say, gasoline, electric motors, and airplanes. © Translation William Drabkin. |
12. XI.
Mit Dr. Mandyczewski bei Wittgenstein Einblick in das Autograf op. 109. Ganz unerwartet überraschendste Aufschlüsse, die alles bestätigen, was ich bis dahin selbst, trotz Entstellung des Textes, die Schüler gelehrte. Nottebohm’s u. Mandyczewski’s Notizen erweisen sich als viel zu oberflächlich u. rühren nirgends an den letzten Kern. Abends. Aussprache mit Dr. Brünauer u. offener Tadel seines einseitigen Nehmens. Die schlechte Beschaffenheit seiner Nerven u. wohl auch die minder gute Veranlagung trieben ihn immer wieder zur Einbildung, er sei ein nobler Mann! Keinesfalls begriff er aber, daß dazu ja vor allem noble Taten gehören. *In späte Nacht hinein die A Ergebnisse der Autograph-Lektüre verglichen. Nach kurzem Schlaf den Brief an Vrieslander beendet. *Aus Diskretion, um den Vornehmen durch Geschenkanbietungen nicht zu verletzen, bleibt der Schmutzige gerne schmutzig. Er hält es für nobel, das Geld selbst zu behalten, aber für indiskret u. unnobel, auch dem Anderen zu gönnen, was er gerne selbst besitzt. *
Man weiß, wie zulässig der Schluß ist, daß, je mehr Menschen dasselbe können u. leisten,
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diese Leistung offenbar eine
[illeg]Leichte ist; was der eine Kaufmann trifft, treffen
mMillionen andere. Und umgekehrt: was eben wenige können, scheint auch schwierig zu sein u. besonderen Wert vorzustellen. Nun deduzire man auf Grund dieses unumstößlichen Schlußes den Wert des Menschen. Jeder, Jede kann einen Menschen {279} zeugen, gebären. Wie klein ist nun die Leistung in diesem Falle!
Die Brünner Schülerin nimmt nun die Pflicht genauer als bisher. Das macht es, wenn man die Pflichterfüllung zur einer Sache der eigenen Geldsache Tasche macht: So lange es sich nach der Vorstellung ihrer Eltern blos um meine Zeit, blos um mein Geld handelte, vergeudete sie beides nach
[illeg]Belieben. Seit der Überwälzung des Geldverlustes auf ihre Seite, steht selbst eine Operation nicht mehr im Wege , zur Stunde zu kommen. Die Angst, ein paar Gulden zu verlieren ist größer als die Besorgnis um den kranken eigenen Fuß u. das Mädchen deutet sich, nicht im
Ggeringsten an Geldschmutz denkend, den Vorgang um, indem sie es sagt, es habe ihm besser geschienen sich durch die Reise u. Stunde zu zerstreuen. , als zu Hause zu bleiben.
Wenn die Menschen Bildung gelten lassen, so äußern sie oft genug Bedenken gegen eine übermäßige. Sie sprechen dann von einer angeblichen Schädlichkeit, von einem überflüssigen Luxus, u. s. f. Daß man aber gerade der differenzirteren Bildung auch differenzirtere Resultate zu verdanken hat, die in Form von kauf- {280} männischer Ware von Millionen u. Milliarden Menschen gehandelt wird, davon ahnen die lieben Menschen gar nichts. Wie viel Voraussetzung hatte z. B. die Entdeckung des Radiums nötig! Nun, da es da ist, wissen Händler gute Profitchen zu machen. Hat nicht auch Elektrizität komplizierte Voraussetzungen gehabt bevor die Menschen sie erkennen konnten? Da die Ergebnisse nun vorliegen, wie kommen sich die Menschen tüchtig vor, wenn sie die entsprechenden Waren nur vertreiben . ! Man kann sagen, auch gegen die differenzirteste Bildung hätten die Menschen-Krämer nichts, wenn man nur erst umgekehrt vor dem Experiment schon die Ware vorlegen könnte, die leider erst nach dem Experiment möglich u. vertreibbar ist. Zuerst der Chek [sic], dann die Bildung! Aber davon, die Wissenschaft zu fördern, damit sie durch Experimente auf neue Ware stoße – das überschreitet die Geduld der Menschenkrämer u. mutet ihrer Zinsengier zu viel zu. Und all’ diese Misere rührt davon her, daß Menschen schon die erste Ueberschreitung des Analphabetentums, also das purste Lesen u. Schreiben-gelernt-haben, dem armen Menschenkind schon in den Kopf steigt. Schon auf dieser primitivsten Basis hält es sich für intelligent u. betrachtet alle übrige Bildung so lange als eine überflüssige, bis eben die als überflüssig verschrieene z. B. auch zu Benzin, Elektromotoren, Aeroplanen führt. © Transcription Marko Deisinger. |
November 12.
With Dr. Mandyczewski at Wittgenstein's, an examination of the autograph of Op. 109. Quite unexpectedly surprising discoveries, which confirm everything I have taught my pupils in spite of the corruption of the text. Nottebohm's and Mandyczewski's notes prove to be too superficial, and do not come close to the heart of the matter. Evening. Discussion with Mr. Brünauer, and frank criticism of his one-sided conduct. The bad constitution of his nerves, and perhaps also his less good temperament, drove him again and again to imagine that he was a noble man! At no point, however, did he understand that this required, above all, the performance of noble deeds. *Until late at night, results of the reading of the autograph compared. After a short sleep, the letter to Vrieslander completed. *
For sake of discretion, so as not to offend the genteel person by the offer of presents, the money-grubber gladly remains money-grubbing.
One knows how valid the maxim is that, the more that people can – and indeed do
1
– the same thing, the more this accomplishment appears to be something easily done; what one businessman discovers, millions of others discover. And conversely: what, in fact, few are able to do appears to be difficult and assumes a special value. Now one may deduce, on the basis of this irrefutable maxim, the value of a human being. Every male, every female can father, give birth to, a human being. {279} How small, then, is the achievement in this case!
My pupil from Brno is taking her responsibilities more seriously than before. That is what happens when one makes the fulfillment of one's obligations a matter of one's own pocket: so long as her parents regarded this merely in terms of my time, merely of my money, she squandered both at will. Now that the assumption of the loss of money lies with her, even an operation is no longer an obstacle to her coming to her lesson. The fear of losing a few gulden is greater than her worry about her own ailing foot; and the young lady, not thinking in the least of money-grubbing, is changing her story whereby, she says, it seemed better for her to entertain herself by the trip and the lesson than to stay at home.
When people concede the value of education, they often enough voice their misgivings about an excessive [fee]. They then speak of a supposed harmfulness, of a superfluous luxury, and so on. That one, however, must verily be grateful for a specialized education, which produces specialized results that take the form of commercial {280} products that will be traded by millions of people, of this the dear people have no idea. How much precondition was needed for the discovery of, for example, radium! Now that it is there, businessmen are able to make a nice little profit from it. Did not electricity also have complicated preconditions before people could recognize it? Now that the results are plain to see, how boldly the people come forth merely when they market the resulting products! One can say that the business people would even have had nothing against the most specialized education if only the product could have already been shown to them before the experiment, the product that unfortunately is possible and marketable only after the experiment. First the payment, then the education! But to promote science so that it might come up with new products as a result of experimentation: that is something that exceeds the patience of our business people, and is asking too much of their craving for interest payments. And all this misery derives from the fact that even the first surmounting of illiteracy, i.e. the purest form of having learned to read and write, goes to the heads of the poor human being. Already on this most primitive basis he believes himself to be intelligent and considers all further education as unnecessary, until the point that what he had decried as unnecessary leads to, say, gasoline, electric motors, and airplanes. © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Several ink-blots partly obscure the words "können" and "leisten." |