12. Febr.

Neue Revue“ begeht an dem ihr von mir zugeschickten Aufsatz (aus Anlaß der Schubert-Jahrhundert-Feier) 1 einen gemeinen Betrug, indem sie den Inhalt im Excerpt für die „Miniatur-bilder“ verwertet, den Aufsatz aber zurückgibt, um dem geforderten plus von 5Fl (25Fl statt 20Fl) auszuweichen ... Erwiesenermaßen war außer mir kein musikalischer Mitarbeiter am genannten Blatte tätig. Auf meinen Vorhalt der Unred- Ser. A, {2} b lichkeit erwiderten die Herren Dr. Edmund Wengraf u. Heinrich Osten, trotz zugestandener Originalität könne derselbe Gedanke wohl auch einem Anderen einfallen .. Man riet mir allgemein den Klageweg zubeschreiten [sic], doch erwies sich meine Vergeltung als viel instruktiver: Ich überließ dem Blatt den, durch das Excerpt im gewissen Sinne wertlos gewordenen Aufsatz u. siehe da ‒ die Herausgeber druckten ihn (doch freilich um 20Fl) zum zweitenmale ab.

Prof. Jerusalem’s starke Anerkennung meiner Person. 2

12. Feb.
Busoni: Ernst, vielleicht auch grau .. verbittert .. Fleissig, vielfach imponierend.‒ Durchaus aufs Künstlerische gerichtet, doch freilich nach Maßgabe des jeweiligen Verständnisses. Originell in den Bach-Transcriptionen wobei der Lapsu[s] bemerkenswert, daß er z.B. Sebastian Bach’s Chaconne für Vl. solo offenbar zunächst in ein Orgelstück umdenkt, nur um davon eine Transcription seiner Art beziehen zu können. Kindlicher Umweg. Um wieviel höher u. reiner das Verhältnis zur Chaconne bei Mendelssohn Schumann u. Brahms. Zumal des letzteren Meisters Weg zu einer Klavier-Transcription derselben ist je scheinbar einfacher, desto tiefsinniger: da er nun einmal vom Original nicht allzuweit sich entfernen Ser. A, {3} b u. auch sonst ihm keinerlei Gewalt antun wollte, andererseits aber das Original auf dem Klavier mindestens nicht in derselben Tonlage zu transponieren möglich war, so setzte er zunächst nur eben des besseren Klanges wegen das Stück um eine Oktave tiefer u. indem er b aus diesem Anlaß die linke Hand allein ins Treffen schickte, erfand er so eine klavieristische Schwierigkeit, die dem Klavierspieler Aufgabe genug geworden. Somit ist in der Brahms’schen Lösung des Problems nicht nur das Original, sondern auch das Instrument zu seinem eigenen Recht gekommen u. obendrein auf eine so einfache Weise. Wie doch immer nur das Genie allein das Einfach-Schönheit u. Einzig-Wahre trifft. Davon freilich noch abgesehen, welcher Gewinn wieder nur Brahms allein aus die Beschäftigung mit der Chaconne ziehen konnte: siehe Passacaglia in seiner IV. Symphonie. [Draft as far as "Schumann, and Brahms" in Ser. A, p. 3]

Schubert-Ausstellung: 3 Schubert skizziert die Fabel einer neuen Komposition blos in der melodischen Linie des Gesanges.

Schwind ungeniert selbst im Mittelpunkt so vieler eigener anekdotischer Genrebilder: es ist als würde die Stimmung des Erlebnisses nicht nur von ihm ausgehen, sondern auch zurück zu ihm kommen! Und die stürmische Erzählungslust! Hierin übrigens Schubert verwandt, der vielfach,‒ man sehe nur die meisten Finales u. Rondos in seinen Instrum. Werken ‒ der erste musikalische Novellist u. Erzähler genannt zu werden verdient. („Himmlische Länge“ mit allen ihren Fehlern.) [Draft of these two paragraphs is Ser. A, p. 3]

Ser. B, {1} [undated] Man kann eine Gallerie spezifische Schubert’scher Harmoniewendungen aufstellen. 4

© Transcription Ian Bent, 2017

February 12

The Neue Revue plays a dastardly trick on the article that I sent it (on the occasion of the Schubert centenary) 1 by using its contents in excerpted form for the "Miniatures," but sends the article back in order to avoid paying the additional 5 Florins (25 Florins instead of 20) that I had asked for. ... As has been demonstrated, there was no musical contributor other than me writing for the said paper. When I remonstrated at their dishonesty, Ser. A, {2} b Drs. Edmund Wengraf and Heinrich Osten retorted that despite its admitted originality the same idea could easily have occurred to someone else ... I was generally advised to take legal action, but my retaliation proved to be much more instructive: I left the article with the paper, since as a result of the excerpting it was of no value, and lo and behold, the editors printed it (admittedly for 20 Florins) for a second time.

Prof. Jerusalem's stout recognition of me as a person. 2

February 12
Busoni: Serious, perhaps even gloomy, ... embittered, .. industrious, oftentimes imposing. ‒ Totally focused on matters artistic ‒ depending, of course, on one's understanding [of the word "artistic"]. Original in his Bach transcriptions, but with the remarkable lapse that, for example, he evidently reconceives J. S. Bach's Chaconne for Solo Violin first as an organ piece before he is able to derive from that a transcription in his own manner. Such a childishly roundabout way of doing things. How much greater and purer is the relationship to the Chaconne in the cases of Mendelssohn, Schumann, and Brahms. Especially the way that the last of these masters approaches a piano transcription of this work is all the ostensibly simpler, thus all the more profound, because he sought never to stray too far from the original, Ser. A, {3} b or even to do it any other kind of violence. But where on the other hand it was impossible at least to place the original on the piano in the same register, then for the time being he transposed the piece an octave lower purely in the interests of the best sonority; and in bringing the left hand alone into play for this reason he created a pianistic difficulty that offered a sufficient challenge to the pianist. In this way, Brahms's solution to the problem brought not only the piece but also the instrument into its own right and, what's more, in so simple a way. That just goes to show how it is ever only the genius who hits upon the simply beautiful and uniquely right solution! Not to mention what a boon Brahms alone was able to draw from his encounter with the Chaconne: see the Passacaglia in his Fourth Symphony. [Draft as far as " Schumann, and Brahms" in Ser. A, p. 3]

Schubert exhibition: 3 Schubert sketches the outline of a new composition solely in the melodic line of the song.

Schwind, himself unembarrased, surrounded by so many of his own anecdotal genre paintings: it is as if the atmosphere of the experience was not only radiating outward from him but also flowing back to him! And the tempestuous desire to tell stories! In this respect also related to Schubert, who on many fronts ‒ just consider most of the finales and rondos of his instrumental works ‒ deserves to be called the first musical novelist and story-teller. ("Heavenly length," with all its errors.) [Draft of these two paragraphs is Ser. A, p. 3]

Ser. B, {1} [undated] It would be possible to assemble a gallery of specifically Schubertian harmonic progressions. 4

© Translation Ian Bent, 2017

12. Febr.

Neue Revue“ begeht an dem ihr von mir zugeschickten Aufsatz (aus Anlaß der Schubert-Jahrhundert-Feier) 1 einen gemeinen Betrug, indem sie den Inhalt im Excerpt für die „Miniatur-bilder“ verwertet, den Aufsatz aber zurückgibt, um dem geforderten plus von 5Fl (25Fl statt 20Fl) auszuweichen ... Erwiesenermaßen war außer mir kein musikalischer Mitarbeiter am genannten Blatte tätig. Auf meinen Vorhalt der Unred- Ser. A, {2} b lichkeit erwiderten die Herren Dr. Edmund Wengraf u. Heinrich Osten, trotz zugestandener Originalität könne derselbe Gedanke wohl auch einem Anderen einfallen .. Man riet mir allgemein den Klageweg zubeschreiten [sic], doch erwies sich meine Vergeltung als viel instruktiver: Ich überließ dem Blatt den, durch das Excerpt im gewissen Sinne wertlos gewordenen Aufsatz u. siehe da ‒ die Herausgeber druckten ihn (doch freilich um 20Fl) zum zweitenmale ab.

Prof. Jerusalem’s starke Anerkennung meiner Person. 2

12. Feb.
Busoni: Ernst, vielleicht auch grau .. verbittert .. Fleissig, vielfach imponierend.‒ Durchaus aufs Künstlerische gerichtet, doch freilich nach Maßgabe des jeweiligen Verständnisses. Originell in den Bach-Transcriptionen wobei der Lapsu[s] bemerkenswert, daß er z.B. Sebastian Bach’s Chaconne für Vl. solo offenbar zunächst in ein Orgelstück umdenkt, nur um davon eine Transcription seiner Art beziehen zu können. Kindlicher Umweg. Um wieviel höher u. reiner das Verhältnis zur Chaconne bei Mendelssohn Schumann u. Brahms. Zumal des letzteren Meisters Weg zu einer Klavier-Transcription derselben ist je scheinbar einfacher, desto tiefsinniger: da er nun einmal vom Original nicht allzuweit sich entfernen Ser. A, {3} b u. auch sonst ihm keinerlei Gewalt antun wollte, andererseits aber das Original auf dem Klavier mindestens nicht in derselben Tonlage zu transponieren möglich war, so setzte er zunächst nur eben des besseren Klanges wegen das Stück um eine Oktave tiefer u. indem er b aus diesem Anlaß die linke Hand allein ins Treffen schickte, erfand er so eine klavieristische Schwierigkeit, die dem Klavierspieler Aufgabe genug geworden. Somit ist in der Brahms’schen Lösung des Problems nicht nur das Original, sondern auch das Instrument zu seinem eigenen Recht gekommen u. obendrein auf eine so einfache Weise. Wie doch immer nur das Genie allein das Einfach-Schönheit u. Einzig-Wahre trifft. Davon freilich noch abgesehen, welcher Gewinn wieder nur Brahms allein aus die Beschäftigung mit der Chaconne ziehen konnte: siehe Passacaglia in seiner IV. Symphonie. [Draft as far as "Schumann, and Brahms" in Ser. A, p. 3]

Schubert-Ausstellung: 3 Schubert skizziert die Fabel einer neuen Komposition blos in der melodischen Linie des Gesanges.

Schwind ungeniert selbst im Mittelpunkt so vieler eigener anekdotischer Genrebilder: es ist als würde die Stimmung des Erlebnisses nicht nur von ihm ausgehen, sondern auch zurück zu ihm kommen! Und die stürmische Erzählungslust! Hierin übrigens Schubert verwandt, der vielfach,‒ man sehe nur die meisten Finales u. Rondos in seinen Instrum. Werken ‒ der erste musikalische Novellist u. Erzähler genannt zu werden verdient. („Himmlische Länge“ mit allen ihren Fehlern.) [Draft of these two paragraphs is Ser. A, p. 3]

Ser. B, {1} [undated] Man kann eine Gallerie spezifische Schubert’scher Harmoniewendungen aufstellen. 4

© Transcription Ian Bent, 2017

February 12

The Neue Revue plays a dastardly trick on the article that I sent it (on the occasion of the Schubert centenary) 1 by using its contents in excerpted form for the "Miniatures," but sends the article back in order to avoid paying the additional 5 Florins (25 Florins instead of 20) that I had asked for. ... As has been demonstrated, there was no musical contributor other than me writing for the said paper. When I remonstrated at their dishonesty, Ser. A, {2} b Drs. Edmund Wengraf and Heinrich Osten retorted that despite its admitted originality the same idea could easily have occurred to someone else ... I was generally advised to take legal action, but my retaliation proved to be much more instructive: I left the article with the paper, since as a result of the excerpting it was of no value, and lo and behold, the editors printed it (admittedly for 20 Florins) for a second time.

Prof. Jerusalem's stout recognition of me as a person. 2

February 12
Busoni: Serious, perhaps even gloomy, ... embittered, .. industrious, oftentimes imposing. ‒ Totally focused on matters artistic ‒ depending, of course, on one's understanding [of the word "artistic"]. Original in his Bach transcriptions, but with the remarkable lapse that, for example, he evidently reconceives J. S. Bach's Chaconne for Solo Violin first as an organ piece before he is able to derive from that a transcription in his own manner. Such a childishly roundabout way of doing things. How much greater and purer is the relationship to the Chaconne in the cases of Mendelssohn, Schumann, and Brahms. Especially the way that the last of these masters approaches a piano transcription of this work is all the ostensibly simpler, thus all the more profound, because he sought never to stray too far from the original, Ser. A, {3} b or even to do it any other kind of violence. But where on the other hand it was impossible at least to place the original on the piano in the same register, then for the time being he transposed the piece an octave lower purely in the interests of the best sonority; and in bringing the left hand alone into play for this reason he created a pianistic difficulty that offered a sufficient challenge to the pianist. In this way, Brahms's solution to the problem brought not only the piece but also the instrument into its own right and, what's more, in so simple a way. That just goes to show how it is ever only the genius who hits upon the simply beautiful and uniquely right solution! Not to mention what a boon Brahms alone was able to draw from his encounter with the Chaconne: see the Passacaglia in his Fourth Symphony. [Draft as far as " Schumann, and Brahms" in Ser. A, p. 3]

Schubert exhibition: 3 Schubert sketches the outline of a new composition solely in the melodic line of the song.

Schwind, himself unembarrased, surrounded by so many of his own anecdotal genre paintings: it is as if the atmosphere of the experience was not only radiating outward from him but also flowing back to him! And the tempestuous desire to tell stories! In this respect also related to Schubert, who on many fronts ‒ just consider most of the finales and rondos of his instrumental works ‒ deserves to be called the first musical novelist and story-teller. ("Heavenly length," with all its errors.) [Draft of these two paragraphs is Ser. A, p. 3]

Ser. B, {1} [undated] It would be possible to assemble a gallery of specifically Schubertian harmonic progressions. 4

© Translation Ian Bent, 2017

Footnotes

1 Schubert was born on January 31, 1797. The article is presumably Schenker's "Ein Epilog zur Schubertfeier," Neue Revue, Jg. 8, No. 7 (February 12, 1897), pp. 211‒16; for text see Hellmut Federhofer, ed., Heinrich Schenker als Essayist und Kritiker ... (Hildesheim: Georg Olms, 1990), pp. 209‒16. — This diary entry is undated: tentative editorial dating rests on this evidence.

2 This is seemingly the only mention of this name in Schenkerian papers: a Wilhelm Jerusalem lived in Vienna in 1897, described as "Gymasium Professor" and "Universitäts Doctor," address Vienna VIII, Daungasse 1. It is unclear why he should recognize Schenker, or why Schenker should record the fact.

3 The Schubert exhibition is discussed in the Neue freie Presse for January 31 (the centenary of Schubert's birth), p. 4, col. 3, under "Kleine Chronik." It was held on the first floor of the Künstlerhaus, the advertisement (ibid, p. 15) reading: "The city of Vienna's Schubert exhibition in conjunction with an exhibition of outstanding works of Moriz von Schwind, Josef Danhauser and Leopold Kupelwieser. Daily 9 a.m. to 7 p.m." — The entry, undated in Series A and B, has been assumed to relate to February 12, though it is impossible to know which day Schenker actually visited the exhibition.

4 This item is taken from Series B (Schenker's drafts), p. 1. It is entirely undated: all that can be said is that it appears before the first item dated to 1898, on p. 2. It has here been editorially placed after Schenker's report of the Schubert exhibition: the use of the word "Gallerie" suggests that Schenker is imagining a music-theoretical counterpart to that collection.