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OJ 9/34, [14] - Handwritten letter from Cube to Schenker, dated October 4, 1928
Recht vielen Dank für Ihre beiden Karten. 2 Die Sache in Hamburg ist sehr erfreulich! 3 Diese natürlich-proportionale Ausbreitung Ihrer Lehre ist wiederum ein schöner Beweis ihrer Natur-Gültigkeit. Die Idee mit den Riesentafeln ist gut. Ich selbst pflegte in ähnlichen Fällen bisher die Stimmführungsbilder mit weisser und roter Kreide auf richtigen Notenschultafeln zu entwickeln. Das langsame Entstehen der Bilder von den Augen der Zuhörer hat, so glaube ich, auch sehr viel für sich. Zuletzt brachte ich den ersten Satz der op.27 N o 2 von Beethoven, eine Chopin-Etüde, ein Präludium aus dem Wohlt. Klavier, eine Mozart-sonate und ähnliches mehr – auch direkt aus dem Stegreif. 4 Die Werdener 5 Escapade ist tragikomisch verlaufen. Ich musste annehmen, dass es sich um eine ernste, wissenschaftliche Zusammenkunft handle, statt dessen geriet ich in eine Versammlung halbwüchsiger Seminaristen, die hauptsächlich Volkstänze und Choralsingen exerzierten. Ein einziger Theoriefachmann hatte sich gleich mir dorthin verirrt – den habe ich noch schnell bekehrt. Als ihm die Schuppen von den Augen gefallen waren, und sein Staunen sich in heftiges Interesse gewandelt hatte, verliess ich ihn und die ganze Schulmusikwoche mit Segenswünschen, und begab mich wieder nach Hause. Der Name des jungen Mannes ist Dr. Hans Albrecht. 6 Er ist Theorielehrer am Konservatorium in Essen. Meine nächsste Aufgabe besteht in einer Reise nach Köln, die etwa in 14 Tagen fällig ist, um mit Braunfels 7 über die mögliche Aufstellung einer Arbeitsgemeinschaft für Ihre Theorien zu sprechen. Das dürfte der beste Weg sein, um eines Tages unversehens in die Hochschule hineinzurutschen. Das hiesige Musik- und Konservatoriumsleben wird mehr und mehr zur Farce. Daran ändern auch die pompösen Konzerte nichts mehr. Trotz Leo Blech, 8 Reichenberger, Schillings 9 und Busch bilanzieren wir Minus. Der {2} Duisburger Stahl- und Kohlensklave ist veredelungsunfähig. 10 Das Musikleben ein Koloss auf tönernen Füssen. Ich lamentiere nicht darüber, wie die Kollegenheit ringsum, (auch mein Einkommen hat sich um 40% verringert) aber ich suche mich mit aller Energie zu verändern – und zu verbessern. Also auf nach Köln! Reichenberger, der meine Eltern kennen lernte, will Composition von mir lesen. Ich will ihm etliches schicken. (Schaden kann es nie). An meiner zweiten Sonate fehlt ein Stück vom letzten Satz. Es ist schwer, und will nicht recht geraten. Allzulange wird’s nicht mehr dauern. Dann kommt Kammermusik dran. Alles hübsch der Reihe nach. Wenn es so weit ist, will ich Sie um Rat bitten, wie man an die Verleger herankommt. Meine erste Sonate ist zum Componistenwettbewerb eingereicht. Demnächst ist hier ein Schubertfest. Dazu werde ich über Aufforderung die einleitenden Worte sprechen, und mich durchaus nicht scheuen, den Phäakenseelen 11 hier ein bischen die Wahrheit zu sagen. Mein Rundfunk-Ohr ist durch einen neuen, sehr guten Lautsprecher bereichert. Radio Wien höre ich oft und gern. Immer die Sinfoniekonzerte, und die lieben Tautenhayns. Ausgezeichnete Musik machen die Engländer. Der Clown „Grock“ 12 stellte sich als Cellist vor. Weit das beste, was ich seit langem gehört habe! Die Conzerte unter Henry Wood 13 sind eine Ohrenweide. Dagegen erinnert der neue Hindemith mehr und mehr an einen losgelassenen Hühnerhof. 14 Die Hammer-Radierung 15 geht mit gleicher Post an Sie ab. Nochmals herzlichen Dank dafür. Für heute die besten Grüsse Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin. Nach der Kölnerreise wieder mehr von Ihrem [signed:] Cube. © Transcription William Drabkin, 2006 |
Very many thanks for your two cards. 2 The Hamburg idea sounds very agreeable. 3 This naturally proportional dissemination of your theory is an elegant proof of its validity in nature. The idea of gigantic graphs is a good one. Hitherto, in similar situations, I myself used to develop voice-leading graphs with white and red chalk on proper school blackboards with staves. The slow evolution of the graphs before the eyes of the audience also has, I believe, a great deal to recommend it. Most recently I rendered the first movement of Beethoven's "Moonlight" Sonata, a Chopin etude, a prelude from the Well-Tempered Clavier , a sonata by Mozart, and more of that sort of thing – sometimes directly out of my head. 4 The Werden 5 escapade came off in tragicomic fashion. I had assumed that it would be a serious meeting of scholars; instead I joined a gathering of half-educated students who mainly practised folk dancing and choral singing. A single expert in theory had, like myself, erroneously made his way there; I quickly converted him. As his eyes were opened wide, and his amazement changed into the most vivid interest, I took my leave of him, and the entire school music week, with my kindest wishes and returned home. The name of the young man is Dr Hans Albrecht. 6 He is a theory teacher at the conservatory in Essen. My next assignment consists of a trip to Cologne, in about a fortnight, to talk with Braunfels 7 about the possibility of setting up a working group for your theories. This may be the best way to slip into the Conservatory one day, unexpectely. The local music life, and that of the conservatory, is becoming increasingly farcical; even the pompous concerts do not change things any more. In spite of Leo Blech, 8 Reichenberger, Schillings 9 and Busch we are making a loss. The {2} slaves who are employed by the Duisburg steel and coal works are incapable of dignification. 10 The musical life is a collosus built on clay feet. I do not lament this situation, like my colleagues around me (even though my income has gone down by forty percent); but I try with all my might to change my lot, and to improve myself. So on to Cologne! Reichenberger, who made the acquaintance of my parents, wants to read my compositions. I will send him various things. (It cannot do any harm.) In the last movement of my second sonata a section is missing; it is difficult, and just does not come out right; but it will not take me too much longer to finish. Then I will turn to chamber music: everything slowly, one at a time. When I have progressed far enough, I shall ask you for advice about approaching publishers. My first sonata has been submitted in the composers' competition. There is soon to be a Schubert festival here. For this I have been invited to give the opening address; and will by no means shy away from telling the truth a bit to the Phaeacians. 11 I have upgraded my radio receiver with a new, very good loudspeaker. I listen to Radio Vienna often, and with pleasure: all of the symphony concerts, and the charming Tautenhayn programmes. The English perform music excellently. The clown "Grock" 12 presented himself as a cellist: by far the best that I have heard in a long time. The concerts directed by Henry Wood 13 are a feast for the ears. By contrast, Hindemith's latest music reminds me increasingly of a liberated chicken farm. 14 The Hammer etching 15 will be sent in the same posting as this letter; once again, my heartfelt thanks for it. © Translation William Drabkin, 2006 |
Recht vielen Dank für Ihre beiden Karten. 2 Die Sache in Hamburg ist sehr erfreulich! 3 Diese natürlich-proportionale Ausbreitung Ihrer Lehre ist wiederum ein schöner Beweis ihrer Natur-Gültigkeit. Die Idee mit den Riesentafeln ist gut. Ich selbst pflegte in ähnlichen Fällen bisher die Stimmführungsbilder mit weisser und roter Kreide auf richtigen Notenschultafeln zu entwickeln. Das langsame Entstehen der Bilder von den Augen der Zuhörer hat, so glaube ich, auch sehr viel für sich. Zuletzt brachte ich den ersten Satz der op.27 N o 2 von Beethoven, eine Chopin-Etüde, ein Präludium aus dem Wohlt. Klavier, eine Mozart-sonate und ähnliches mehr – auch direkt aus dem Stegreif. 4 Die Werdener 5 Escapade ist tragikomisch verlaufen. Ich musste annehmen, dass es sich um eine ernste, wissenschaftliche Zusammenkunft handle, statt dessen geriet ich in eine Versammlung halbwüchsiger Seminaristen, die hauptsächlich Volkstänze und Choralsingen exerzierten. Ein einziger Theoriefachmann hatte sich gleich mir dorthin verirrt – den habe ich noch schnell bekehrt. Als ihm die Schuppen von den Augen gefallen waren, und sein Staunen sich in heftiges Interesse gewandelt hatte, verliess ich ihn und die ganze Schulmusikwoche mit Segenswünschen, und begab mich wieder nach Hause. Der Name des jungen Mannes ist Dr. Hans Albrecht. 6 Er ist Theorielehrer am Konservatorium in Essen. Meine nächsste Aufgabe besteht in einer Reise nach Köln, die etwa in 14 Tagen fällig ist, um mit Braunfels 7 über die mögliche Aufstellung einer Arbeitsgemeinschaft für Ihre Theorien zu sprechen. Das dürfte der beste Weg sein, um eines Tages unversehens in die Hochschule hineinzurutschen. Das hiesige Musik- und Konservatoriumsleben wird mehr und mehr zur Farce. Daran ändern auch die pompösen Konzerte nichts mehr. Trotz Leo Blech, 8 Reichenberger, Schillings 9 und Busch bilanzieren wir Minus. Der {2} Duisburger Stahl- und Kohlensklave ist veredelungsunfähig. 10 Das Musikleben ein Koloss auf tönernen Füssen. Ich lamentiere nicht darüber, wie die Kollegenheit ringsum, (auch mein Einkommen hat sich um 40% verringert) aber ich suche mich mit aller Energie zu verändern – und zu verbessern. Also auf nach Köln! Reichenberger, der meine Eltern kennen lernte, will Composition von mir lesen. Ich will ihm etliches schicken. (Schaden kann es nie). An meiner zweiten Sonate fehlt ein Stück vom letzten Satz. Es ist schwer, und will nicht recht geraten. Allzulange wird’s nicht mehr dauern. Dann kommt Kammermusik dran. Alles hübsch der Reihe nach. Wenn es so weit ist, will ich Sie um Rat bitten, wie man an die Verleger herankommt. Meine erste Sonate ist zum Componistenwettbewerb eingereicht. Demnächst ist hier ein Schubertfest. Dazu werde ich über Aufforderung die einleitenden Worte sprechen, und mich durchaus nicht scheuen, den Phäakenseelen 11 hier ein bischen die Wahrheit zu sagen. Mein Rundfunk-Ohr ist durch einen neuen, sehr guten Lautsprecher bereichert. Radio Wien höre ich oft und gern. Immer die Sinfoniekonzerte, und die lieben Tautenhayns. Ausgezeichnete Musik machen die Engländer. Der Clown „Grock“ 12 stellte sich als Cellist vor. Weit das beste, was ich seit langem gehört habe! Die Conzerte unter Henry Wood 13 sind eine Ohrenweide. Dagegen erinnert der neue Hindemith mehr und mehr an einen losgelassenen Hühnerhof. 14 Die Hammer-Radierung 15 geht mit gleicher Post an Sie ab. Nochmals herzlichen Dank dafür. Für heute die besten Grüsse Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin. Nach der Kölnerreise wieder mehr von Ihrem [signed:] Cube. © Transcription William Drabkin, 2006 |
Very many thanks for your two cards. 2 The Hamburg idea sounds very agreeable. 3 This naturally proportional dissemination of your theory is an elegant proof of its validity in nature. The idea of gigantic graphs is a good one. Hitherto, in similar situations, I myself used to develop voice-leading graphs with white and red chalk on proper school blackboards with staves. The slow evolution of the graphs before the eyes of the audience also has, I believe, a great deal to recommend it. Most recently I rendered the first movement of Beethoven's "Moonlight" Sonata, a Chopin etude, a prelude from the Well-Tempered Clavier , a sonata by Mozart, and more of that sort of thing – sometimes directly out of my head. 4 The Werden 5 escapade came off in tragicomic fashion. I had assumed that it would be a serious meeting of scholars; instead I joined a gathering of half-educated students who mainly practised folk dancing and choral singing. A single expert in theory had, like myself, erroneously made his way there; I quickly converted him. As his eyes were opened wide, and his amazement changed into the most vivid interest, I took my leave of him, and the entire school music week, with my kindest wishes and returned home. The name of the young man is Dr Hans Albrecht. 6 He is a theory teacher at the conservatory in Essen. My next assignment consists of a trip to Cologne, in about a fortnight, to talk with Braunfels 7 about the possibility of setting up a working group for your theories. This may be the best way to slip into the Conservatory one day, unexpectely. The local music life, and that of the conservatory, is becoming increasingly farcical; even the pompous concerts do not change things any more. In spite of Leo Blech, 8 Reichenberger, Schillings 9 and Busch we are making a loss. The {2} slaves who are employed by the Duisburg steel and coal works are incapable of dignification. 10 The musical life is a collosus built on clay feet. I do not lament this situation, like my colleagues around me (even though my income has gone down by forty percent); but I try with all my might to change my lot, and to improve myself. So on to Cologne! Reichenberger, who made the acquaintance of my parents, wants to read my compositions. I will send him various things. (It cannot do any harm.) In the last movement of my second sonata a section is missing; it is difficult, and just does not come out right; but it will not take me too much longer to finish. Then I will turn to chamber music: everything slowly, one at a time. When I have progressed far enough, I shall ask you for advice about approaching publishers. My first sonata has been submitted in the composers' competition. There is soon to be a Schubert festival here. For this I have been invited to give the opening address; and will by no means shy away from telling the truth a bit to the Phaeacians. 11 I have upgraded my radio receiver with a new, very good loudspeaker. I listen to Radio Vienna often, and with pleasure: all of the symphony concerts, and the charming Tautenhayn programmes. The English perform music excellently. The clown "Grock" 12 presented himself as a cellist: by far the best that I have heard in a long time. The concerts directed by Henry Wood 13 are a feast for the ears. By contrast, Hindemith's latest music reminds me increasingly of a liberated chicken farm. 14 The Hammer etching 15 will be sent in the same posting as this letter; once again, my heartfelt thanks for it. © Translation William Drabkin, 2006 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/2, p. 3263, October 6, 1928: "Von v. Cube (Br.): über die geplante Reise nach Köln u. sonstige Erlebnisse. Hammers Bild kommt zurück." ("From von Cube (letter): about his planned trip to Cologne and other experiences. Hammer's picture comes back."). 2 OJ 5/7a, [18], September 6, 1928 and OJ 5/7a, [19], September 29, 1928. 3 In OJ 5/7a, [18], September 6, 1928, Schenker reported that the Hamburg Tonkünstlerverein had used graphs on "large boards" for teaching purposes, also more specifically in OJ 5/7a, [29], July 22, 1929. 4 Some of these analyses were set out formally in Cube's Lehrbuch der musikalischen Kunstgesetze, begun in Hamburg in the mid-1930s and used there for teaching purposes. 5 Werden: A small town on Lake Balden, just south of Essen. 6 Hans Albrecht (1902–61), German musicologist who studied at Essen Conservatory 1912–21, then in Berlin, after which he taught in several places over the following twelve years. He was active in the Reichsverband Deutscher Tonkünstler and Musiklehrer. 7 Walter Braunfels (1882–1954), German composer and pianist. In 1925, he established the Hochschule für Musik in Cologne, and remained its director until forced out of office in 1933. 8 Leo Blech (1871–1958), German conductor and composer, conductor at the Berlin Staatsoper 1926–37. 9 Max von Schillings (1868–1933), German composer and conductor, most recently Intendant at the Berlin Opera 1918(?)-25. 10 veredelungsunfähig: Cube is playing on the double meaning of edel. In describing the people of Duisburg as being incapable of understanding the refinements of art, he alludes to the process whereby the city's chief industrial product, steel, is refined to become Edelstahl ("stainless steel"). 11 Carefree people who enjoy the good life. The Phaecians inhabited the mythical island of Scheria, where Odysseus was lavishly enteretained before making the final leg of his voyage to Ithaca. 12 Stage name of the actor Adrian Wettach. 13 Henry Wood (1869-1944), creator of the Henry Wood Promenade Concerts given in the Royal Albert Hall, London and broadcast by the British Broadcasting Corporation. 14 Cube may be playing here to his teacher's antipathy towards the music of Paul Hindemith, as expressed in the "Miscellanea" of the recently published second volume of Das Meisterwerk in der Musik. 15 Schenker had supplied Cube with two engravings of himself by Victor Hammer for the exhibit in the Scheuermann bookstore in Duisburg in June for Schenker's 60th birthday, and instructed him not to return the second of these to him in Vienna until October. See OJ 5/7a, [17], July 13, 1928. |