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OJ 70/35, [7] - Typewritten letter from Schoenberg to Moriz Violin, dated April 9, 1940
⇧ ARNOLD SCHOENBERG 116 N. ROCKINGHAM AVE. BRENTWOOD PARK LOS ANGELES, – CALIF. TELEPHONE W. L. A. 35077 ⇧ Herrn Moriz Violin 1703 Scott Street San Francisco, Calif. April 9, 1940 Lieber Freund: 1 aufrichtig gestanden: ich bin sehr froh, dass Sie nicht den Fehler gemacht haben, den ich in den ersten drei, vier Jahren gemacht habe. Goethes Götz 2 konnte mich leider nicht abhalten, mir Feinde zu machen, Hauptleute noch dazu, die mir grössere Freundlichkeiten hätten erweisen können, als die, die auch Götz nicht erreicht hat. Und wer weiss ob sie ihm wohl bekommen hätte. aufrichtig gestanden: dieser Brief 3 ist in keiner Weise unverschämt gemeint. In einigen Jahren werden Sie mir recht geben: Amerikaner tun das nicht. Er meint in der Tat bloss, dass er von einem Menschen, den er engagieren sol[l], einen persönlichen Eindruck haben muss, den kein Brief, keine Empfehlung, keine Fotografie vermitteln kann, sondern nur persönlicher Kontakt. Und er meint, dass er, ohne Ihnen Garantie zu geben, nicht verlangen kann, dass Sie auf Ihre Kosten diese Reise machen. Das hätte vielleicht auch ich bedenken können, aber auch ich bin, nach sieben Jahren noch immer kein Native und weiss solche Sachen auch besser im Nachhinein. Auch, ich bin fest überzeugt, dieses "average" ist ein Missverständnis von Ihnen. Er meint selbstverständlich nicht, dass Sie ein Durchschnittsmusiker sind. Amerikaner praktizieren noch immer dieselbe Höflichkeit, die sie als Pionniere anwenden mussten, wo hinter einer Unhöflichkeit die Notwendigkeit zu schiessen stand. Ausserdem sind ja alle Völker höflicher als Deutsche, als wir "boches". Er meint, jeder Europäer (im Durchschnitt jeder) insbesondere jeder Deutsche, braucht Jahre, um Amerika zu verstehen, und das kann ich bestättigen [sic], der ich heuer gesagt habe: "Nach sieben Jahren habe ich nun endlich beiläufig einen Begriff, wie ich amerikanische Schüler zu behandeln habe, was sie lernen können und wollen und wie man sie dafür interessieren kann. Sie sehen übrigens, dass er ausdrücklich hinzufügt, dass, wenn seine Studenten älter wären, sie viel durch Sie lernen würden: 4 aber und dass werden Sie sicher eines Tages einsehen: in unserem Sinn sind sie um 5‒8 Jahre jünger; unsere siebzehnjährigen können oft mehr, als ihre 22-jährigen: in gewisser Hinsicht, aber durchaus nicht in jeder. Vor allem, z.B. drückt sich jeder amerikanische Student schriftlich und mündlich viel klarer aus, als selbst gute Deutsche. Das ist auch eine Geistesschulung. Es tut mir so leid, dass ich Ihnen durch diese {2} Empfehlung eigentlich nur Aufregung verursacht habe. Ich habe die Entschuldigung, dass man so leicht vergisst, was man selbst nicht gewusst und erst mühsam gelernt hat. Sie wissen, dass ich nicht konventionell und nicht feige bin. Aber in der Tat ich habe hier etwas gelernt, was mir fremd war: die Sitten der Amerikaner sind von den Unsrigen so verschieden, dass alle unsere Massstäbe unanwendbar sind. Hinter all dem, was uns süsslich, oder hypokritisch, oder oberflächlich, oder sogar banal erscheint, verbergen sich Tugenden und Vorzüge, die denen gleichkommen, die sich hinter deutscher Rauheit, Unfreundlic[h]keit und ‒ wenn man so sagen darf: Treue verbergen. Sie verbergen sich besser und sind umso sicherer vorhanden. Ich weiss, Sie werden mir so wenig recht geben, als ich Freunden recht gab, die 25 Jahre länger hier waren, als ich. Das ist vielleicht etwas, was man selbst, widerstrebend herausfinden muss. Hoffentlich höre ich bald wieder von Ihnen. 5 Ich bin sehr froh zu hören, dass ihre [sic] Tochter schon hier ist. Und dass sie so bald Beschäftigung gefunden hat ist ein erfreuliches Zeichen ihrer Tüchtigkeit. © Transcription Ian Bent, 2020 |
⇧ ARNOLD SCHOENBERG 116 N. ROCKINGHAM AVE. BRENTWOOD PARK LOS ANGELES, – CALIFORNIA TELEPHONE W. L. A. 35077 ⇧ Mr. Moriz Violin 1703 Scott Street San Francisco, California April 9, 1940 Dear Friend, 1 Frankly speaking, I am very happy that you have not made the mistake that I made in my first three or four years. Sadly, Goethe's Götz 2 could unfortunately not restrain me from making enemies for myself – of prominent people, what's more, who could have extended greater friendships to me than those that even Götz failed to make. And who knows whether they would have welcomed him. Frankly speaking, this letter 3 is in no way outrageously intended. In a few years you will see that I am right: Americans don't do that. All he means in fact is that he must have a personal impression of anyone whom he is to appoint – an impression that no letter, no recommendation, no photograph can convey, only face-to-face contact. And he means that, without giving you a guarantee, he cannot expect you to make the journey at your own expense. Even I would perhaps have thought that, but even I, after seven years, am still no native, and know such matters even better after the event. Moreover, I am firmly convinced that this "average" is a misunderstanding on your part. Of course he doesn't mean that you're a mediocre musician. Americans continue to practise the same courtesy that they had to employ as pioneers, when impoliteness was met with a bullet. In addition, all peoples are more polite than Germans, than we "boches." He means that every European (on average, each one), especially every German, needs years to understand America, and I can confirm that, I who have this year said: "After seven years I now finally more or less have an idea of how I need to handle American students, what they are capable of learning, what they want to learn, and how one can get them interested in that. You see, by the way, that he expressly adds that if his students were older they would learn a lot from you: 4 and that is something you will surely learn one of these days. In comparison with our experience, they are around five to eight years younger; our 17-year-olds are often capable of more than their 22-year-olds: in certain respects, but not in every single one. Above all, for example, every American student expresses himself much more clearly in writing and orally than even good Germans ones. That is also a form of intellectual training. I am so sorry that through this {2} recommendation I have in reality caused you nothing but agitation. I can only plead the excuse that it is so easy to forget what one did not oneself know and first had laboriously to learn. You know that I am not conventional and not fainthearted. But in fact I have learned something from this that was unknown to me: the customs of the Americans are so different from ours that all our criteria are inapplicable. Behind all that appears saccharine, hypocritcal, superficial, or even banal to us, there lie virtues and merits that compare with those that lie behind German coarseness, unfriendliness and – if one may say so: loyalty. They are better concealed and are all the more securely present. I know you will agree with me no more than I agreed with friends who were here twenty-five years before me. That is perhaps something that one has to find out grudgingly for oneself. I hope to hear back from you very soon. 5 I am greatly pleased to hear that your daughter is already here. And that she has found employment so quickly is a welcome sign of her capability. © Translation Ian Bent, 2020 |
⇧ ARNOLD SCHOENBERG 116 N. ROCKINGHAM AVE. BRENTWOOD PARK LOS ANGELES, – CALIF. TELEPHONE W. L. A. 35077 ⇧ Herrn Moriz Violin 1703 Scott Street San Francisco, Calif. April 9, 1940 Lieber Freund: 1 aufrichtig gestanden: ich bin sehr froh, dass Sie nicht den Fehler gemacht haben, den ich in den ersten drei, vier Jahren gemacht habe. Goethes Götz 2 konnte mich leider nicht abhalten, mir Feinde zu machen, Hauptleute noch dazu, die mir grössere Freundlichkeiten hätten erweisen können, als die, die auch Götz nicht erreicht hat. Und wer weiss ob sie ihm wohl bekommen hätte. aufrichtig gestanden: dieser Brief 3 ist in keiner Weise unverschämt gemeint. In einigen Jahren werden Sie mir recht geben: Amerikaner tun das nicht. Er meint in der Tat bloss, dass er von einem Menschen, den er engagieren sol[l], einen persönlichen Eindruck haben muss, den kein Brief, keine Empfehlung, keine Fotografie vermitteln kann, sondern nur persönlicher Kontakt. Und er meint, dass er, ohne Ihnen Garantie zu geben, nicht verlangen kann, dass Sie auf Ihre Kosten diese Reise machen. Das hätte vielleicht auch ich bedenken können, aber auch ich bin, nach sieben Jahren noch immer kein Native und weiss solche Sachen auch besser im Nachhinein. Auch, ich bin fest überzeugt, dieses "average" ist ein Missverständnis von Ihnen. Er meint selbstverständlich nicht, dass Sie ein Durchschnittsmusiker sind. Amerikaner praktizieren noch immer dieselbe Höflichkeit, die sie als Pionniere anwenden mussten, wo hinter einer Unhöflichkeit die Notwendigkeit zu schiessen stand. Ausserdem sind ja alle Völker höflicher als Deutsche, als wir "boches". Er meint, jeder Europäer (im Durchschnitt jeder) insbesondere jeder Deutsche, braucht Jahre, um Amerika zu verstehen, und das kann ich bestättigen [sic], der ich heuer gesagt habe: "Nach sieben Jahren habe ich nun endlich beiläufig einen Begriff, wie ich amerikanische Schüler zu behandeln habe, was sie lernen können und wollen und wie man sie dafür interessieren kann. Sie sehen übrigens, dass er ausdrücklich hinzufügt, dass, wenn seine Studenten älter wären, sie viel durch Sie lernen würden: 4 aber und dass werden Sie sicher eines Tages einsehen: in unserem Sinn sind sie um 5‒8 Jahre jünger; unsere siebzehnjährigen können oft mehr, als ihre 22-jährigen: in gewisser Hinsicht, aber durchaus nicht in jeder. Vor allem, z.B. drückt sich jeder amerikanische Student schriftlich und mündlich viel klarer aus, als selbst gute Deutsche. Das ist auch eine Geistesschulung. Es tut mir so leid, dass ich Ihnen durch diese {2} Empfehlung eigentlich nur Aufregung verursacht habe. Ich habe die Entschuldigung, dass man so leicht vergisst, was man selbst nicht gewusst und erst mühsam gelernt hat. Sie wissen, dass ich nicht konventionell und nicht feige bin. Aber in der Tat ich habe hier etwas gelernt, was mir fremd war: die Sitten der Amerikaner sind von den Unsrigen so verschieden, dass alle unsere Massstäbe unanwendbar sind. Hinter all dem, was uns süsslich, oder hypokritisch, oder oberflächlich, oder sogar banal erscheint, verbergen sich Tugenden und Vorzüge, die denen gleichkommen, die sich hinter deutscher Rauheit, Unfreundlic[h]keit und ‒ wenn man so sagen darf: Treue verbergen. Sie verbergen sich besser und sind umso sicherer vorhanden. Ich weiss, Sie werden mir so wenig recht geben, als ich Freunden recht gab, die 25 Jahre länger hier waren, als ich. Das ist vielleicht etwas, was man selbst, widerstrebend herausfinden muss. Hoffentlich höre ich bald wieder von Ihnen. 5 Ich bin sehr froh zu hören, dass ihre [sic] Tochter schon hier ist. Und dass sie so bald Beschäftigung gefunden hat ist ein erfreuliches Zeichen ihrer Tüchtigkeit. © Transcription Ian Bent, 2020 |
⇧ ARNOLD SCHOENBERG 116 N. ROCKINGHAM AVE. BRENTWOOD PARK LOS ANGELES, – CALIFORNIA TELEPHONE W. L. A. 35077 ⇧ Mr. Moriz Violin 1703 Scott Street San Francisco, California April 9, 1940 Dear Friend, 1 Frankly speaking, I am very happy that you have not made the mistake that I made in my first three or four years. Sadly, Goethe's Götz 2 could unfortunately not restrain me from making enemies for myself – of prominent people, what's more, who could have extended greater friendships to me than those that even Götz failed to make. And who knows whether they would have welcomed him. Frankly speaking, this letter 3 is in no way outrageously intended. In a few years you will see that I am right: Americans don't do that. All he means in fact is that he must have a personal impression of anyone whom he is to appoint – an impression that no letter, no recommendation, no photograph can convey, only face-to-face contact. And he means that, without giving you a guarantee, he cannot expect you to make the journey at your own expense. Even I would perhaps have thought that, but even I, after seven years, am still no native, and know such matters even better after the event. Moreover, I am firmly convinced that this "average" is a misunderstanding on your part. Of course he doesn't mean that you're a mediocre musician. Americans continue to practise the same courtesy that they had to employ as pioneers, when impoliteness was met with a bullet. In addition, all peoples are more polite than Germans, than we "boches." He means that every European (on average, each one), especially every German, needs years to understand America, and I can confirm that, I who have this year said: "After seven years I now finally more or less have an idea of how I need to handle American students, what they are capable of learning, what they want to learn, and how one can get them interested in that. You see, by the way, that he expressly adds that if his students were older they would learn a lot from you: 4 and that is something you will surely learn one of these days. In comparison with our experience, they are around five to eight years younger; our 17-year-olds are often capable of more than their 22-year-olds: in certain respects, but not in every single one. Above all, for example, every American student expresses himself much more clearly in writing and orally than even good Germans ones. That is also a form of intellectual training. I am so sorry that through this {2} recommendation I have in reality caused you nothing but agitation. I can only plead the excuse that it is so easy to forget what one did not oneself know and first had laboriously to learn. You know that I am not conventional and not fainthearted. But in fact I have learned something from this that was unknown to me: the customs of the Americans are so different from ours that all our criteria are inapplicable. Behind all that appears saccharine, hypocritcal, superficial, or even banal to us, there lie virtues and merits that compare with those that lie behind German coarseness, unfriendliness and – if one may say so: loyalty. They are better concealed and are all the more securely present. I know you will agree with me no more than I agreed with friends who were here twenty-five years before me. That is perhaps something that one has to find out grudgingly for oneself. I hope to hear back from you very soon. 5 I am greatly pleased to hear that your daughter is already here. And that she has found employment so quickly is a welcome sign of her capability. © Translation Ian Bent, 2020 |
Footnotes1 The document from which this edition was made is a photocopy; the whereabouts of the original is not known. A number of typing errors have been silently corrected. — A carbon copy of this letter is preserved as LC ASC 7/50, [12]. 2 The principal character in Goethe's historically-based drama, Götz von Berlichingen (1773). Violin had mentioned it in his letter of the day before, LC ASC 27/45, [20]. 3 Letter from Robert Emmett Stuart of the St. Louis Institute of Music to Moriz Violin, OJ 70/38, [1], April 2, 1940. 4 "If our students were older, we can well understand that you would have a great deal to give to them because of your association with Brahms, Busoni, and other masters." (OJ 70/38, [1], April 2, 1940). 5 Not having heard back from Violin, Schoenberg wrote again on May 19, LC ASC 7/50, [14]. |
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Commentary
Digital version created: 2020-09-03 |