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OJ 13/25, [9] - Typewritten letter from Rinn to Schenker, dated March 8, 1930
⇧ Der Kunstwart ⇧ ____________________ Schriftleitung: Dr. Hermann Rinn / Verlag Georg D. W. Callwey München NW 12, Finkenstr. 2 ⇧ 8. März 1930. Dr. R/A Herrn Dr. Heinrich Schenker Wien, III. Keilgasse 8. Sehr verehrter Herr Dr. Schenker: 1 Ich kann Ihnen leider erst heute über die Sache Vrieslander Bescheid geben. Sie hat durch zwei ungünstige Momente eine Verschleppung erfahren, die mir mehr als unangenehm ist. Einerseits nämlich durch Berrsche, der – von beruflicher Arbeit überhäuft – Vrieslander mit ziemlicher Verspätung Nachricht gab (ich wollte ihn nicht übergehen, da er mein Musikreferent ist und Vrieslander seit Jahren kennt). Und zweitens durch Vrieslander selbst, dem ich seinerzeit bereitwilligst mein Einverständnis erklärte, allerdings mit dem Bemerken, er möge nicht vergessen, das er keine Musikzeitschrift vor sich habe, wenn er bei mir schreibt, sondern ein williges Laienpublikum. Leider aber ist der Aufsatz meines Erachtens doch etwas zu fachlich ausgefallen, so dass ich um eine starke Auswirkung besorgt wurde. Und ausserdem hat der Autor den Raum um mehr als das Doppelte überschritten, was wiederum mehr schädigend als nützlich ist und vor allem mir alle meine Dispositionen so empfindlich durchkreuzt, dass ich in die allergrösste Verlegenheit komme. Ich habe daher mich doch entschlossen, Vrieslander um Kürzungen zu bitten und die ganze Arbeit noch einmal zu übergehen. {2} Ob wir nun freilich für April zurechtkommen, kann ich im Augenblick nicht sagen. Jedenfalls aber dürfte einem Erscheinen im Mai nichts mehr im Wege stehen. Wenn irgend möglich, d.h. wenn es sich bei unserem kleinen Bilderteil so einrichten lässt, soll Ihr, wie mir scheint, tatsächlich sehr charakteristisches Bild 2 noch einmal gedruckt werden, vorausgesetzt, dass die "Musik" nobel genug ist, uns das Klischee zu geben. Das neue Beethovenbuch Rollands 3 habe ich nur flüchtig in der Hand gehabt. Es ist gleich an Berrsche weitergegeben worden, der sich freilich darüber noch nicht geäussert hat – ich fürchte, dass das noch ein paar Monate dauern wird. – Es ist mir sehr interessant, von Ihnen zu hören, dass es miserabel sei. Das Schurigsche Werk 4 besitze ich selbst nicht. Aber es sieht wohl in allen diesen Dingen übel aus. Dabei ist natürlich die Kritik und die sogenannte öffentliche Meinung voll des Lobes davon. Man sollte doch einmal einen instruierenden und sehr deutlichen Aufsatz schreiben, in dem man über diese Dinge spricht und dem irregeführten Publikum sagt, wo es hinzugreifen hat, wenn es um die besten Ausgaben unserer grossen Meister und die massgebenden Werke über sie geht. Hätten Sie nicht einmal Lust dazu? Das wäre wirklich eine Tat! Wie sehr ich Ihre Freundschaft für den Kunstwart zu schätzen weiss, kann ich Ihnen nicht sagen. Sie glauben nicht, wie schwer es sich heute in einer solchen Sache arbeitet. Dabei ist es das Lähmendste, dass es nicht gelingen will, auf eine wirtschaftliche Basis zu kommen, das heisst nur so weit, dass die Zuschüsse des Verlags nicht mehr so ins Gewicht fallen wie jetzt. Mit so schmalen Mitteln etwas einigermassen Anständiges herauszubringen, ist ein wahres Kunststück. (ich muss mich übrigens beinahe entschuldigen für den Aufsatz Wandreys, der sich bei Berrsche so – Verzeihung ‒ angewanzt hat, dass ich einfach nicht mehr auskonnte). Sehr wertvoll war mir die Bemerkung Ihres vorausgegangenen {3} Briefes 5 über das Verhältnis der deutschen Dicht unger ⇧ zur Musik. Wenn Sie darüber das Wort ergreifen, sollen Sie meines innigsten Dankes gewiss sein. Es sind Dinge, die sonst niemand sieht und sagen kann. Ich werde mir erlauben, Ihnen die Fahnen des Vrieslander-Aufsatzes zu schicken. Vielleicht haben Sie die Güte, sich gleich zu äussern, wie Sie zufrieden sind. Ich möchte die Sache möglichst gut herausbringen und vorher Ihr Urteil hören. Zum Schluss habe ich noch um Entschuldigung zu bitten, dass ich so lange nichts hören liess, die letzten Monate waren eine Qual. © Transcription William Drabkin, 2017 |
⇧ Der Kunstwart ⇧ ____________________ Editorship: Dr. Hermann Rinn / Publisher Georg D. W. Callwey Munich NW 12, Finkenstraße 2 ⇧ March 8, 1930 Dr. R/A Dr. Heinrich Schenker Vienna III Keilgasse 8 Dear Dr. Schenker, 1 Unfortunately I have not been able to let you know about the Vrieslander matter until today. It experienced a delay on account of two unfavorable circumstances, something which is more than unpleasant to me. On the one hand, namely, on account of Berrsche who, being overloaded with professional work, delayed his report to Vrieslander considerably. (I did not want to bypass him, since he is my music advisor and has known Vrieslander for years.) And secondly on account of Vrieslander himself, to whom I most willingly expressed my agreement, at any rate with the proviso that he should not forget that, if he his going to write for me, he will not have a musicological journal before him but a keen audience of lay persons. Unfortunately, however, the article has, in my view, turned out rather too specialist, so that I was concerned about the stark impression it would make. Moreover, the author exceeded the allotted space more than twofold, something which is more harmful than helpful and, above all, so sorely frustrates all my plans that I would be placed in the most embarrassing situation. I have therefore taken the decision to ask Vrieslander to make cuts and to go over his entire work once more. {2} Whether we would, of course, be ready for the April issue is something I cannot say. In any event, nothing stands in the way of a publication in May. If at all possible, that is if it will fit into our modest picture section, your portrait, 2 which seems to me verily characteristic, should be printed once more, assuming that Die Musik will be so kind as to give us the printing block. I have had Rolland's new book on Beethoven 3 in my hands only fleetingly. It has been passed on to Berrsche, who of course has not yet said anything about it – I fear that this will take a few months longer. It is very interesting to me to hear you say that it is abysmal. I myself do not own a copy of Schurig's work, 4 but it looks bad in all these respects. Of course the reviews and so-called public opinion are full of praise for it. At some point, someone should just write an instructive and very clear article which addresses these issues and tells the misinformed public where they should go to find the best editions of our great masters and the authoritative works about them. Would you be interested in doing this? That would really be an achievement! I cannot begin to tell you how much I value your friendship for Der Kunstwart . You will not believe how difficult it is these days to work in such a matter. The most debilitating thing is that it is not possible to operate on a commercial basis; that is only going so far as to say that the publisher's subventions have never been as important as they are now. To bring out something that is to some extent respectable with such limited means: that is a real feat. (I must, moreover, almost apologize for Wandrey's article which – forgive the expression – had wormed its way so much into Berrsche that I simply could not do any more about it.) I have found the remark in your last {3} letter, 5 about the relationship between the German poet rys ⇧ and music, very valuable. If you wish to take up the pen about this, you may be certain of my warmest gratitude. These are things that no one else sees or can say. I shall take the liberty of sending you the galley-proofs of Vrieslander's article. Perhaps you will be so kind to say how satisfied you are. I should like to publish the matter as well as possible and to hear your judgment first. To conclude, I once again beg your pardon for being silent for such a long time; the last few months were a torture. © Translation William Drabkin, 2017 |
⇧ Der Kunstwart ⇧ ____________________ Schriftleitung: Dr. Hermann Rinn / Verlag Georg D. W. Callwey München NW 12, Finkenstr. 2 ⇧ 8. März 1930. Dr. R/A Herrn Dr. Heinrich Schenker Wien, III. Keilgasse 8. Sehr verehrter Herr Dr. Schenker: 1 Ich kann Ihnen leider erst heute über die Sache Vrieslander Bescheid geben. Sie hat durch zwei ungünstige Momente eine Verschleppung erfahren, die mir mehr als unangenehm ist. Einerseits nämlich durch Berrsche, der – von beruflicher Arbeit überhäuft – Vrieslander mit ziemlicher Verspätung Nachricht gab (ich wollte ihn nicht übergehen, da er mein Musikreferent ist und Vrieslander seit Jahren kennt). Und zweitens durch Vrieslander selbst, dem ich seinerzeit bereitwilligst mein Einverständnis erklärte, allerdings mit dem Bemerken, er möge nicht vergessen, das er keine Musikzeitschrift vor sich habe, wenn er bei mir schreibt, sondern ein williges Laienpublikum. Leider aber ist der Aufsatz meines Erachtens doch etwas zu fachlich ausgefallen, so dass ich um eine starke Auswirkung besorgt wurde. Und ausserdem hat der Autor den Raum um mehr als das Doppelte überschritten, was wiederum mehr schädigend als nützlich ist und vor allem mir alle meine Dispositionen so empfindlich durchkreuzt, dass ich in die allergrösste Verlegenheit komme. Ich habe daher mich doch entschlossen, Vrieslander um Kürzungen zu bitten und die ganze Arbeit noch einmal zu übergehen. {2} Ob wir nun freilich für April zurechtkommen, kann ich im Augenblick nicht sagen. Jedenfalls aber dürfte einem Erscheinen im Mai nichts mehr im Wege stehen. Wenn irgend möglich, d.h. wenn es sich bei unserem kleinen Bilderteil so einrichten lässt, soll Ihr, wie mir scheint, tatsächlich sehr charakteristisches Bild 2 noch einmal gedruckt werden, vorausgesetzt, dass die "Musik" nobel genug ist, uns das Klischee zu geben. Das neue Beethovenbuch Rollands 3 habe ich nur flüchtig in der Hand gehabt. Es ist gleich an Berrsche weitergegeben worden, der sich freilich darüber noch nicht geäussert hat – ich fürchte, dass das noch ein paar Monate dauern wird. – Es ist mir sehr interessant, von Ihnen zu hören, dass es miserabel sei. Das Schurigsche Werk 4 besitze ich selbst nicht. Aber es sieht wohl in allen diesen Dingen übel aus. Dabei ist natürlich die Kritik und die sogenannte öffentliche Meinung voll des Lobes davon. Man sollte doch einmal einen instruierenden und sehr deutlichen Aufsatz schreiben, in dem man über diese Dinge spricht und dem irregeführten Publikum sagt, wo es hinzugreifen hat, wenn es um die besten Ausgaben unserer grossen Meister und die massgebenden Werke über sie geht. Hätten Sie nicht einmal Lust dazu? Das wäre wirklich eine Tat! Wie sehr ich Ihre Freundschaft für den Kunstwart zu schätzen weiss, kann ich Ihnen nicht sagen. Sie glauben nicht, wie schwer es sich heute in einer solchen Sache arbeitet. Dabei ist es das Lähmendste, dass es nicht gelingen will, auf eine wirtschaftliche Basis zu kommen, das heisst nur so weit, dass die Zuschüsse des Verlags nicht mehr so ins Gewicht fallen wie jetzt. Mit so schmalen Mitteln etwas einigermassen Anständiges herauszubringen, ist ein wahres Kunststück. (ich muss mich übrigens beinahe entschuldigen für den Aufsatz Wandreys, der sich bei Berrsche so – Verzeihung ‒ angewanzt hat, dass ich einfach nicht mehr auskonnte). Sehr wertvoll war mir die Bemerkung Ihres vorausgegangenen {3} Briefes 5 über das Verhältnis der deutschen Dicht unger ⇧ zur Musik. Wenn Sie darüber das Wort ergreifen, sollen Sie meines innigsten Dankes gewiss sein. Es sind Dinge, die sonst niemand sieht und sagen kann. Ich werde mir erlauben, Ihnen die Fahnen des Vrieslander-Aufsatzes zu schicken. Vielleicht haben Sie die Güte, sich gleich zu äussern, wie Sie zufrieden sind. Ich möchte die Sache möglichst gut herausbringen und vorher Ihr Urteil hören. Zum Schluss habe ich noch um Entschuldigung zu bitten, dass ich so lange nichts hören liess, die letzten Monate waren eine Qual. © Transcription William Drabkin, 2017 |
⇧ Der Kunstwart ⇧ ____________________ Editorship: Dr. Hermann Rinn / Publisher Georg D. W. Callwey Munich NW 12, Finkenstraße 2 ⇧ March 8, 1930 Dr. R/A Dr. Heinrich Schenker Vienna III Keilgasse 8 Dear Dr. Schenker, 1 Unfortunately I have not been able to let you know about the Vrieslander matter until today. It experienced a delay on account of two unfavorable circumstances, something which is more than unpleasant to me. On the one hand, namely, on account of Berrsche who, being overloaded with professional work, delayed his report to Vrieslander considerably. (I did not want to bypass him, since he is my music advisor and has known Vrieslander for years.) And secondly on account of Vrieslander himself, to whom I most willingly expressed my agreement, at any rate with the proviso that he should not forget that, if he his going to write for me, he will not have a musicological journal before him but a keen audience of lay persons. Unfortunately, however, the article has, in my view, turned out rather too specialist, so that I was concerned about the stark impression it would make. Moreover, the author exceeded the allotted space more than twofold, something which is more harmful than helpful and, above all, so sorely frustrates all my plans that I would be placed in the most embarrassing situation. I have therefore taken the decision to ask Vrieslander to make cuts and to go over his entire work once more. {2} Whether we would, of course, be ready for the April issue is something I cannot say. In any event, nothing stands in the way of a publication in May. If at all possible, that is if it will fit into our modest picture section, your portrait, 2 which seems to me verily characteristic, should be printed once more, assuming that Die Musik will be so kind as to give us the printing block. I have had Rolland's new book on Beethoven 3 in my hands only fleetingly. It has been passed on to Berrsche, who of course has not yet said anything about it – I fear that this will take a few months longer. It is very interesting to me to hear you say that it is abysmal. I myself do not own a copy of Schurig's work, 4 but it looks bad in all these respects. Of course the reviews and so-called public opinion are full of praise for it. At some point, someone should just write an instructive and very clear article which addresses these issues and tells the misinformed public where they should go to find the best editions of our great masters and the authoritative works about them. Would you be interested in doing this? That would really be an achievement! I cannot begin to tell you how much I value your friendship for Der Kunstwart . You will not believe how difficult it is these days to work in such a matter. The most debilitating thing is that it is not possible to operate on a commercial basis; that is only going so far as to say that the publisher's subventions have never been as important as they are now. To bring out something that is to some extent respectable with such limited means: that is a real feat. (I must, moreover, almost apologize for Wandrey's article which – forgive the expression – had wormed its way so much into Berrsche that I simply could not do any more about it.) I have found the remark in your last {3} letter, 5 about the relationship between the German poet rys ⇧ and music, very valuable. If you wish to take up the pen about this, you may be certain of my warmest gratitude. These are things that no one else sees or can say. I shall take the liberty of sending you the galley-proofs of Vrieslander's article. Perhaps you will be so kind to say how satisfied you are. I should like to publish the matter as well as possible and to hear your judgment first. To conclude, I once again beg your pardon for being silent for such a long time; the last few months were a torture. © Translation William Drabkin, 2017 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/3, p. 3451, March 10, 1930: "Von Dr. Rinn (Br.): Vrieslanders Aufsatz sei zu lang, er werde ihn um Kürzung bitten. Will einen Aufsatz von mir über eins von den vorgeschlagenen Themen. Förderung des Kunstwarts sei notwendig!! " ("From Dr. Rinn (letter): Vrieslander's essay is too long, he will ask him to shorten it. He would like an article from me about one of the topics suggested. The promotion of Der Kunstwart is necessary!!"). 2 Viktor Hammer's 1925 mezzotint portrait of Schenker, which was published together with an article by Vrieslander in Die Musik. 3 Probably the German edition of volume 1 of Beethoven: les grandes époques créatrices (1928), issued as Beethovens Meisterjahre. Von der Eroica bis zur Appassionata (Leipzig: Insel-Verlag, 1930). 4 The works of Arthur Schurig (1870–1929) include a two-volume biography of Mozart (1913) and editions of Leopold Mozart's travel diaries and Constanze Mozart's letters; Schenker saw Schurig as a "lackey" to the French; disparaging comments on his Mozart biography appear in the essay on Mozart's Sonata in A minor, K. 310 (Tonwille 2), and again in the Miscellanea of Tonwille 3 and 4. 5 This letter is not known to survive, but its dispatch is recorded in OJ 5/32, [1], January 23, 1930. |
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Commentary
Digital version created: 2018-02-20 |