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Danzig, 15. Juni 1926

Sehr ve[r]ehrter, lieber Meister! 1

Halten Sie mich ja nicht für einen Treulosen! Mein Schweigen war lediglich Ausdruck einer tiefen Bitternis über alle Theaterzustände – und Theatersorgen. Ich war aufgebraucht davon, ganz in Anspruch genommen und so hätte ich gelogen, wenn ich in dieser Zeit mit Ihnen von Dingen gesprochen hätte, die mich – leider Gottes – nicht bewegen konnten. Damit meine ich Musik über- {2} haupt, Musik an sich. Dazu kam ich in diesem Winter so gut, wie gar nicht. Eine ewige Operettenhetzjagd! An Opern habe ich „Martha“ und „Waffenschmied“ dirigiert; ferner „Fledermaus“ und „Zigeunerbaron.“ 2

Ich wäre ja in der nächsten Spielzeit so gerne an ein anderes Theater gegangen, wo ich ganz große Dinge dirigieren kann, aber es herrscht ja ein derartiges Elend durch die Masse an „Kapellmeistern,“ daß man selig sein muss, nicht stellenlos zu sein.

Nun noch ein drittes Jahr Danzig. Wäre ich nicht durch Sie, lieber Herr Doctor, nicht so {3} geduldig geworden, ich wäre ganz verzweifelt. Sie können sich denken, wie langsam ich das Tempo meines Anlaufs zum Dirigieren finde. Furchtbar langsam!

Nun genug von mir! – Hören Sie von Hupka Erfreuliches? Er scheint sich in Köln doch allmählich durchgesetzt zu haben. Er dirigiert, so viel ich höre, große Opern. – Mein Freund Friedlaender, der zu Pfingsten kurze Zeit bei mir war, erzählt, daß das Dreimasken Jahrbuch muss endlich erscheinen werden! 3 Also geht’s Gottlob auch ohne „U.-E.!“

Hier spielte vor kurzem ein polnischer Pianist Stefan Askenase; 4 ich war nach {4} seinem Konzert mit ihm beisammen, erzählte ihn viel von Schenker. Er machte große Augen; sodann holte ich noch aus meiner Wohnung die Erläuterungsausgabe op. 111. Nächsten Morgen kam er, „er habe es verschlungen“ – er war ganz erschüttert, reiste mit meiner Erläuterungsausgabe, die ich ihm vorher feierlichst vermachte, beseligt von dannen. (– Übrigens kennt er Frau Pairamal).

Sie gehen wohl wieder nach Galtür? Auf ganz kurz würde ich Sie so gerne besuchen, vorausgesetzt, daß Sie nicht sehr {5} viel arbeiten wollen. Vrieslanders werden ja sicherlich bei Ihnen sein. Ich sehne mich nach Ruhe mit Bergen und Bergluft. Bis 25. Juli spielen wir leider noch durch. In dieser Hitze!

Ich hoffe, Ihnen in nicht allzulanger Zeit mündlich noch viel berichten zu können und bin mit herzlich ergebenen Grüßen an Sie und Ihre Frau Gemahlin


Ihr ewig dankbarer
[signed:] Carl Bamberger

© Transcription Ian Bent, 2022


Danzig, June 15, 1926

Greatly revered, dear Master, 1

Please don’t think me a faithless fellow! My silence was merely an expession of a deepfelt bitterness toward the whole condition of theater life – and theater woes. I was exhausted, totally absorbed [in them], and so would have lied if I had spoken to you at that time on things for which – alas – I had no feeling. By that I mean music in general, {2} music in its own right. This past winter I didn’t come so much as anywhere near it. It was an incessant procession of operettas! The nearest I got to operas was to conduct Martha and Waffenschmied, not to mention Fledermaus and Zigeunerbaron. 2

I would gladly have moved to another theater next season – some place where I could conduct really big pieces; but a sort of collective abjectness overtook all conductors, [a feeling] that one should be content not to be out of a job.

So [I’m to spend] a third year in Danzig. Had I not, thanks to you dear Dr. [Schenker], {3} become so patient, I would have been thrown into despair. You can well image how slow I feel the pace of my attempt at becoming a conductor is. Fearfully slow!

But now, enough of me! – Have you heard anything encouraging from Hupka? He does seem to have been gradually establishing himself in Cologne. From what I hear, he is conducting large-scale operas. – My friend Friedlaender, who was with me briefly at Whitsuntide, tells me that the Drei Masken Verlag Yearbook must at last be about to appear. 3 Praise God it is happening – what’s more, without Universal Edition!

A short while ago a Polish pianist, Stefan Askenase, 4 gave a performance here. I got together with him after {4} his concert, and was telling him a lot about Schenker. He was all eyes, so I went and fetched the Erläuterungsausgabe of Op. 111 from my home. Next morning, he appeared [saying] he “had devoured” it – he was completely staggered, and took my copy, which I had most solemnly bequeathed to him in advance, on his travels, going supremely happily on his way. (By the way, he is acquainted with Mrs. Pairamall.)

You will no doubt go to Galtür again? I would so love to visit you very briefly, provided that you are not wanting to do {5} a lot of work. The Vrieslanders will doubtless be with you there. I yearn for the peace of the mountains and mountain air. Sadly, we have to perform right through to July 25. In this heat!

I hope to be able to report much to you in person in the not too distant future. I remain, with cordially devoted greetings to you and your wife,


your eternally grateful
[signed:] Carl Bamberger

© Translation Ian Bent, 2022


Danzig, 15. Juni 1926

Sehr ve[r]ehrter, lieber Meister! 1

Halten Sie mich ja nicht für einen Treulosen! Mein Schweigen war lediglich Ausdruck einer tiefen Bitternis über alle Theaterzustände – und Theatersorgen. Ich war aufgebraucht davon, ganz in Anspruch genommen und so hätte ich gelogen, wenn ich in dieser Zeit mit Ihnen von Dingen gesprochen hätte, die mich – leider Gottes – nicht bewegen konnten. Damit meine ich Musik über- {2} haupt, Musik an sich. Dazu kam ich in diesem Winter so gut, wie gar nicht. Eine ewige Operettenhetzjagd! An Opern habe ich „Martha“ und „Waffenschmied“ dirigiert; ferner „Fledermaus“ und „Zigeunerbaron.“ 2

Ich wäre ja in der nächsten Spielzeit so gerne an ein anderes Theater gegangen, wo ich ganz große Dinge dirigieren kann, aber es herrscht ja ein derartiges Elend durch die Masse an „Kapellmeistern,“ daß man selig sein muss, nicht stellenlos zu sein.

Nun noch ein drittes Jahr Danzig. Wäre ich nicht durch Sie, lieber Herr Doctor, nicht so {3} geduldig geworden, ich wäre ganz verzweifelt. Sie können sich denken, wie langsam ich das Tempo meines Anlaufs zum Dirigieren finde. Furchtbar langsam!

Nun genug von mir! – Hören Sie von Hupka Erfreuliches? Er scheint sich in Köln doch allmählich durchgesetzt zu haben. Er dirigiert, so viel ich höre, große Opern. – Mein Freund Friedlaender, der zu Pfingsten kurze Zeit bei mir war, erzählt, daß das Dreimasken Jahrbuch muss endlich erscheinen werden! 3 Also geht’s Gottlob auch ohne „U.-E.!“

Hier spielte vor kurzem ein polnischer Pianist Stefan Askenase; 4 ich war nach {4} seinem Konzert mit ihm beisammen, erzählte ihn viel von Schenker. Er machte große Augen; sodann holte ich noch aus meiner Wohnung die Erläuterungsausgabe op. 111. Nächsten Morgen kam er, „er habe es verschlungen“ – er war ganz erschüttert, reiste mit meiner Erläuterungsausgabe, die ich ihm vorher feierlichst vermachte, beseligt von dannen. (– Übrigens kennt er Frau Pairamal).

Sie gehen wohl wieder nach Galtür? Auf ganz kurz würde ich Sie so gerne besuchen, vorausgesetzt, daß Sie nicht sehr {5} viel arbeiten wollen. Vrieslanders werden ja sicherlich bei Ihnen sein. Ich sehne mich nach Ruhe mit Bergen und Bergluft. Bis 25. Juli spielen wir leider noch durch. In dieser Hitze!

Ich hoffe, Ihnen in nicht allzulanger Zeit mündlich noch viel berichten zu können und bin mit herzlich ergebenen Grüßen an Sie und Ihre Frau Gemahlin


Ihr ewig dankbarer
[signed:] Carl Bamberger

© Transcription Ian Bent, 2022


Danzig, June 15, 1926

Greatly revered, dear Master, 1

Please don’t think me a faithless fellow! My silence was merely an expession of a deepfelt bitterness toward the whole condition of theater life – and theater woes. I was exhausted, totally absorbed [in them], and so would have lied if I had spoken to you at that time on things for which – alas – I had no feeling. By that I mean music in general, {2} music in its own right. This past winter I didn’t come so much as anywhere near it. It was an incessant procession of operettas! The nearest I got to operas was to conduct Martha and Waffenschmied, not to mention Fledermaus and Zigeunerbaron. 2

I would gladly have moved to another theater next season – some place where I could conduct really big pieces; but a sort of collective abjectness overtook all conductors, [a feeling] that one should be content not to be out of a job.

So [I’m to spend] a third year in Danzig. Had I not, thanks to you dear Dr. [Schenker], {3} become so patient, I would have been thrown into despair. You can well image how slow I feel the pace of my attempt at becoming a conductor is. Fearfully slow!

But now, enough of me! – Have you heard anything encouraging from Hupka? He does seem to have been gradually establishing himself in Cologne. From what I hear, he is conducting large-scale operas. – My friend Friedlaender, who was with me briefly at Whitsuntide, tells me that the Drei Masken Verlag Yearbook must at last be about to appear. 3 Praise God it is happening – what’s more, without Universal Edition!

A short while ago a Polish pianist, Stefan Askenase, 4 gave a performance here. I got together with him after {4} his concert, and was telling him a lot about Schenker. He was all eyes, so I went and fetched the Erläuterungsausgabe of Op. 111 from my home. Next morning, he appeared [saying] he “had devoured” it – he was completely staggered, and took my copy, which I had most solemnly bequeathed to him in advance, on his travels, going supremely happily on his way. (By the way, he is acquainted with Mrs. Pairamall.)

You will no doubt go to Galtür again? I would so love to visit you very briefly, provided that you are not wanting to do {5} a lot of work. The Vrieslanders will doubtless be with you there. I yearn for the peace of the mountains and mountain air. Sadly, we have to perform right through to July 25. In this heat!

I hope to be able to report much to you in person in the not too distant future. I remain, with cordially devoted greetings to you and your wife,


your eternally grateful
[signed:] Carl Bamberger

© Translation Ian Bent, 2022

Footnotes

1 Receipt of this letter is not recorded in Schenker’s diary, which however does record on June 20, 1926: “An Bamberger (K.): willkommen in Galtür.” (“To Bamberger (postcard): [he is] welcome in Galtür.”). — No contact between Schenker and Bamberger is recorded in Schenker’s diary between September 29, 1925 and the current letter.

2 Friedrich von Flotow, Martha, romantic comic opera (1847); Albert Lortzing, Der Waffenschmied, comic opera (1846); Johann Strauß II, Die Fledermaus, operetta (1874), and Der Zigeunerbaron, operetta (1885).

3 The first volume of Das Meisterwerk in der Musik , dated 1925, was released on June 21, 1926, six days after the writing of this letter.

4 Stefan Askenase [Ashkenase] (1896–1985), Polish pianist, born in Lemberg (Lviv), pupil of Theodor Pollak and Emil von Sauer, debut in Vienna in 1919, then toured internationally. Recorded the complete works of Chopin. (wikipedia)

Commentary

Format
5p letter, recto-verso, holograph salutation, message, valediction, and signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978-)
Rights Holder
Heirs and representatives of Carl Bamberger. Deemed to be in the public domain.
License
All reasonable attempts have been made to identify the heirs or representatives of Carl Bamberger. This document is deemed to be in the public domain. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2022-04-11
Last updated: 2011-06-09