Berlin, den 18. Deze[m]ber 33.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Herzlichen Dank für Ihren Brief 2 und die Auskunft. Die Zeitschrift 3 blättere ich gewöhnlich in der Bibliothek durch, mehr geht leider nicht, infolge ungenügender Kenntnis in der Sprache. Wäre Ihnen daher für die Überlassung einer Übersetzung sehr dankbar. Da möchte ich Sie auch gleich fragen, ob Sie vielleicht noch ein überflüssiges Exemplar Ihrer „Syrischen Tänze“ besitzen, weil ich hier keins auftreiben konnte und ich sie gerne hier spielen würde.

Als Weinachtswitz folgendes aus dem jüdischen Lexikon (musikalischer Teil von Einstein 4 redigiert): „H. Sch., angesehener Lehrer in Wien, bekannt und einflussreich als Herausgeber von {2} Textausgaben . . . . (folgt Aufzählung der Schriften).“ Das dürfte so ziemlich der Gipfel sein, an einer Stelle, die ja eventuell widersprechenden „Fachleuten“ kaum zu Gesicht kommen dürfte. Ich bemerkte sie bei der Vorarbeit zu einem grösseren Aufsatz „Die Stellung der Juden innerhalb der deutschen Musikentwicklung“, zu dem ich im Rahmen eines größeren Werkes aufgefordert worden bin. Wiewohl ich nur die Komponisten zu bearbeiten hatte ‒ Theoretiker und Reproduzierende hatte ein anderer übernommen ‒ konnte ich mir doch nicht versagen, Ihrer wenigstens in knapper Form zu gedenken, zumal ich in dem Punkt zu dem Inhaber des anderen Ressorts kein gerade unbegrenztes Vertrauen 5 habe. Ich lege Ihnen eine Abschrift der wenigen Zeilen bei.

Sonst gibt es hier nicht viel Neues. Der Rundfunk ist nun dauernd verschloßen. 6 Zeitungen und Zeitschriften fast ebenso wiewohl mir Bosse 7 {3} neulich sehr freundlich schrieb, daß meine bald zwei Jahre bei ihm liegenden Aufsätze nur aus Platzmangel noch nicht drangekommen wären. So ist man vorläufig auf die paar Schüler reduziert. Aber es geht zur Not.

Dr. F. ist jetzt überreich beschäftigt, vor allem am [sic] der Oper; Proben zu den Konzerten gibt es nun nicht mehr so viele. Von Hob. habe ich noch nichts gehört.

Nun wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin noch alles Gute zu den Feiertagen und verbleibe Ihr stets


dankbarer
[signed:] Oswald Jonas

© Transcription John Rothgeb, 2006


Berlin, December 18, 1933

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Warmest thanks for your letter 2 and the information. I occasionally page through the periodical 3 in the library, but unfortunately can do no more because of insufficient knowledge of the language. Would thus be very grateful to you for provision of a translation. I want to ask also whether you perhaps have an extra copy of your Syrian Dances , because I cannot find one here and would like to play them here.

For some Christmastime humor, the following from the Jewish Lexicon (musical part edited by Einstein 4 ): "H. Schenker, prominent teacher in Vienna, known and influential as editor of {2} musical editions . . . (inventory of writings follows)." That must surely be the limit, in a place where it would scarcely come to the attention of "experts" who might have a different opinion. I noticed it in the preliminary work on a longer essay "The Place of the Jews within German Musical Evolution," which I was asked to contribute to a larger study. Although I was to work only on composers – theorists and performers had been treated by somebody else – I could not resist some consideration of you, at least briefly, especially as I do not exactly have a limitless faith 5 in the holder of the other assignment. I include a copy for you of the few lines.

Otherwise there is not much new here. Access to the radio is now denied me for the foreseeable future. 6 Newspapers and journals almost so, although Bosse 7 {3} recently wrote me very cordially that my essays, which will soon have been with him for two years, had not come out simply for reasons of lack of space. So one is for now reduced to a few pupils. But it will do in a pinch.

Dr. Furtwängler is now excessively busy, above all with the Opera; there are not so many rehearsals for concerts now. I have heard nothing as yet from Hoboken.

Let me now wish you and your wife well for the holidays, and I remain ever


gratefully yours,
[signed:] Oswald Jonas

© Translation John Rothgeb, 2006


Berlin, den 18. Deze[m]ber 33.

Sehr verehrter Herr Doktor! 1

Herzlichen Dank für Ihren Brief 2 und die Auskunft. Die Zeitschrift 3 blättere ich gewöhnlich in der Bibliothek durch, mehr geht leider nicht, infolge ungenügender Kenntnis in der Sprache. Wäre Ihnen daher für die Überlassung einer Übersetzung sehr dankbar. Da möchte ich Sie auch gleich fragen, ob Sie vielleicht noch ein überflüssiges Exemplar Ihrer „Syrischen Tänze“ besitzen, weil ich hier keins auftreiben konnte und ich sie gerne hier spielen würde.

Als Weinachtswitz folgendes aus dem jüdischen Lexikon (musikalischer Teil von Einstein 4 redigiert): „H. Sch., angesehener Lehrer in Wien, bekannt und einflussreich als Herausgeber von {2} Textausgaben . . . . (folgt Aufzählung der Schriften).“ Das dürfte so ziemlich der Gipfel sein, an einer Stelle, die ja eventuell widersprechenden „Fachleuten“ kaum zu Gesicht kommen dürfte. Ich bemerkte sie bei der Vorarbeit zu einem grösseren Aufsatz „Die Stellung der Juden innerhalb der deutschen Musikentwicklung“, zu dem ich im Rahmen eines größeren Werkes aufgefordert worden bin. Wiewohl ich nur die Komponisten zu bearbeiten hatte ‒ Theoretiker und Reproduzierende hatte ein anderer übernommen ‒ konnte ich mir doch nicht versagen, Ihrer wenigstens in knapper Form zu gedenken, zumal ich in dem Punkt zu dem Inhaber des anderen Ressorts kein gerade unbegrenztes Vertrauen 5 habe. Ich lege Ihnen eine Abschrift der wenigen Zeilen bei.

Sonst gibt es hier nicht viel Neues. Der Rundfunk ist nun dauernd verschloßen. 6 Zeitungen und Zeitschriften fast ebenso wiewohl mir Bosse 7 {3} neulich sehr freundlich schrieb, daß meine bald zwei Jahre bei ihm liegenden Aufsätze nur aus Platzmangel noch nicht drangekommen wären. So ist man vorläufig auf die paar Schüler reduziert. Aber es geht zur Not.

Dr. F. ist jetzt überreich beschäftigt, vor allem am [sic] der Oper; Proben zu den Konzerten gibt es nun nicht mehr so viele. Von Hob. habe ich noch nichts gehört.

Nun wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin noch alles Gute zu den Feiertagen und verbleibe Ihr stets


dankbarer
[signed:] Oswald Jonas

© Transcription John Rothgeb, 2006


Berlin, December 18, 1933

Greatly revered Dr. [Schenker], 1

Warmest thanks for your letter 2 and the information. I occasionally page through the periodical 3 in the library, but unfortunately can do no more because of insufficient knowledge of the language. Would thus be very grateful to you for provision of a translation. I want to ask also whether you perhaps have an extra copy of your Syrian Dances , because I cannot find one here and would like to play them here.

For some Christmastime humor, the following from the Jewish Lexicon (musical part edited by Einstein 4 ): "H. Schenker, prominent teacher in Vienna, known and influential as editor of {2} musical editions . . . (inventory of writings follows)." That must surely be the limit, in a place where it would scarcely come to the attention of "experts" who might have a different opinion. I noticed it in the preliminary work on a longer essay "The Place of the Jews within German Musical Evolution," which I was asked to contribute to a larger study. Although I was to work only on composers – theorists and performers had been treated by somebody else – I could not resist some consideration of you, at least briefly, especially as I do not exactly have a limitless faith 5 in the holder of the other assignment. I include a copy for you of the few lines.

Otherwise there is not much new here. Access to the radio is now denied me for the foreseeable future. 6 Newspapers and journals almost so, although Bosse 7 {3} recently wrote me very cordially that my essays, which will soon have been with him for two years, had not come out simply for reasons of lack of space. So one is for now reduced to a few pupils. But it will do in a pinch.

Dr. Furtwängler is now excessively busy, above all with the Opera; there are not so many rehearsals for concerts now. I have heard nothing as yet from Hoboken.

Let me now wish you and your wife well for the holidays, and I remain ever


gratefully yours,
[signed:] Oswald Jonas

© Translation John Rothgeb, 2006

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3884, December 19, 1933: "Von Jonas (Br.): Exzerpte aus Lexika von Juden für Juden! Bittet um die Syrischen Tänze." ("From Jonas (letter): excerpts from lexica by Jews for Jews! He asks for my Syrian Dances.")

2 OJ 5/18, 32, December 13, 1933.

3 Modern Music: A Quarterly Review (see OJ 5/18, 32).

4 The work referred to may have been the Jüdisches Lexikon, ed. Georg Herlitz und Bruno Kirschner (Berlin 1927‒30).

5 All underscoring, by hand, apparently by Schenker.

6 Jonas, as a Jew, is now denied access.

7 Gustav Bosse, founder of the Bosse-Verlag of Regensburg.