[ {envelope} ]
{recto}

[An:] Frau Dr. Heinrich Schenker
Küb am Semmering
Pension Homolka
[Wien] 24 Sanatorium Perchtoldsdorf
Wien 89
[Neu]e Weltgasse Nr. [?1a]
Wien XIII,
St. Veit Gasse Nr. 7

[postmark:] || AUS[illeg] | 23. 8 39 ‒ 21 | 3 ||

Antw. 1. IX. 39 / [illeg]2 12. X. 39

{verso}
[Absender:] F. K., Aussig/Elbe
Mengsgasse 1 / II. Stock

[postmark:] || WIEN PERCHTOLDSDORF | 26 8 39 ‒ 12 | h ||
[postmark:] || WIEN PERCHTOLDSDORF | 27 8 39 | b ||


[ {letter} ]
Aussig, 23. August 1939

Liebe Mutter,

seit September vor Jahres trage ich den Gedanken mit mir herum, Dir zu schreiben, der leidige Stolz, von dem ich vielleicht eine zu grosse Dosis fürs Leben mitbekommen habe, hat mich bislang daran gehindert, obwohl der Wunsch nach einem Näherkommen selbst in den schwärzesten Tagen meines langen K. Z.-Aufenthaltes in mir lebendig war.

Nun scheine ich dort angelangt zu sein, wo alle Hindernisse fallen und ich will Dir nun meine jetzige Lage schildern. Erschrick aber bitte nicht, es handelt sich vor allem um keinen „Schnorr“-Brief!

Du weisst jedenfalls, dass Erich und ich das väterliche Geschäft nach Vaters Tod 1 weiterführten, allerdings war dieses schon seit vielen Jahren notleidend, die Nachkriegsjahre waren für dasselbe alles Andere als günstig. Mit Erich konnte ich mich nie recht vertragen ‒ es gibt wohl selten zwei so durchaus verschiedene Naturen als Geschwister ‒ vor allem auch deswegen, weil er meine 1931 geschlossene Ehe mit einem hochachtbaren, aber ganz armen Mädchen missbilligte und mir weder für Hochzeit gratulierte noch auch meine Frau eines Grusses würdigt. 2

{2} Als ‒ wenn auch konfessionslose ‒ Juden wurden wir beide am 10. November 1938 verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht, wo Erich als Frontkämpfer nur 6 Wochen, ich aber bis 31. Mai d. J., also 6½ Monate verblieb. Vor allem aus Angst und veranslasst durch ihre Umgebung, liess sich meine arische Frau, mit der ich eine vollkommen glückliche Ehe führte, von mir scheiden, deswegen bin ich ihr aber nicht böse, denn es ist hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die Ehe wurde nach den neuen Bestimmungen „aufgehoben“.

Ich habe verschiedene aussichtsreiche Schritte eingeleitet, damit mein kleiner Sohn Tommy (7 Jahre) ‒ den ich Dir beiliegend im Bilde 3 vorführe, damit Du Deinen Enkel kennen lernst ‒ nach England kommt. 4 Meine gew. Frau übt ihren Schneiderinnen-Beruf in Reichenberg 5 aus. Ich habe eine „Not“-Wohnung bei Erich, 6 wo ich mich so recht geduldet fühlen muss, und keine Menschenseele auf Gottes weitem Erdboden, die sich um mich kümmert oder mir ein gutes Wort gibt. Meine Leidensgefährten vom Konz.-Lager arbeiten meistens hier bei Strassen- & Hausbauten, da ich dies wegen meiner Fusslähmung nicht kann, erhalte ich keine Arbeit und komme mir daher ganz fürchterlich überflüssig vor!

{3} Zu den „guten“ polit Nachrichten kommt jetzt auch noch eine Nachfrage der Gestapo, „wie weit ich mit meiner geplanten Auswanderung bin, auf Grund welcher ich dem 31. Mai entlassen wurde.“ Dabei bietet sich mir hier bislang nicht die kleinste Aussicht!

Wohl bin ich materiell noch auf Monate hinaus sichergestellt, aber die völlige Einsamkeit und Verlassenheit empfinde ich ganz fürchterlich.

Du bist ja eigentlich der einzige Mensch, der mir trotz allem noch nahesteht ‒ und wenn ich mir ausserdem noch ganz leise zu fragen erlaube, ob Du vielleicht weisst, was ich mit mir anfangen könnte, so wirst Du mir das hoffentlich nicht verübeln. ‒ Es ist ja immerhin möglich, dass Du irgendwelche Auslandsbeziehungen hast, die eine schwache Hoffnung für meine Auswanderung aufkommen lassen? ‒ Ich kann etwas Englisch, Französisch und Tschechisch, wenn auch nichts perfekt und bin kein schlechter Kaufmann, ‒ allerdings nur das, und das ist in meinem Falle leider sehr sehr wenig.

Ich würde mich sehr freuen, auch etwas von Deinem Leben zu erfahren und nähre die Hoffnung auf ein Zusammentreffen


Dein Sohn
[signed:] Felix

Kann ich ein Foto von Dir haben?

© Transcription Ian Bent, 2020


[ {envelope} ]
{recto}

[To:] Mrs. Heinrich Schenker
Küb am Semmering
Guesthouse Homolka
[Vienna] 24 Sanatorium Perchtoldsdorf
Vienna 89
[Neu]e Weltgasse No. [?1a]
Vienna XIII
St. Veit Gasse 7

[postmark:] || AUS[illeg] | 23. 8 39 ‒ 21 | 3 ||

Answered 1. IX. 39 / [illeg]2 12. X. 39

{verso}
[From:] F. K., Aussig/Elbe
Mengsgasse 1 / 2nd storey

[postmark:] || VIENNA PERCHTOLDSDORF | 26 8 39 ‒ 12 | h ||
[postmark:] || VIENNA PERCHTOLDSDORF | 27 8 39 | b ||


[ {letter} ]
Aussig, August 23, 1939

Dear Mother,

Since September of last year I have been mulling over the idea of writing to you. The troublesome pride, too great a dose of which I have perhaps carried with me all my life, has prevented me from doing so up to now, although the desire for a rapprochement has been alive in me even in the darkest days of my long stay in the concentration camp.

Now I seem to have arrived at a point where all obstacles are gone, and I want to describe to you my current situation. But please don't be alarmed; above all else, this is not a begging letter!

At any rate, you know that Erich and I carried on with the family business after our father's death. 1 However, this had been in difficulties for many years; the post-war years were anything but favorable for it. I could never really get on with Erich ‒ rarely have two siblings had such thoroughly different characters ‒ above all because he disapproved of my marriage in 1931 to a most respectable but very poor girl and neither congratulated me on my wedding nor even considered my wife worthy of acknowledgment. 2

{2} As Jews ‒ albeit non-observant ones ‒ we were both arrested on November 10, 1938, and taken to the concentration camp, where Erich, as a front-line soldier, remained only for six weeks whereas I was held until May 31 of this year, i.e. six-and-a-half months. Above all out of fear, and compelled by those around her, my Aryan wife, with whom I had led an entirely happy marriage, divorced me ‒ not that I am angry with her on that account, for the final word has not yet been spoken on the matter. The marriage was "annulled" in accordance with the new regulations.

I have taken several promising steps to enable my little son Tommy (seven years old) ‒ whom I present to you in the enclosed photograph 3 so that you can get to know your grandson ‒ to travel to England. 4 My adaptable wife is carrying on her tailoring work in Reichenberg. 5 I have "emergency" accommodation at Erich's place, 6 where I must so rightly feel tolerated, and not a human soul on God's earth cares about me or has a kind word to say to me. My fellow sufferers from the concentration camp here mostly work in road or house building, Since I cannot do this on account of my lame foot, I can't hold down a job, and I feel myself utterly dreadfully useless as a result!

{3} Added to the "good" political news there now comes yet another inquiry from the Gestapo: "How far I have got with my planned emigration, on the basis of which I was released on May 31." Up to now there is not the slightest prospect of this on the horizon!

At least I am still for a few months financially secure, but I find the complete loneliness and desolation utterly frightful.

You are the one and only person who, despite everything, is still close to me ‒ and I hope you will not hold it against me if I allow myself to ask you very timidly whether you perhaps know what I could set about doing with myself. ‒ It is always possible that you have some sort of overseas connections that might afford me a faint hope of my emigration? ‒ I can speak some English, French, and Czech, although not perfectly, and I'm not a bad businessman ‒ though only that, and that is in my case sadly very, very little.

I would be very happy to hear something about your life, too, and I nurture the hope of meeting up with you.


Your son
[signed:] Felix

Can I have a photo of you?

© Translation Ian Bent, 2020


[ {envelope} ]
{recto}

[An:] Frau Dr. Heinrich Schenker
Küb am Semmering
Pension Homolka
[Wien] 24 Sanatorium Perchtoldsdorf
Wien 89
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[postmark:] || AUS[illeg] | 23. 8 39 ‒ 21 | 3 ||

Antw. 1. IX. 39 / [illeg]2 12. X. 39

{verso}
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Aussig, 23. August 1939

Liebe Mutter,

seit September vor Jahres trage ich den Gedanken mit mir herum, Dir zu schreiben, der leidige Stolz, von dem ich vielleicht eine zu grosse Dosis fürs Leben mitbekommen habe, hat mich bislang daran gehindert, obwohl der Wunsch nach einem Näherkommen selbst in den schwärzesten Tagen meines langen K. Z.-Aufenthaltes in mir lebendig war.

Nun scheine ich dort angelangt zu sein, wo alle Hindernisse fallen und ich will Dir nun meine jetzige Lage schildern. Erschrick aber bitte nicht, es handelt sich vor allem um keinen „Schnorr“-Brief!

Du weisst jedenfalls, dass Erich und ich das väterliche Geschäft nach Vaters Tod 1 weiterführten, allerdings war dieses schon seit vielen Jahren notleidend, die Nachkriegsjahre waren für dasselbe alles Andere als günstig. Mit Erich konnte ich mich nie recht vertragen ‒ es gibt wohl selten zwei so durchaus verschiedene Naturen als Geschwister ‒ vor allem auch deswegen, weil er meine 1931 geschlossene Ehe mit einem hochachtbaren, aber ganz armen Mädchen missbilligte und mir weder für Hochzeit gratulierte noch auch meine Frau eines Grusses würdigt. 2

{2} Als ‒ wenn auch konfessionslose ‒ Juden wurden wir beide am 10. November 1938 verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht, wo Erich als Frontkämpfer nur 6 Wochen, ich aber bis 31. Mai d. J., also 6½ Monate verblieb. Vor allem aus Angst und veranslasst durch ihre Umgebung, liess sich meine arische Frau, mit der ich eine vollkommen glückliche Ehe führte, von mir scheiden, deswegen bin ich ihr aber nicht böse, denn es ist hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die Ehe wurde nach den neuen Bestimmungen „aufgehoben“.

Ich habe verschiedene aussichtsreiche Schritte eingeleitet, damit mein kleiner Sohn Tommy (7 Jahre) ‒ den ich Dir beiliegend im Bilde 3 vorführe, damit Du Deinen Enkel kennen lernst ‒ nach England kommt. 4 Meine gew. Frau übt ihren Schneiderinnen-Beruf in Reichenberg 5 aus. Ich habe eine „Not“-Wohnung bei Erich, 6 wo ich mich so recht geduldet fühlen muss, und keine Menschenseele auf Gottes weitem Erdboden, die sich um mich kümmert oder mir ein gutes Wort gibt. Meine Leidensgefährten vom Konz.-Lager arbeiten meistens hier bei Strassen- & Hausbauten, da ich dies wegen meiner Fusslähmung nicht kann, erhalte ich keine Arbeit und komme mir daher ganz fürchterlich überflüssig vor!

{3} Zu den „guten“ polit Nachrichten kommt jetzt auch noch eine Nachfrage der Gestapo, „wie weit ich mit meiner geplanten Auswanderung bin, auf Grund welcher ich dem 31. Mai entlassen wurde.“ Dabei bietet sich mir hier bislang nicht die kleinste Aussicht!

Wohl bin ich materiell noch auf Monate hinaus sichergestellt, aber die völlige Einsamkeit und Verlassenheit empfinde ich ganz fürchterlich.

Du bist ja eigentlich der einzige Mensch, der mir trotz allem noch nahesteht ‒ und wenn ich mir ausserdem noch ganz leise zu fragen erlaube, ob Du vielleicht weisst, was ich mit mir anfangen könnte, so wirst Du mir das hoffentlich nicht verübeln. ‒ Es ist ja immerhin möglich, dass Du irgendwelche Auslandsbeziehungen hast, die eine schwache Hoffnung für meine Auswanderung aufkommen lassen? ‒ Ich kann etwas Englisch, Französisch und Tschechisch, wenn auch nichts perfekt und bin kein schlechter Kaufmann, ‒ allerdings nur das, und das ist in meinem Falle leider sehr sehr wenig.

Ich würde mich sehr freuen, auch etwas von Deinem Leben zu erfahren und nähre die Hoffnung auf ein Zusammentreffen


Dein Sohn
[signed:] Felix

Kann ich ein Foto von Dir haben?

© Transcription Ian Bent, 2020


[ {envelope} ]
{recto}

[To:] Mrs. Heinrich Schenker
Küb am Semmering
Guesthouse Homolka
[Vienna] 24 Sanatorium Perchtoldsdorf
Vienna 89
[Neu]e Weltgasse No. [?1a]
Vienna XIII
St. Veit Gasse 7

[postmark:] || AUS[illeg] | 23. 8 39 ‒ 21 | 3 ||

Answered 1. IX. 39 / [illeg]2 12. X. 39

{verso}
[From:] F. K., Aussig/Elbe
Mengsgasse 1 / 2nd storey

[postmark:] || VIENNA PERCHTOLDSDORF | 26 8 39 ‒ 12 | h ||
[postmark:] || VIENNA PERCHTOLDSDORF | 27 8 39 | b ||


[ {letter} ]
Aussig, August 23, 1939

Dear Mother,

Since September of last year I have been mulling over the idea of writing to you. The troublesome pride, too great a dose of which I have perhaps carried with me all my life, has prevented me from doing so up to now, although the desire for a rapprochement has been alive in me even in the darkest days of my long stay in the concentration camp.

Now I seem to have arrived at a point where all obstacles are gone, and I want to describe to you my current situation. But please don't be alarmed; above all else, this is not a begging letter!

At any rate, you know that Erich and I carried on with the family business after our father's death. 1 However, this had been in difficulties for many years; the post-war years were anything but favorable for it. I could never really get on with Erich ‒ rarely have two siblings had such thoroughly different characters ‒ above all because he disapproved of my marriage in 1931 to a most respectable but very poor girl and neither congratulated me on my wedding nor even considered my wife worthy of acknowledgment. 2

{2} As Jews ‒ albeit non-observant ones ‒ we were both arrested on November 10, 1938, and taken to the concentration camp, where Erich, as a front-line soldier, remained only for six weeks whereas I was held until May 31 of this year, i.e. six-and-a-half months. Above all out of fear, and compelled by those around her, my Aryan wife, with whom I had led an entirely happy marriage, divorced me ‒ not that I am angry with her on that account, for the final word has not yet been spoken on the matter. The marriage was "annulled" in accordance with the new regulations.

I have taken several promising steps to enable my little son Tommy (seven years old) ‒ whom I present to you in the enclosed photograph 3 so that you can get to know your grandson ‒ to travel to England. 4 My adaptable wife is carrying on her tailoring work in Reichenberg. 5 I have "emergency" accommodation at Erich's place, 6 where I must so rightly feel tolerated, and not a human soul on God's earth cares about me or has a kind word to say to me. My fellow sufferers from the concentration camp here mostly work in road or house building, Since I cannot do this on account of my lame foot, I can't hold down a job, and I feel myself utterly dreadfully useless as a result!

{3} Added to the "good" political news there now comes yet another inquiry from the Gestapo: "How far I have got with my planned emigration, on the basis of which I was released on May 31." Up to now there is not the slightest prospect of this on the horizon!

At least I am still for a few months financially secure, but I find the complete loneliness and desolation utterly frightful.

You are the one and only person who, despite everything, is still close to me ‒ and I hope you will not hold it against me if I allow myself to ask you very timidly whether you perhaps know what I could set about doing with myself. ‒ It is always possible that you have some sort of overseas connections that might afford me a faint hope of my emigration? ‒ I can speak some English, French, and Czech, although not perfectly, and I'm not a bad businessman ‒ though only that, and that is in my case sadly very, very little.

I would be very happy to hear something about your life, too, and I nurture the hope of meeting up with you.


Your son
[signed:] Felix

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Footnotes

1 Emil Kornfeld died on February 2, 1937. The firm was Klaber & Kornfeld, traders in petroleum, oil and grease, which ceased trading in 1936‒37 according to Tomáš Kornfeld (OJ 71/21a, [2], June 7, 1988).

2 Felix married Elsa Wobornik on March 7, 1931.

3 A photographic head-and-shoulders portrait of Tomáš Kornfeld is preserved at OJ 72/9, inscribed "Tommy Kornfeld geb. 7. 8. 1932 aufgen. am 7. 8. 1939," photographer Karl Engel, Aussig. This was found accompanying this letter, and is now preserved as OJ 72/9, No. 1.

4 Probably a reference to the Kindertransport, which brought 10,000 children from Nazi-occupied Germany and Austria to England. The first such transport left on December 1, 1939, arriving Harwich the next day.

5 Reichenberg: city in Bohemia, Czech name Liberec; at this time part of Czechoslovakia.

6 Mengsgasse 1, Aussig/Ústí nad Labem.