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19. Juli 1934.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Ihre beiden, so liebenswürdigen Karten 2 wurden mir bereits nach Warnsdorf in der C. S. R. 3 nachgesandt, wo ich seit 2 Wochen zur Erholung auf Besuch bei Bekannten bin.

Ich danke Ihnen tausendmal für Ihre freundliche Zeilen und hoffe nun, daß Sie durch die weitere Lektüre 4 nicht enttäuscht sind; ich weiß aber leider nur zu gut, wo es überall noch fehlt. – Über meine Arbeiten, die ich nun vorhabe, kann ich leider noch garnichts sagen, da mir weder der Verleger auf meine Anfragen bezüglich Kosten etc. bis jetzt präzise geantwortet hat noch van Hoboken bezüglich seiner Pläne – 2 Briefe und eine Karte sind seit Wochen (Monaten) ohne Antwort von ihm geblieben. Ist er überhaupt in Garmisch?

Ihre Anfrage wegen Furtw. kann ich leider nicht so beantworten, wie es wünschenswert wäre. Ich sehe natürlich ein, daß er in den letzten Monaten geistig wie physisch vollkommen überlastet war, aber schließlich geht das mit dem Buch schon seit etlichen Monaten: zum Schluß, nachdem ich ihn Wochen hindurch täglich – manchmal 3x ) anrufen mußte – wollte er doch das Buch lesen, kann dann natürlich noch weniger – und so warte ich noch heute {2} auf irgendein Schreiben von ihm. Ob es noch kommt, zweifle ich sehr, habe auch keine Lust, ihn noch und noch zu belästigen.

Samstag fahre ich nun nach Bayreuth – seltsamer Zufall, daß ich gerade in dieser Zeit zum ersten Mal im Leben dorthin komme. Nun die jüngsten Ereignisse 5 werden dort der Festfreude Wahn heimlich auch einen kleinen Dämpfer aufgesetzt haben, was ja sicher nicht unvorteilhaft sein dürfte.

Wenn es nur irgendwie zu machen geht, werde ich mir erlauben auf der Reise nach Wien bei Ihnen vorzusprechen – ich hoffe sehr, daß es möglich sein wird.

Indes wünsche ich Ihnen sowie Ihrer verehrten Frau Gemahlin weiter die beste Erholung und verbleibe


mit ergebensten Grüße
Ihr stets dankbarer
[signed:] Oswald Jonas

P.S. Leider sind trotz aller Sorgfalt und Mühe noch immer eine ganze Reihe Druckfehler stehen geblieben. Es erscheint aber demnächst ein Fehlerverzeichnis.

Bis 27. erreicht mich Post: Bayreuth postlagernd

© Transcription John Rothgeb, 2006


July 19, 1934

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Your two very kind postcards 2 have been forwarded to me in Warnsdorf in the C. S. R., 3 where I have been on vacation for the last two weeks visiting acquaintances.

I thank you so very much for your cordial note, and hope only that you will not be disappointed on reading further; 4 I know only too well those places where it still falls short. — Concerning my works that I now have planned, I can unfortunately say nothing, since neither has my publisher as yet answered precisely my queries about costs, etc., nor has Hoboken replied about his plans ‒ two letters and a postcard remain unanswered for weeks (months) by him. Is he in Garmisch at all?

Unfortunately I cannot answer your query about Furtwängler as I would wish. I understand, naturally, that in the last months he has been completely overloaded, both mentally and physically, but this matter with the book has gone on already for several months; in the end, after I had to call him daily ‒ sometimes three times ) yes, he wanted to read the book, but now is naturally even less able to do so ‒ and thus I wait still today {2} for any written message from him. Whether it will still come I doubt very much, also don't like to trouble him again and again.

Saturday I will go to Bayreuth ‒ odd coincidence, that just in this time I go there for the first time in my life. Now the latest events 5 will have put a little damper on the madness of the festivities, which may certainly not be disadvantageous.

If it can be arranged at all, I will permit myself on the trip to Vienna to call on you ‒ I hope very much that it will be possible.

In the meantime I also wish you and your esteemed wife the best vacation and remain


with most devoted greetings
Your ever grateful
[signed:] Oswald Jonas

P.S. Unfortunately, despite all effort and painstaking, a whole series of misprints remains. But an errata list will be out shortly.

Until the 27th, mail will reach me at: general delivery, Bayreuth.

© Translation John Rothgeb, 2006


19. Juli 1934.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Ihre beiden, so liebenswürdigen Karten 2 wurden mir bereits nach Warnsdorf in der C. S. R. 3 nachgesandt, wo ich seit 2 Wochen zur Erholung auf Besuch bei Bekannten bin.

Ich danke Ihnen tausendmal für Ihre freundliche Zeilen und hoffe nun, daß Sie durch die weitere Lektüre 4 nicht enttäuscht sind; ich weiß aber leider nur zu gut, wo es überall noch fehlt. – Über meine Arbeiten, die ich nun vorhabe, kann ich leider noch garnichts sagen, da mir weder der Verleger auf meine Anfragen bezüglich Kosten etc. bis jetzt präzise geantwortet hat noch van Hoboken bezüglich seiner Pläne – 2 Briefe und eine Karte sind seit Wochen (Monaten) ohne Antwort von ihm geblieben. Ist er überhaupt in Garmisch?

Ihre Anfrage wegen Furtw. kann ich leider nicht so beantworten, wie es wünschenswert wäre. Ich sehe natürlich ein, daß er in den letzten Monaten geistig wie physisch vollkommen überlastet war, aber schließlich geht das mit dem Buch schon seit etlichen Monaten: zum Schluß, nachdem ich ihn Wochen hindurch täglich – manchmal 3x ) anrufen mußte – wollte er doch das Buch lesen, kann dann natürlich noch weniger – und so warte ich noch heute {2} auf irgendein Schreiben von ihm. Ob es noch kommt, zweifle ich sehr, habe auch keine Lust, ihn noch und noch zu belästigen.

Samstag fahre ich nun nach Bayreuth – seltsamer Zufall, daß ich gerade in dieser Zeit zum ersten Mal im Leben dorthin komme. Nun die jüngsten Ereignisse 5 werden dort der Festfreude Wahn heimlich auch einen kleinen Dämpfer aufgesetzt haben, was ja sicher nicht unvorteilhaft sein dürfte.

Wenn es nur irgendwie zu machen geht, werde ich mir erlauben auf der Reise nach Wien bei Ihnen vorzusprechen – ich hoffe sehr, daß es möglich sein wird.

Indes wünsche ich Ihnen sowie Ihrer verehrten Frau Gemahlin weiter die beste Erholung und verbleibe


mit ergebensten Grüße
Ihr stets dankbarer
[signed:] Oswald Jonas

P.S. Leider sind trotz aller Sorgfalt und Mühe noch immer eine ganze Reihe Druckfehler stehen geblieben. Es erscheint aber demnächst ein Fehlerverzeichnis.

Bis 27. erreicht mich Post: Bayreuth postlagernd

© Transcription John Rothgeb, 2006


July 19, 1934

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Your two very kind postcards 2 have been forwarded to me in Warnsdorf in the C. S. R., 3 where I have been on vacation for the last two weeks visiting acquaintances.

I thank you so very much for your cordial note, and hope only that you will not be disappointed on reading further; 4 I know only too well those places where it still falls short. — Concerning my works that I now have planned, I can unfortunately say nothing, since neither has my publisher as yet answered precisely my queries about costs, etc., nor has Hoboken replied about his plans ‒ two letters and a postcard remain unanswered for weeks (months) by him. Is he in Garmisch at all?

Unfortunately I cannot answer your query about Furtwängler as I would wish. I understand, naturally, that in the last months he has been completely overloaded, both mentally and physically, but this matter with the book has gone on already for several months; in the end, after I had to call him daily ‒ sometimes three times ) yes, he wanted to read the book, but now is naturally even less able to do so ‒ and thus I wait still today {2} for any written message from him. Whether it will still come I doubt very much, also don't like to trouble him again and again.

Saturday I will go to Bayreuth ‒ odd coincidence, that just in this time I go there for the first time in my life. Now the latest events 5 will have put a little damper on the madness of the festivities, which may certainly not be disadvantageous.

If it can be arranged at all, I will permit myself on the trip to Vienna to call on you ‒ I hope very much that it will be possible.

In the meantime I also wish you and your esteemed wife the best vacation and remain


with most devoted greetings
Your ever grateful
[signed:] Oswald Jonas

P.S. Unfortunately, despite all effort and painstaking, a whole series of misprints remains. But an errata list will be out shortly.

Until the 27th, mail will reach me at: general delivery, Bayreuth.

© Translation John Rothgeb, 2006

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3927, July 21, 1934: "Von Dr. Jonas (Br. aus Warnsdorf): klagt über v. H.s Stillschweigen, über Furtwänglers ausweichende Art; – geht nach Bayreuth." ("From Dr. Jonas (letter from Warnsdorf): he complains about Hoboken's silence, about Furtwängler's way of wriggling out of things; – he is on his way to Bayreuth.").

2 The writing of these two postcards ‒ which are not known to survive ‒ is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3924, July 12, 1934: "An Jonas (K.): vorläufiger Dank für den Mut u. die Leistung; habe auch v. H. gedankt." ("To Jonas (postcard): for the time being, thanks for his courage and his achievement; I have also thanked Hoboken."); and p. 3925, July 13, 1934: "An Jonas (2. K.): nach wenigen Blättern drängt es mich nach Verdienst zu loben." ("To Jonas (second postcard): after a bit of browsing, what he has achieved compels me to express the praise that is due him."). A third one was written at ibid., July 17, 1934: "An Jonas (K.): Violins Adresse." ("To Jonas (postcard): Violin's address.").

3 Created in 1918, this equates with the modern Czech Republic + Slovakia; Warnsdorf, now Varnsdorf, north of Prague, on the German border 30 miles east-southeast of Dresden.

4 Further reading of Jonas's recently published Das Wesen des musikalischen Kunstwerks: Eine Einführung in die Lehre Heinrich Schenkers (Vienna: Saturn Verlag, 1934).

5 Jonas must be referring to the "night of the long knives", June 30, 1934, when Ernst Röhm and other leaders of the SA (Stormtroopers), and Kurt von Schleicher and Otto Strasser, 400 people in all, were shot by members of the SS.

Commentary

Format
2-p letter, holograph salutation, message, valediction and signature, with postscript
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Oswald Jonas, published by kind permission
License
Permission to publish granted by the heirs of Oswald Jonas October 20, 1913

Digital version created: 2015-11-21