Browse by
OJ 12/6, [43] - Handwritten letter from Jonas to Jeanette Schenker, dated March 9, 1935
Envelope {recto} [An:] ⇧ Frau Prof. Lina [sic] Schenker Wien III Keilgasse 8 [postmark:] || BERLIN W | 9 3 35 | 1-2 N | 9 G || Envelope {verso} [Absender:] Dr Oswald Jonas Blin-Schmargendorf Davoserstr. 10a Letter 9. III 35 Hochverehrte gnädige Frau! Noch möchte ich Ihnen danken für Ihr freundliches und ehrendes Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben. Was es für mich bedeutet, einen vorläufigen Einblick in dieses Werk 1 noch vor den andern gewonnen zu haben, werden Sie wohl am besten ermessen können. Ich mußte in der letzten Zeit, d. h. ich möchte sagen, in den letzten Monaten, soviel an ein wunderbares Wort Goethes zu Eckermann 2 denken: „Meine Sachen können nicht populär werden – sie sind nicht für die Menge gedacht und geschrieben, sondern für den Einzelnen, der ähnliches erstrebt.“ (Ungefähr so habe ich es {2} in Erinnerung.) Und so wendet sich auch das Werk Schenkers an den Einzelnen, im Allgemeinen wirken wird es vielleicht langsamer, aber umso sicherer und dauerhafter, wie eben die Wahrheit nun wirken kann. Es geht von solch einem Werk ein bestimmtes Fluidum aus, das sich der Zeit mitteilt, allmählich wirkt, ohne daß die Zeit selbst es ahnt und merkt. Es genügt, daß die Einzelnen es weitertragen und wieder Kreise ziehen, die eben auch aus Einzelnen bestehen müßen [sic] und gesucht werden müßen [sic]. – Falls Sie noch nichts durch Dr Salzer, der Sie am vergangenen Sonntag zu besuchen wollte, erfahren haben, möchte ich Ihnen eine Mitteilung machen, die Sie sicherlich erfreuen dürfte. Wir – Saturn-Verlag, Dr Salzer und ich – beabsichtigen eine Musikzeitschrift herauszugeben, deren vornehmste und wichtigste Aufgabe ist das Andenken Schenkers hochzuhalten und sein Werk zu deuten, es auch jenen zugänglich {3} zu machen, die erst eine Führung dazu bedürfen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch fragen, ob Sie nicht geneigt wären, um manches von den vielen Kostbarkeiten, die noch nicht veröffentlicht sind, zu Publikation zu überlassen. Es würde den Wert der Zeitschrift ungeheuer heben, ihr gleich von selbst das programmatische Rückgrat geben. Dann wäre aber auch damit die notwendige Sichtung der vorhandenen Schätze verbunden und eine Vorbereitung für Buchform am ehesten gegeben. Ich hoffe sehr, daß Sie unsere Bitte nicht abschlagen werden. – 3 Haben Sie sich auch schon mit Dr Ungar 4 (Saturn Verlag U 21008) ins Einvernehmen gesetzt wegen des Bandes Aphorismen? 5 – Das Heft der Bayreuther Blätter bringe ich Ihnen {4} nach Wien mit – ich werde mich gleich nach meiner Ankunft melden oder wollen Sie mir schon jetzt mitteilen, wann (von Montag d 18. an) ich kommen darf? Die Übersetzung des holländischen Artikels erhalten Sie direkt von der Übersetzerin, die sich in der Tschechoslowakei befindet. Nochmals meinen innigsten Dank! © Transcription John Rothgeb, 2006 |
Envelope {recto} [To:] ⇧ Mrs. Lina [sic] Schenker Vienna III Keilgasse 8 [postmark:] || BERLIN W | 9 3 35 | 1-2 N | 9 G || Envelope {verso} [From:] Dr. Oswald Jonas, Berlin-Schmargendorf Davoserstraße 10a Letter March 9, 1935 Highly revered Mrs. [Schenker], Again I would like to thank you for the cordial and ennobling confidence that you have shown me. How much it means to me to have gained an advance look into this work 1 before the others you can best judge for yourself. I have been obliged recently, or in recent months I should say, to think of a marvelous utterance of Goethe's to Eckermann: 2 "my works cannot become popular ‒ they are not conceived and written for the masses, but for that individual who seeks similar things." (Approximately thus, as I {2} remember.) And Schenker's work too speaks to the individual; its effectiveness on a broader scale will perhaps be slower, but all the more secure and lasting, which is the only way truth can make its mark. Such a work exudes a certain atmosphere, which is imparted to the era, which makes its effect gradually, without the era's having noticed or been aware of it. In case you have not yet heard anything from Dr. Salzer, who wanted to visit you last Sunday, I would like to provide some information that should certainly please you. We – Saturn Verlag, Dr. Salzer, and I ‒ intend to bring out a music journal whose loftiest and most important task is to venerate Schenker's memory and interpret his work, also to make it accessible {3} to those who need guidance in approaching it. In this connection I want to ask you whether you would not be inclined to make available for publication a number of the many treasures that have not yet been published. It would enormously enhance the value of the journal, would of itself virtually provide the programmatic backbone. That, however, would entail the necessary viewing of the available treasures and would most readily provide a preparation for presentation in book-form. I hope very much that you will not decline our request. 3 Have you already reached an understanding with Dr. Ungar 4 (Saturn Verlag U 21008) concerning the aphorisms for the volume? 5 I will bring you {4} in Vienna the issue of Bayreuther Blätter ‒ I will notify you as soon as I arrive, or would you like to tell me now when (from Monday the 18th on) I may come by? You will receive the translation of the Dutch article directly from the translator, who is now in Czechoslovakia. Once again, my most heartfelt thanks! © Translation John Rothgeb, 2006 |
Envelope {recto} [An:] ⇧ Frau Prof. Lina [sic] Schenker Wien III Keilgasse 8 [postmark:] || BERLIN W | 9 3 35 | 1-2 N | 9 G || Envelope {verso} [Absender:] Dr Oswald Jonas Blin-Schmargendorf Davoserstr. 10a Letter 9. III 35 Hochverehrte gnädige Frau! Noch möchte ich Ihnen danken für Ihr freundliches und ehrendes Vertrauen, das Sie mir entgegengebracht haben. Was es für mich bedeutet, einen vorläufigen Einblick in dieses Werk 1 noch vor den andern gewonnen zu haben, werden Sie wohl am besten ermessen können. Ich mußte in der letzten Zeit, d. h. ich möchte sagen, in den letzten Monaten, soviel an ein wunderbares Wort Goethes zu Eckermann 2 denken: „Meine Sachen können nicht populär werden – sie sind nicht für die Menge gedacht und geschrieben, sondern für den Einzelnen, der ähnliches erstrebt.“ (Ungefähr so habe ich es {2} in Erinnerung.) Und so wendet sich auch das Werk Schenkers an den Einzelnen, im Allgemeinen wirken wird es vielleicht langsamer, aber umso sicherer und dauerhafter, wie eben die Wahrheit nun wirken kann. Es geht von solch einem Werk ein bestimmtes Fluidum aus, das sich der Zeit mitteilt, allmählich wirkt, ohne daß die Zeit selbst es ahnt und merkt. Es genügt, daß die Einzelnen es weitertragen und wieder Kreise ziehen, die eben auch aus Einzelnen bestehen müßen [sic] und gesucht werden müßen [sic]. – Falls Sie noch nichts durch Dr Salzer, der Sie am vergangenen Sonntag zu besuchen wollte, erfahren haben, möchte ich Ihnen eine Mitteilung machen, die Sie sicherlich erfreuen dürfte. Wir – Saturn-Verlag, Dr Salzer und ich – beabsichtigen eine Musikzeitschrift herauszugeben, deren vornehmste und wichtigste Aufgabe ist das Andenken Schenkers hochzuhalten und sein Werk zu deuten, es auch jenen zugänglich {3} zu machen, die erst eine Führung dazu bedürfen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch fragen, ob Sie nicht geneigt wären, um manches von den vielen Kostbarkeiten, die noch nicht veröffentlicht sind, zu Publikation zu überlassen. Es würde den Wert der Zeitschrift ungeheuer heben, ihr gleich von selbst das programmatische Rückgrat geben. Dann wäre aber auch damit die notwendige Sichtung der vorhandenen Schätze verbunden und eine Vorbereitung für Buchform am ehesten gegeben. Ich hoffe sehr, daß Sie unsere Bitte nicht abschlagen werden. – 3 Haben Sie sich auch schon mit Dr Ungar 4 (Saturn Verlag U 21008) ins Einvernehmen gesetzt wegen des Bandes Aphorismen? 5 – Das Heft der Bayreuther Blätter bringe ich Ihnen {4} nach Wien mit – ich werde mich gleich nach meiner Ankunft melden oder wollen Sie mir schon jetzt mitteilen, wann (von Montag d 18. an) ich kommen darf? Die Übersetzung des holländischen Artikels erhalten Sie direkt von der Übersetzerin, die sich in der Tschechoslowakei befindet. Nochmals meinen innigsten Dank! © Transcription John Rothgeb, 2006 |
Envelope {recto} [To:] ⇧ Mrs. Lina [sic] Schenker Vienna III Keilgasse 8 [postmark:] || BERLIN W | 9 3 35 | 1-2 N | 9 G || Envelope {verso} [From:] Dr. Oswald Jonas, Berlin-Schmargendorf Davoserstraße 10a Letter March 9, 1935 Highly revered Mrs. [Schenker], Again I would like to thank you for the cordial and ennobling confidence that you have shown me. How much it means to me to have gained an advance look into this work 1 before the others you can best judge for yourself. I have been obliged recently, or in recent months I should say, to think of a marvelous utterance of Goethe's to Eckermann: 2 "my works cannot become popular ‒ they are not conceived and written for the masses, but for that individual who seeks similar things." (Approximately thus, as I {2} remember.) And Schenker's work too speaks to the individual; its effectiveness on a broader scale will perhaps be slower, but all the more secure and lasting, which is the only way truth can make its mark. Such a work exudes a certain atmosphere, which is imparted to the era, which makes its effect gradually, without the era's having noticed or been aware of it. In case you have not yet heard anything from Dr. Salzer, who wanted to visit you last Sunday, I would like to provide some information that should certainly please you. We – Saturn Verlag, Dr. Salzer, and I ‒ intend to bring out a music journal whose loftiest and most important task is to venerate Schenker's memory and interpret his work, also to make it accessible {3} to those who need guidance in approaching it. In this connection I want to ask you whether you would not be inclined to make available for publication a number of the many treasures that have not yet been published. It would enormously enhance the value of the journal, would of itself virtually provide the programmatic backbone. That, however, would entail the necessary viewing of the available treasures and would most readily provide a preparation for presentation in book-form. I hope very much that you will not decline our request. 3 Have you already reached an understanding with Dr. Ungar 4 (Saturn Verlag U 21008) concerning the aphorisms for the volume? 5 I will bring you {4} in Vienna the issue of Bayreuther Blätter ‒ I will notify you as soon as I arrive, or would you like to tell me now when (from Monday the 18th on) I may come by? You will receive the translation of the Dutch article directly from the translator, who is now in Czechoslovakia. Once again, my most heartfelt thanks! © Translation John Rothgeb, 2006 |
Footnotes1 Possibly proofs of Der freie Satz , but quite possibly also material from among Schenker's papers. 2 Johann Peter Eckermann (1792–1854), German writer, assistant to Goethe toward the end of the latter's life, and his literary executor and publisher of his posthumous works: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 1823–32 ["Conversations with Goethe in the Last Years of His Life, 1823–32"], 3 vols (1836–48). 3 Schenker inserts an emdash, then continues writing without paragraph-break. 4 See OJ 12/6, [13], July 14, 1932; OJ 12/6, [15], September 5, 1932; OJ 12/6, [37], August 23, 1934). 5 There are items entitled "Aphorisms" in four of the issues of Der Dreiklang . |
|
Commentary
Digital version created: 2015-12-04 |