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OJ 15/16, [49] - Handwritten letter from Weisse to Schenker, dated September 7, 1923
Die überaus frostige Begrüssung, die sowohl Sie, als auch Frau Lie-Lie mir gestern auf der Strasse zuteil [?wenden] liessen, hat mir wirklich sehr, weh getan. 2 Von Ihnen beiden wohl wie der erst-beste Fremde völlig unpersönlich behandelt zu werden, war mir eine überaus schmerzliche Empfindung und ich kann mich nun wirklich nicht zurückhalten, Sie zu bitten, mir Alles, was Sie auf dem Herzen haben mögen, lieber ganz frei mir ins Gesicht zu sagen, als es mit sich herumzutragen, und vielleicht einen Groll zu schüren, den eine Aussprache lindern könnte. Selbst wenn Sie meine Italienreise 3 als ein arges Verbrechen ansehen[,] kann ich mir nicht vorstellen, daß dieser Umstand genügen sollte und könnte, Sie sowohl als auch Frau Lie-Lie, mir derart zu entfremden, wo Sie beide doch wissen, wie ich innerlich zu Ihnen stehe. Ihr Brief trug alle Anzeichen I eines inneren Bebens an sich: Ich liebe Sie viel zu sehr, als über einen Tadel aus Ihrem Munde, zu erröten, oder in meiner Eitelkeit verletzt zu sein. Wenn ich ihn verdiene, von wem wollte ich ihn dankbar annehmen, als von Ihnen? {2} Und wenn ich nicht zu verdienen glaube, würde ich grade Ihnen gegenüber mich um so mütiger zu verteidigen suchen. In diesem Falle befinde ich mich auch nun; ich halte mich für unschuldig auch vor Ihnen, zumindest glaube ich als Mensch doch nicht verdient zu haben, auf dem Altar politischer Überzeugungen als Opferlamm von Ihnen preisgegeben zu werden. Sollte das trotzdem der Fall sein können, so wäre das gewiß eine der schmerzlichsten Erfahrungen für mich, die mich aber nicht abhalten könnte, weiterhin in unveränderter Dankbarkeit und Verehrung Ihnen anzugehören als Bitte entschuldigen Sie die BleistiftSchrift – aber wir haben augenblicklich keine Tinte zu Hause. © Transcription William Drabkin, 2008 |
I was truly very pained indeed by the exceedingly frosty manner with which both you and Lie-Lie greeted me on the street yesterday. 2 To be treated by you both as no more than a stranger was a deeply painful experience for me and I now cannot stop myself from requesting that you come right out and tell me, to my face, everything that is weighing on your mind. Far better that than to carry it around with you, perhaps adding fuel to a grudge that might be quelled by open discussion. Even if you consider my Italian journey 3 to have been a serious crime, I cannot imagine that this circumstance should and could suffice to estrange both you and Lie-Lie toward me to such an extent, when you both know for certain how deeply I feel for you. Your letter bore all the signs of y an inner upheaval - but I love you far too much to blush over a reproach from your lips, or to allow my pride to be wounded thereby. If I am deserving of such a reprimand, then who better to accept it gratefully from than yourself? {2} And if I consider myself undeserving of it, I would attempt all the more courageously to defend myself before you. Indeed that is the situation in which I now find myself: I consider myself to be innocent before you; at the very least I do not believe, in human terms, that I have deserved to have been surrendered by you as a sacrificial lamb at the altar of political convictions. However, should that be the case notwithstanding, it would indeed be an utterly painful experience for me, yet one which could not keep me from remaining – in unaltered gratitude and respect towards yourself – forever Please forgive my writing in pencil – we currently have no ink in the house. © Translation Alison Hiley, 2009 |
Die überaus frostige Begrüssung, die sowohl Sie, als auch Frau Lie-Lie mir gestern auf der Strasse zuteil [?wenden] liessen, hat mir wirklich sehr, weh getan. 2 Von Ihnen beiden wohl wie der erst-beste Fremde völlig unpersönlich behandelt zu werden, war mir eine überaus schmerzliche Empfindung und ich kann mich nun wirklich nicht zurückhalten, Sie zu bitten, mir Alles, was Sie auf dem Herzen haben mögen, lieber ganz frei mir ins Gesicht zu sagen, als es mit sich herumzutragen, und vielleicht einen Groll zu schüren, den eine Aussprache lindern könnte. Selbst wenn Sie meine Italienreise 3 als ein arges Verbrechen ansehen[,] kann ich mir nicht vorstellen, daß dieser Umstand genügen sollte und könnte, Sie sowohl als auch Frau Lie-Lie, mir derart zu entfremden, wo Sie beide doch wissen, wie ich innerlich zu Ihnen stehe. Ihr Brief trug alle Anzeichen I eines inneren Bebens an sich: Ich liebe Sie viel zu sehr, als über einen Tadel aus Ihrem Munde, zu erröten, oder in meiner Eitelkeit verletzt zu sein. Wenn ich ihn verdiene, von wem wollte ich ihn dankbar annehmen, als von Ihnen? {2} Und wenn ich nicht zu verdienen glaube, würde ich grade Ihnen gegenüber mich um so mütiger zu verteidigen suchen. In diesem Falle befinde ich mich auch nun; ich halte mich für unschuldig auch vor Ihnen, zumindest glaube ich als Mensch doch nicht verdient zu haben, auf dem Altar politischer Überzeugungen als Opferlamm von Ihnen preisgegeben zu werden. Sollte das trotzdem der Fall sein können, so wäre das gewiß eine der schmerzlichsten Erfahrungen für mich, die mich aber nicht abhalten könnte, weiterhin in unveränderter Dankbarkeit und Verehrung Ihnen anzugehören als Bitte entschuldigen Sie die BleistiftSchrift – aber wir haben augenblicklich keine Tinte zu Hause. © Transcription William Drabkin, 2008 |
I was truly very pained indeed by the exceedingly frosty manner with which both you and Lie-Lie greeted me on the street yesterday. 2 To be treated by you both as no more than a stranger was a deeply painful experience for me and I now cannot stop myself from requesting that you come right out and tell me, to my face, everything that is weighing on your mind. Far better that than to carry it around with you, perhaps adding fuel to a grudge that might be quelled by open discussion. Even if you consider my Italian journey 3 to have been a serious crime, I cannot imagine that this circumstance should and could suffice to estrange both you and Lie-Lie toward me to such an extent, when you both know for certain how deeply I feel for you. Your letter bore all the signs of y an inner upheaval - but I love you far too much to blush over a reproach from your lips, or to allow my pride to be wounded thereby. If I am deserving of such a reprimand, then who better to accept it gratefully from than yourself? {2} And if I consider myself undeserving of it, I would attempt all the more courageously to defend myself before you. Indeed that is the situation in which I now find myself: I consider myself to be innocent before you; at the very least I do not believe, in human terms, that I have deserved to have been surrendered by you as a sacrificial lamb at the altar of political convictions. However, should that be the case notwithstanding, it would indeed be an utterly painful experience for me, yet one which could not keep me from remaining – in unaltered gratitude and respect towards yourself – forever Please forgive my writing in pencil – we currently have no ink in the house. © Translation Alison Hiley, 2009 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/4, p. 2564, September 8, 1923: "Von Weisse (Br. mit Bleistift geschrieben): betroffen über mein frostiges Betragen, bittet um Aufklärung; spricht von einem „politischen Verbrechen“ usw." ("From Weisse (letter written in pencil): upset about my frigid behavior, asks for an explanation; speaks about a "political crime," etc "). 2 The incident is recorded in Schenker's diary at OJ 3/4, p. 2564, September 6, 1923: "Heimkehrend begegnen wir Weisse u. Frau; kühle Aussprache." ("On our way home, we encounter Weisse and his wife; cool exchange."). — A copy of Schenker's reply is preserved as OJ 5/45, [3]. 3 This is the subject of Weisse’s previous letter to Schenker, OJ 15/16, [48], written from Switzerland on July 15, 1923. |
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Commentary
Digital version created: 2011-10-27 |