8. 10. 1903

Lieber u. verehrter Freund! 1

Mein Verleger hat Ihnen gestern die Orchesterstimmen zukommen lassen. 2 Die Partitur hat Schönberg gemacht, 3 wie ich sagte. Ein erster Blick sagt: R. Strauß ’sche Manier. Nicht mein persönlicher Geschmack, das Orchester zu setzen, indessen wird die Sache, wenn ich nicht irre, ganz gut klingen. Nun eine Bitte, lassen Sie, trotz den Strauss ’schen Füllseln, u. glissandos’ u. sonstigen im Grunde unnötigen Ingredienzien, das Orchester darüber durchaus nicht langsamer werden! Ob die Flötisten ihre Triolen herausbringen, oder nicht, ist Nebensache: Hauptsache ist {2} Hauptsache, welches Tempo, u. Raserei. Ich habe die Partitur vielfach corrigirt, (sie ist leider so undeutlich geschrieben!), auch sonst noch einige wichtige Winke gegeben, u. glaube, daß besonders No 2 am besten gelungen ist. Ich habe auch die Orchesterstimmen selbst corrigirt, um so angenehm als möglich den Musikern die Probe zu machen, u. Ihnen das Vorwärtskommen leisten. Leider habe ich die Doubletten zu No 1, 2, 3 gar nicht selbst gesehen u. wer weiß, welche Teufel sie in sich haben mögen?

Daher beschloß ich, No 4 heute selbst ganz (somit allen Doubletten) durchzusehen, dann u. es Ihnen morgen zukommen zu lassen, damit {3} wenigstens eine, was Copirfehler anbelangt, todtsichere Nummer zur Verfügung stehe, sollten die übrigen Doubletten 4 allzu fehlerhaft sein.

Ich will nach Berlin kommen, – wann Bedürfnis findet die erste oder letzte Probe statt? Wollen Sie mir das gütigst schreiben.

Es wird Sie zum Schluß freuen, zu hören, daß unsere Gesellschaftsconcerte (im III ordentlichen Abend) Frauenchöre von mir 5 zur Aufführung bringen! – was in Wien viel heißt –, u. daß in Brünn die von mir im Vorjahre bearbeitete Cantate von Bach für Sopran u Bass, die ich mit sehr viel Erfolg hier producirte u. dirigirte, zu Wiederholung gelangt. 6 Auch habe {4} – Ihrem immer so sicher wirkenden Beispiele nach – die Philharmoniker die Tänze in Aussicht genommen. Nun ging Hellmesberger weg, – der Dirigent ist noch unbekannt, – jedenfalls wird Löwe im Concertverein die Tänze Ihnen nach aufführen.

Zum Schluß eine Bitte: der bekannte Correspondent (auch als Schriftsteller sehr geschätzt) der „N. fr. Presse“, H. Dr. Paul Goldmann Berlin , Dessauerstr. 19 wünscht wegen meiner kleinen Stücke von Ihnen zum betreffenden Concerte eingeladen zu werden. Thuun [sic] Sie es mir zu Liebe, auch in Rücksicht auf den gediegenen Manne der [?Kaui] Musikreferent ist, dennoch aber offenbar schreiben will nach Wien.

{5} Und noch Eins: der Verleger bittet um Belassung des Titels, da er im Falle eines Erfolges nicht die 4-händigen Stücke verkaufen könnte, u. auch z.B. in Wien nicht unter einem anderen Titel die Sachen aufführen lassen könnte. Also der Gesichtspunkt der Einheitlichkeit für Berlin u. Wien, u. der Verkauf der Stücken sind ihm Massgeber.

Auch mir glaube ich, thu [sic] Sie einen Gefallen. Ich fürchte mich vor einem „jüdischen Composition“. Hat {6} doch in letzter Woche ein jüdischer Studentenverein mi tr die Chormeisterstelle angetragen: – – „nein, nein“, das geht nicht. Das kann mir sehr, sehr Schade, – zumal ich sehr viel Chancen zu einer Theorieprofessur am hiesigen Conservatorium habe. 7

Ihnen aber für alle Liebe, Mühe, Theilnahme besten, besten Dank im Vorhinein. Bald hoffe ich ihn, spätestens {7} etwa am 14ten, mündlich abstatten zu können.

Mit mir kommen zwei junge Freunde. 8

Viele, viele Grüße an Sie u. Ihre Frau Gemalin .

Ich muß nun weiter corrigiren!


Ihr ergeb. u.
dankbarer
[signed:] H Schenker

© Transcription Ian Bent, 2022


October 8, 1903

Dear and revered friend, 1

My publisher yesterday dispatched the orchestral parts to you. 2 Schoenberg did the score. 3 A first glance I see [that it is scored in] Richard Strauss style. Not my personal taste in orchestration; however, if I’m not mistaken, the piece sounds really well. Now I have a request: Don’t let the orchestra, despite the Straussian padding, glissandi and other esssentially unnecessary ingredients, get any slower as a result. Whether the flutists can execute their triplets or not is a minor matter; the chief thing is {2} the material itself, what tempo, and intensity. I have corrected the score in many places (it is unfortunately so unclearly written!), and given several important indications, and I believe that No. 2, in particular, is the most successful. I have also corrected the orchestral parts myself so as to make the rehearsal as comfortable as possible for the players, and to enable you to make progress. Unfortunately, I have not myself seen the octave doublings in Nos 1, 2, and 3, and who knows what bogies they may have lurking in them?

I therefore decided today to go over No. 4 with a fine-tooth comb myself (thus all the doublings) and send it off to you tomorrow, so that {3} – as far as copying errors are concerned – at least one dead certain number is available to you, even if the other doublings 4 should prove to be riddled with errors.

I will be coming to Berlin – when do you expect the first or last rehearsal to take place? Please kindly write and let me know.

Finally, you will be pleased to hear that our [Music] Society concerts ( in the third non-subscription evening) are to give a performance of choruses for female voices of mine 5 – a big deal for Vienna! And that an arrangement by me made last year of a cantata for soprano and bass by Bach, which I produced and directed to great success here will be repeated in Brünn. 6 Also, {4} – following your so securely effective example – the Philharmonic is holding out the prospect of the Dances . Now Hellmesberger has left – the conductor is still unknown – in any case, Löwe in the Concert Society will perform the Dances according to you.

To close, a request: the well-known correspondent (also very highly thought of as a writer) of the Neue freie Presse , Dr. Paul Goldmann, Berlin, Dessauerstrasse 19, wishes to be invited by you to the concert in question on account of my modest pieces. Please do it for my sake, and also in deference to the sterling man, who is the [?Kaui] music correspondent, but nevertheless will certainly write to Vienna.

{5} And one other thing: the publisher asks that the title be retained since, in the event of a success, he would not be able to sell the four-handed pieces and also, for example, in Vienna would not be able to have the pieces performed under another title. Hence the element of consistency between Berlin and Vienna, and the sale of the pieces, are critical considerations for him.

Also, I believe you are doing me a favor. I am afraid of a “Jewish composition.” {6} In the very last week a Jewish student society has offered me the position of choirmaster – “No, no,” that’s not what I want! That could do me a lot of harm, especially as I stand a very good chance of a theory professorship at the Conservatory here. 7

But warmest, warmest of thanks to you in advance for all your love, trouble, and collaboration. Soon, I hope, on the {7} 14th at the latest, to be able to pay you a visit in person.

With me will be coming two young friends. 8

Many many greetings to you and your wife.

Now I must get on with correcting.


Your devoted and
grateful
[signed:] H Schenker

© Translation Ian Bent, 2022


8. 10. 1903

Lieber u. verehrter Freund! 1

Mein Verleger hat Ihnen gestern die Orchesterstimmen zukommen lassen. 2 Die Partitur hat Schönberg gemacht, 3 wie ich sagte. Ein erster Blick sagt: R. Strauß ’sche Manier. Nicht mein persönlicher Geschmack, das Orchester zu setzen, indessen wird die Sache, wenn ich nicht irre, ganz gut klingen. Nun eine Bitte, lassen Sie, trotz den Strauss ’schen Füllseln, u. glissandos’ u. sonstigen im Grunde unnötigen Ingredienzien, das Orchester darüber durchaus nicht langsamer werden! Ob die Flötisten ihre Triolen herausbringen, oder nicht, ist Nebensache: Hauptsache ist {2} Hauptsache, welches Tempo, u. Raserei. Ich habe die Partitur vielfach corrigirt, (sie ist leider so undeutlich geschrieben!), auch sonst noch einige wichtige Winke gegeben, u. glaube, daß besonders No 2 am besten gelungen ist. Ich habe auch die Orchesterstimmen selbst corrigirt, um so angenehm als möglich den Musikern die Probe zu machen, u. Ihnen das Vorwärtskommen leisten. Leider habe ich die Doubletten zu No 1, 2, 3 gar nicht selbst gesehen u. wer weiß, welche Teufel sie in sich haben mögen?

Daher beschloß ich, No 4 heute selbst ganz (somit allen Doubletten) durchzusehen, dann u. es Ihnen morgen zukommen zu lassen, damit {3} wenigstens eine, was Copirfehler anbelangt, todtsichere Nummer zur Verfügung stehe, sollten die übrigen Doubletten 4 allzu fehlerhaft sein.

Ich will nach Berlin kommen, – wann Bedürfnis findet die erste oder letzte Probe statt? Wollen Sie mir das gütigst schreiben.

Es wird Sie zum Schluß freuen, zu hören, daß unsere Gesellschaftsconcerte (im III ordentlichen Abend) Frauenchöre von mir 5 zur Aufführung bringen! – was in Wien viel heißt –, u. daß in Brünn die von mir im Vorjahre bearbeitete Cantate von Bach für Sopran u Bass, die ich mit sehr viel Erfolg hier producirte u. dirigirte, zu Wiederholung gelangt. 6 Auch habe {4} – Ihrem immer so sicher wirkenden Beispiele nach – die Philharmoniker die Tänze in Aussicht genommen. Nun ging Hellmesberger weg, – der Dirigent ist noch unbekannt, – jedenfalls wird Löwe im Concertverein die Tänze Ihnen nach aufführen.

Zum Schluß eine Bitte: der bekannte Correspondent (auch als Schriftsteller sehr geschätzt) der „N. fr. Presse“, H. Dr. Paul Goldmann Berlin , Dessauerstr. 19 wünscht wegen meiner kleinen Stücke von Ihnen zum betreffenden Concerte eingeladen zu werden. Thuun [sic] Sie es mir zu Liebe, auch in Rücksicht auf den gediegenen Manne der [?Kaui] Musikreferent ist, dennoch aber offenbar schreiben will nach Wien.

{5} Und noch Eins: der Verleger bittet um Belassung des Titels, da er im Falle eines Erfolges nicht die 4-händigen Stücke verkaufen könnte, u. auch z.B. in Wien nicht unter einem anderen Titel die Sachen aufführen lassen könnte. Also der Gesichtspunkt der Einheitlichkeit für Berlin u. Wien, u. der Verkauf der Stücken sind ihm Massgeber.

Auch mir glaube ich, thu [sic] Sie einen Gefallen. Ich fürchte mich vor einem „jüdischen Composition“. Hat {6} doch in letzter Woche ein jüdischer Studentenverein mi tr die Chormeisterstelle angetragen: – – „nein, nein“, das geht nicht. Das kann mir sehr, sehr Schade, – zumal ich sehr viel Chancen zu einer Theorieprofessur am hiesigen Conservatorium habe. 7

Ihnen aber für alle Liebe, Mühe, Theilnahme besten, besten Dank im Vorhinein. Bald hoffe ich ihn, spätestens {7} etwa am 14ten, mündlich abstatten zu können.

Mit mir kommen zwei junge Freunde. 8

Viele, viele Grüße an Sie u. Ihre Frau Gemalin .

Ich muß nun weiter corrigiren!


Ihr ergeb. u.
dankbarer
[signed:] H Schenker

© Transcription Ian Bent, 2022


October 8, 1903

Dear and revered friend, 1

My publisher yesterday dispatched the orchestral parts to you. 2 Schoenberg did the score. 3 A first glance I see [that it is scored in] Richard Strauss style. Not my personal taste in orchestration; however, if I’m not mistaken, the piece sounds really well. Now I have a request: Don’t let the orchestra, despite the Straussian padding, glissandi and other esssentially unnecessary ingredients, get any slower as a result. Whether the flutists can execute their triplets or not is a minor matter; the chief thing is {2} the material itself, what tempo, and intensity. I have corrected the score in many places (it is unfortunately so unclearly written!), and given several important indications, and I believe that No. 2, in particular, is the most successful. I have also corrected the orchestral parts myself so as to make the rehearsal as comfortable as possible for the players, and to enable you to make progress. Unfortunately, I have not myself seen the octave doublings in Nos 1, 2, and 3, and who knows what bogies they may have lurking in them?

I therefore decided today to go over No. 4 with a fine-tooth comb myself (thus all the doublings) and send it off to you tomorrow, so that {3} – as far as copying errors are concerned – at least one dead certain number is available to you, even if the other doublings 4 should prove to be riddled with errors.

I will be coming to Berlin – when do you expect the first or last rehearsal to take place? Please kindly write and let me know.

Finally, you will be pleased to hear that our [Music] Society concerts ( in the third non-subscription evening) are to give a performance of choruses for female voices of mine 5 – a big deal for Vienna! And that an arrangement by me made last year of a cantata for soprano and bass by Bach, which I produced and directed to great success here will be repeated in Brünn. 6 Also, {4} – following your so securely effective example – the Philharmonic is holding out the prospect of the Dances . Now Hellmesberger has left – the conductor is still unknown – in any case, Löwe in the Concert Society will perform the Dances according to you.

To close, a request: the well-known correspondent (also very highly thought of as a writer) of the Neue freie Presse , Dr. Paul Goldmann, Berlin, Dessauerstrasse 19, wishes to be invited by you to the concert in question on account of my modest pieces. Please do it for my sake, and also in deference to the sterling man, who is the [?Kaui] music correspondent, but nevertheless will certainly write to Vienna.

{5} And one other thing: the publisher asks that the title be retained since, in the event of a success, he would not be able to sell the four-handed pieces and also, for example, in Vienna would not be able to have the pieces performed under another title. Hence the element of consistency between Berlin and Vienna, and the sale of the pieces, are critical considerations for him.

Also, I believe you are doing me a favor. I am afraid of a “Jewish composition.” {6} In the very last week a Jewish student society has offered me the position of choirmaster – “No, no,” that’s not what I want! That could do me a lot of harm, especially as I stand a very good chance of a theory professorship at the Conservatory here. 7

But warmest, warmest of thanks to you in advance for all your love, trouble, and collaboration. Soon, I hope, on the {7} 14th at the latest, to be able to pay you a visit in person.

With me will be coming two young friends. 8

Many many greetings to you and your wife.

Now I must get on with correcting.


Your devoted and
grateful
[signed:] H Schenker

© Translation Ian Bent, 2022

Footnotes

1 This is the last of the known surviving letters between Schenker and Busoni. Schenker’s diary for October 9, 1903 states: “Orchesterstimmen der „Syrischen Tänze“ für Busoni’s Abend in Berlin corrigiert.” (“Orchestral parts for my Syrian Dances for Busoni's evening in Berlin corrected.”), which agrees with Schenker’s parting remark in the present letter. Thereafter there is an entry for November 4 that covers also November 5: “Nach Berlin mit Floriz, bei Brodes, zu schnelle Tempi im Vortrage Busonis. Schlimme „Kritiken“.” (“To Berlin with Floriz, at Brodes's place; tempi in Busoni's performance too fast; dreadful "reviews."”). Later diary entries provide no record of further correspondence. — This letter is written in Sütterlinschrift, with heavy use of Lateinschrift for proper and personal names, and loan words.

2 OJ 15/12, [5], October 6, 1903, Weinberger to Schenker, assesses the state of corrections of the orchestral parts and reports that it will be sending them to Busoni immediately. A second letter, OJ 15/12, [6], of the same date, reports that illnesses of copyists is delaying the work, but assuring Schenker that the material will be sent to Busoni by the 8th deadline. In OJ 14/15, [6], October 13, 1903?, Schoenberg asks Schenker how things stand, whether the materials have been sent to Busoni, and if so how Busoni has reacted.

3 By “hat gemacht” he means not only that Schoenberg scored the pieces but that the score is in his hand.

4 i.e. the doublings in the other numbers.

5 Drei Gesänge für Frauenstimmen a cappella, Op. 8, unpublished, preserved as OJ 22/10–13; cf. Benjamin McKay Ayotte, ed., Heinrich Schenker: A Guide to Research (New York: Routledge, 2004), pp. 16–18, with score incipits (a fourth chorus, OJ 22/13, is included).

6 Probably J. S. Bach, “Selig ist der Mann,“ BWV 57, cantata for soprano, bass, chorus, and orchestra, which Schenker arranged in 1902 and subsequently performed.

7 This significant remark is the clearest early indication of an interest on Schenker’s part in securing a theory professorship at the Vienna Conservatory. It comes three years before the publication of his Harmonielehre at a time when he was probably writing his unpublished Das Tonsystem: see Robert Wason, "From Harmonielehre to Harmony: Schenker’s Theory of Harmony and its Americanization," in Martin Eybl, ed., Schenker Traditionen: Eine Wiener Schule der Musiktheorie und ihre internationale Verbreitung (Vienna: Böhlau Verlag, 2006), pp. 171–201.
— A letter to Franz Adalbert Seligmann of July 25, 1903 (WSLB I.N. 95664) reveals his conviction that his just-published Beitrag zur Ornamentik would advance his name far more if only the latter were preceded by “Professor,” and that he is pinning his hopes on a recommendation from Mahler to the Conservatory. There are other, vaguer remarks in the correspondence with Moriz Violin.

8 Schenker’s diary for November 4, 1903 gives only: “Nach Berlin mit Floriz …” (“To Berlin with Floriz …“. He had said earlier that he hoped his “friend” (and pupil) Baron Alphons von Rothschild would accompany him (Sbb B II 4432, September 9, 1903); either that plan failed, or Rothschild traveled separately.