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Wasserburg a/ Inn 340, 26.9.19

Lieber verehrter Meister!

Ihr 1 ausführlicher Brief 2 erreichte mich als ich von einer herrlichen Wanderung aus den Baÿr. Alpen heimkehrte. Viel Sonne – das war das Schönste.

Nie habe ich etwa behaupten wollen, dass Deutschland mit 1914 alle Roheit etc. erfunden habe. Die ist bei den Anhängern des Militarismus aller Völker von jeher gewesen, das diese Elemente andere Waffen als ihre Mordinstrumente nie gekannt haben. Deshalb – weil bei den Militaristen wie „Geist“ gewesen ist noch je sein wird – gibt es auch keine militarischen Genies, und was man so nennt, nenn das sind nur vorübergehend von irgend einem stupiden Glück begleitete Erscheinungen, vielleicht Talente in ihrem Fach. Auch Alexander, Cäsar, Hannibal, Napoleon, ganz zu schweigen von einem Hindenburg, dessen Gesicht ja schon jede Einreihung unter etwaige „Genies“ verbieten würde, sind nur Talente gewesen. Ihr Werk ist zerbröckelt. Nichts als etwa die Erzählung von Blutbädern „ehrt“ ihr Andenken. Sie sind nicht produktiv gewesen, können t es auch ihrer ganzen Tendenz nach, deren Keimzelle die Zerstörung ist, nicht sein. Millionen Riemanns und Bülows können Beethovens Werk nicht zerstören. Während weinge Politiker genügen, obendrein Dummköpfe, um das sogenannte „Werk“ eines Militaristen in Trümmer zu legen.

Es fragt sich also, soll sich die Menschheit immer wieder durch solche Abenteurer- und Verbrecher-Naturen das Blut abzapten lassen? Sollen diejenigen, deren Waffe der Geist ist, immer wieder zu Sklaven solcher Rohlinge gemacht werden? Meine Antwort darauf ist: nein! da ich am eigenen Leibe 4 Jahre lang die Sklaverei und Tÿrannei verspürt habe, die solche „Genies“ und ihre Helfershelfer auf an ihrem Ehrgeiz u. Streben gänzlich Unbeteiligte ausüben.

{2} Es unterliegt heute gar keinem Zweifel mehr, dass Deutschland genau so viel Schuld am Weltkrieg hat wie die Entente. Um einem Überfall kann gar keine Rede mehr sein. Mir persönlich war es völlig gleichgültig, ob der österr. Thronfolger in Sarajewo ermordet wurde oder nicht. 3 Ich habe nie einen Feind unter Franzosen und Engländern gehabt, habe mich nie angegriffen gefühlt — also stand für mich von vornherein meine völlige Uninteressiertheit an dem Kriege fest. Trotzdem bin ich eingerückt, erstens weil ich sonst – wie grotesk! – im Zuchthaus gesperrt worden wäre, zweitens weil ich in dem damaligen Nebel der Begriffe, unter der Flut von Lüge, die die deutsche Regierung über das deutsche Volk ausströmen liess, selbst kurze Zeit der Meinung war, die Gesamtheit der Deutschen wäre wirklich angegriffen. Und nun komme ich zur Frage der deutschen „Brüder[“]?

Ja, verehrtester Meister, wir waren Brüder, als wir das fel grdgraue Kleid anzogen. Doch kaum darin, wurde uns klar gemacht, dass wir doch nicht Brüder waren. Da waren zunächst einige Herren, die jedem Tag Sekt tranken, 200000 Mark im Jahr verdienten und die anderen dafür in den Tod jagten, ohne sich selbst einer Kügel auszusetzen, die hohe Generalität. Dann kam das unübersehbare Heer von Offizieren, denen wir Brüder (so sagten Sie doch) bedinglos gehorchen mussten. [cued from left margin, written sideways:] Es gibt heute noch Leute, die den Kadavergehorsam, die „Disziplin“ befürworten. Denen wäre nur eine vierjährige Kur beim preussischen Militarismus zu wünschen. Das „Gehorchen“ ist sehr schön, wenn es andere tun müssen.[end cue] Dann ein Heer von Peinigern, Schindern, Henkersknechten, die uns „abrichten“ sollten, nicht wie man Männer, Staatsbürger in der Stunde der Gefahr im Waffengebrauch unterweist, sondern unter Anwendung der empörendsten Gemeinheit, Roheit, Niedrigkeit wurden wir wie Sklaven, wie Verbrecher, wie Zuchthäusler von unseren eigenen Brüdern behandelt. 4 Jahre lang. Nein, millionenmal nein, alles was ich ja an Roheit, Niedrigkeit, empörendster Gemeinheit in meinem Leben kennen gelernt habe, das habe ich von meinen deutschen Brüdern {3} erfahren. Alles im Namen des Königs, der dafür verantwortlich ist, ebenso wie er für eine Rechtsprechung verantwortlich ist, die an Verkommenheit, Korruption, Gesinnungslosigkeit alles überhaupt Dankbare übertrifft. Sie haben keinen Begriff, was überhaupt deutscher Militarismus bedeutet, was es bedeutet, dass in Deutschland (im schroffen Gegensatz zu England) jeder Tagedieb, jeder Lump von Beamter das Recht hat, sich in die Privatangelegenheiten eines Staatsbürgers einzumischen, ja mehr noch, dass er sogar die Pflicht hat, es zu tun. Dies bricht einfach den Stab über Deutschland, in dem immer derjenige flariert hat, der die anderen an Gemeinheit noch übertraf. Jedes deutsche Genie ist eine einzige ungeheure Anklage gegen Deutschland – gegen seine „Brüder“.

Sie schreiben: „Glauben Sie, dass es unter Franz. Engl. möglich wäre, dass sie, vor dem Feind stehend, zunächst einmal einander wie Feinde bearbeiten würden?“ Das gerade ist ja meine ewige Anklage gegen Deutschland: warum sind wir denn nicht alles als Brüder behandelt worden, warum wurden wir denn zu wehrlosen, ohnmächtigen Sklaven von entmenschten, viehischen, sadistischen, brutalen Verbrechern (Offiziere, Militärärzte pp) gemacht? Warum schlossen diese Subjekte nicht mit uns die Reihen als Brüder? Deutschland wäre unüberwindlich gewesen!! Nein, lieber Meister, dass die deutsche Geistigkeit in Soldatenuniform auf den kotigen Damm treten und strammstehen musste, wenn das Offiziersgesindel mit ihren Dirnen den Bürgersteig einnahm, das ist ein Sÿmbol für die deutsche Brüderlichkeit, an dem wir nicht schuldig waren. Nie darf es ein Verzeihen, ein Vergessen dafür geben!! Nie!! Deutschland muss in den Dreck, genau so wie man uns auf höheren Befehl in den Dreck getreten hat. Das ist die einziger Genugtuung die wir haben, für das [,] was wir mit zusammengebissenen Zähnen 4 Jahre lang leiden mussten.

Blockade? Die widerlichste Schandtat? Noch viel widerlicher war die Aushungerung der Deutschen durch ihre eigenen Landsleute. Wissen Sie, dass Rathenaus Kriegsgesellschaften absichtlich Unmengen von Lebensmitteln haben verderben lassen, um {4} die Preise zu heben. Und heute noch? Die Engländer liefern, und die dunklen Wucherer treiben die Preise?

Und nun gar Bismarck?! Wer hat denn dessen Werk bewusst, absichtlich zerstört, wer hat dann dem Schöpfer des „Reiches“ Fusstritte gegeben und eine Reihe von Kretins an seine Stelle gesetzt? Doch nur der einzige W.II., dieser Mann, der die Stirn gehabt hat, von den an seinen Verbrechen Unschuldigen zu verlangen, sie sollen ihr Leben für ihn und sein in Sÿphilis versumpftes Haus opfern, für seine und Krupps Millionen, für das ganze Geschmeiss von Krämern und Industriellen usw. während er selbst, dieser widerliche Maulheld, feige entflicht und sogar noch zu feige ist, um seinem Schandleben durch eine Kugel ein Ende zu machen. Aber ich glaube, aus meiner reinern und gerechten Gesinnung heraus, dass sich selbst die Kugel noch sträuben würde, dieses Untier, an dem unsere Millionen Flüche aus Kasernen, Unterständen, Grenatlöchern kleben, zu durchbohren.

Ich stehe fern jeder Partei. Ich ergreife nur die Partei des deutschen Geistes, der Goethe, Jean Paul, Schopenhauer , Beethoven etc., des deutschen Geistes, der im Kriege besudelt worden ist. Nicht von der Entente, denn die recht ja an Goethe etc. nicht heran. Wohl aber durch unsere Machthaber. Was haben die W.II. Ludendorff, Hindenburg, Tirpitz, all die tapferen Hauptquartiershelden je mit dem „deutschen Geist“ zu tun gehabt?? Diese Kerle, die nie eine Sÿmph. von Beethoven gehört haben. Der deutsche Geist liegt bei denen, die in diesen Kriege, nicht vom Feinde, sondern von den eigenen Brüdern zertreten worden sind. Die deutschen Machthaber, die Offiziere, die Militärärzte, die Kriegsgewinnler, die Wuchere haben den deutschen Geist geschändet, sodass er jetzt in die Welt hinaus muss, mit Gliedern, die von allzuvielem Strammstehen und vom Kadavergehorsam steif geworden sind. Deutschland ist das Opfer seines eigenen Charakters geworden, seiner vielgerühmten Disziplin (das Mittel der Schurken um über Wehrlose zu herrschen.).

{5} Ich glaube eben nicht, dass die Deutschen nur Engel und die Engländer nur Schurcken sind. Ich glaube, sie halten sich in der Behandlung ihrer eigenen Geistigkeit die Wage, mit dem Unterschieds, dass in Deutschland wie ich schon sagte jeder Beamtenlumper jeder Portier das Recht und die Pflicht hat, sich um die Angelegenheiten des anderen zu kümmern und in England nicht. Wie hätte Meister Mendelssohn, der doch sicher eine sehr feine Empfindung für Gemeinheit und Niedrigkeit gehabt hat, in Deutschland leiden und kämpfen müssen, wenn ihm England nicht die Wege geebnet hätte? Welcher Unterschied in der Behandlung, die der Meister von jeden einzelnen Engländer erfahren hat und der empörenden Gemeinheit, Schulmeisterei und echt preussichen Niedertracht und Hinterlist, mit der er sich als reifer Mann von Weltruhm von dem Geheimratsgesindel in Berlin behandeln lassen musste. Er selbst hat ja in seinen wundervollen Briefen deutlich genug gesprochen.

Wie könnte ich mich irren in dem, was ich selbst erlebt, erlitten, vier bitter lange Jahre hindurch täglich und stündlich am eigenen Leibe und an der eigenen Seele gefühlt habe. Wo erhebt sich denn einmal eine Stimme das Mitleids für die unschuldig dahingemordeten Millionen, die Millionen unglücklicher Eltern, Frauen, Kinder?? Die Abschiedsszenen am Bahnhof, die Flüche der Sklaven, die wieder hinaus mussten dorthin, was in den Schandblättern das „Feld der Ehre“ genannt wurde – unvergessliche Erinnerungen für mich. Die entsetzliche, nervenzerrüttende Hoffnung auf das Ende bereitete den Boden für die immer stürmischer werdende Frage: für wen? Hier wurde das Friedenswerk begonnen und ich habe mitgetan. Denn jeder Mensch, der noch gerettet werden konnte vorn Tode auf der Schlachtbank „zu Ehren der Firma Krupp & Hohenzollern“ 4 (so hiess b es bei und Soldaten) war mehr wert, als all der Plunder von „Vaterland“ und „nationaler Ehre“ und ähnlichen Phrasen. Hier und nicht durch den Hunger wurde die Demütigung der deutschen Machthaber beschlossen und bewirkt und ich fühle Stolz bei dem Gedanken, dass die Soldaten es gewesen sind, die die Hohenzollern verjagt und den Offizieren, ihren Quälgeistern, die Achselstücke heruntergerissen haben. Ich wollte auch wieder arbeiten, wieder daheim sein, ohne Vorgesetzte, ohne Uniform. Denn dazu habe ich ein Recht gehabt und die mich daran gehindert haben, denen gebührt mein Hass. Wir pfeifen auf nationale Ehre, wenn wir nur {6} unsere Menschenswürde wieder haben. Sie schreiben mir, ich verzeihe es nicht, um keines Menschen, keiner Idee willen. Sie geben also immerhin zu, dass die Betroffenen etwas zu verzeihen haben, dass ein Verbrechen an ihnen begangen ist. Ja ein fürchterliches Verbrechen, der Raub der Jugend, der Lebensfreude, der Hoffnungen, der Güte, des Vertrauens, der Arbeitskraft, kurz alles dessen, was unser Leben wert gemacht hat. Und das sollen wir verzeihen?? Vielleicht noch nach christlicher Schafsgeduldmanier die andere Hälfte des Lebens hinhalten um uns die auch noch rauben zu lassen von unseren deutschen Brüdern?? — Gerade das Gedanken an Goethe, Jean Paul, Herder, Lessing, Beethoven gebietet es mir, dort zu lassen, – wo an ihnen und ihrem Geist frevelhaft gesündigt worden ist. Nie darf dieser edle deutsche Geist, den ich den Weltgeist nennen möchte, seiner umfassenden Grösse wegen, mit den Deutschen von 1914 – heute identifiziert werden, diesem Barbarengesindel, bar jedes Hauchs von Mitgefühl für die eigenen Brüder. Ich werde jauchzen, wenn ich mit meiner Frau den Staub Deutschlands von meinen Füssen schütteln kann, Deutschlands, das mich 4 Jahre und länger beschmutzt und entehrt und gedemütigt hat. Mögen Sie diesen Hass gegen Deutschland eine Psÿchose nennen. Wem habe ich sie denn zu verdanken? Nicht der Entente, sondern nur W.II. und seinen „Brüdern“. Und so sind wir Millionen. Was an uns verbrochen worden ist, das ist so grenzenlos, dass die Erde zerbersten müsste, wenn es dafür ja eine Verzeihung gäbe.

Nur eins bitte ich: mich nicht mit Bahr 5 u. Konsorten zu verwechseln. Die sind nicht preussische Soldaten gewesen, wissen also garnicht, um was sich es sich [sic] hier handelt, wenn von Schuld und Sühne gesprochen wird.

Sie glauben nicht, wie wir beide hier nach Befreiung von Deutschland lechzen. Eher ist auch an eine Gesundung nicht zu denken. Erst wo wir wieder glückliche Menschen sein dürfen, können wir glauben, in der Heimat zu sein. Wo wir nicht mehr die Sprache hören, in der uns 4 Jahre immer nur von Trennung, Entsagung, Gehorchen, Demütigung und Totschlag gesprochen worden ist.

Das ist ein wüster Brief. Ich hatte schon 2 andere geschrieben, in denen meine Entrüstung über die „Brüder“ aber zu sehr mit mir durchgegangen war, sodass ich sie zerreissen musste. Wann darf man denn wieder an Wichtigeres, Besseres, Grösseres denken, an die Musik? Ich bin jetzt bei op. 110 und vertiefe mich in Ihre wunderbare Arbeit. Wie unendlich viel erhabener ist das als England und Deutschland und alles was über diese Angelegenheiten zu reden ist. Zu wie viel Dank bin ich Ihnen verpflichtet. Ich werde diese Dankesschuld durch rastlose Arbeit, soweit meine dezimierten Kräfte reichen, abzutragen versuchen. Morgen fahre ich zu Vrieslander. [continued in left margin, written sideways, including valediction and signature:] Da geht das fürchterliche Politissieren wieder los. Nur sind wir beide in Bezug auf Krieg und Deutschland einer Meinung. Bleiben Sie gewogen, lieber Meister,


IIhren stets treuergebenen, dankbaren
[signed:] Walter Dahms

Auch an Ihre verehrte Frau Gemahlin ergebenste Grüsse auch von meiner Frau

© Transcription John Koslovsky, 2009


Wasserburg a/ Inn 340, September 26, 1919

Dear, revered Master,

I 1 received your very detailed letter 2 as I came home from a wonderful hike in the Bavarian Alps. So much sunshine – that was the most beautiful part of it.

Never for a moment have I wanted to suggest that Germany in 1914 was the instigator of everything that was brutal. In times past, brutality was the way for supporters of militarism of all peoples, because these groups never knew of other weapons than their own murderous instruments. Therefore (because for the militarists it will always be as it was, like a lingering "spirit") there is no such thing as military genius, and when one calls it that, it is but a guise accompanying some momentary and mindless bliss, perhaps talent in their line of work. Even Alexander the Great, Caesar, Hannibal, and Napoleon (to say nothing of Hindenburg, who would be prohibited right away from being counted among putative "geniuses") were only talented. Their work has crumbled; nothing other than perhaps their talk of bloodbaths "honors" their memory. They were not productive, they could not even be considered as approaching genius, since the very basis of their existence is destruction. A million Riemann>s and Bülows cannot destroy Beethoven's work, whereas it takes only a few politicians (on top of everything a bunch of idiots) to leave the so-called "work" of the militarist in ruins.

It begs the questions: Should mankind again and again allow blood to be shed at the behest of such madcap and criminal types? Should people, whose weapon is spirit, become slaves once again to such ruffians? My answer is: No! For four years I experienced for myself the slavery and tyranny that such "geniuses" and their accomplices carried out for their own ambitions and aspirations without ever being involved themselves.

{2} There is no longer any doubt today that Germany bears just as much guilt for the World War as do the Entente Powers. One can no longer speak solely of aggression against us. To me personally it was irrelevant whether or not the Austrian heir to the throne was murdered in Sarajevo. 3 I never had a Frenchman or an Englishman as an enemy, nor have I ever had any bad feelings towards them – thus I remained from the start completely uninterested in the war. Nevertheless I was called for duty, first of all because otherwise (how grotesque!) I would have been thrown into prison, and second because I was caught up in the wave of hazy notions and the torrent of lies with which the German State flooded the German people; in such a short period of time the opinion became that everything German would be attacked. And now I come to the question of my German "brothers."

Yes, most honorable master, we were brothers when we put on our field-gray military garb. Though it would hardly be made clear to us that we really were not brothers. There were certain men who everyday drank wine, earned 200,000 German Marks per year, and for whom others did their dirty work, without themselves ever firing a single shot (I'm referring of course to the high generals). Then came the grand army officers, whom we brothers (as you said) had to obey unconditionally. [cued from the left margin, written sideways:] There are still people today who approve of blind obedience, of "discipline." For those people only a four-year cure from Prussian militarism can be hoped. "Obedience" is so wonderful when it serves ulterior motives.[end cue] Then came an army of torturers, slavedrivers, hangmen, who were supposed to "train" us. They did so, however, not as one instructs men and citizens in their hour of danger in how to use weapons, but rather through the application of the most scandalous nastiness, brutality, and baseness – we were treated like slaves, criminals, and prisoners by our own brothers . For four years. No, a million times no, everything I have ever known about brutality, baseness, the most scandalous nastiness I have learned from my German brothers. {3} And all in the name of the King, who is responsible for this, just as he is accountable to a court of law for surpassing all depravity, corruption, lack of principle – everything imaginable. You have no idea at all what German militarism means, or that in Germany (in stark contrast to England) every loafer, every lump of an official has the right to meddle in the private affairs of a citizen. What's more, he has the duty to do it. This is simply the straw that breaks the back of Germany, when everyone claims someone else to be nastier than them. Every German genius is a single enormous denunciation of Germany – against his "brothers."

You write: "Do you think it would be possible among the French, the English, that, standing before the enemy, they would treat each other as enemies?" That is precisely my accusation against Germany: why were we not all treated like brothers, why were we made into helpless, powerless slaves of dehumanized, bestial, sadistic, and brutal criminals (officers, and military doctors by proxy)? Why did these depraved individuals not come and join us, the rank and file, as brothers? Germany would have been invincible!! No, dear master, the German morale in soldier uniform walked in filthy trenches and had to stand to attention, while the officer riff-raff and their proxies walked the sidewalks. That is a symbol of German brotherhood, of which we were not guilty. Never should a pardon be granted, nor should people ever forget!! Never!! Germany must be dragged through the mud, just as the high command dragged us through the mud. That is the only satisfaction that we have for what we had to endure ourselves with clenched teeth for four years.

Blockade? The most revolting act? What's more revolting was the starvation of the Germans by their own countrymen. You know that Rathenau's war commission have deliberately allowed vast quantities of food supplies to become spoiled in order {4} to raise the price. And even today? The English give supplies, while the shady profiteers control the prices?

And now even Bismarck?! Who consciously and deliberately destroyed his work? Who kicked the creator of the "Reich" out in order to replace him with a bunch of cretins? None other than Wilhelm II. This man had the nerve to demand of those who were innocent of his crimes that they sacrifice their lives for him and his syphilitic household, for his and Krupp's millions, for the whole vermin of grocers and industrialists etc. while he himself (this revolting loud-mouth) makes his cowardly escape and is thus too cowardly to end his disgraceful life with a bullet. But I believe, from my pure and just conviction, that the bullet itself would struggle to penetrate this monster, a bullet of our million curses, from the men stuck in the barracks, the bunkers, and the shell holes.

I stay away from all political parties. I associate only with the party of German spirit – Goethe, Jean Paul, Schopenhauer, Beethoven, etc. – of the German spirit that was besmeared in wartime. Not by the Entente powers, who hardly stand up to the likes of Goethe etc. No, they were besmeared by our own dictators. What did Wilhelm II, Ludendorff, Hindenburg, Tirpitz, and all the valiant heros of the main headquarters have to do with the "German spirit"?? These wretched people, who never even heard a single Beethoven symphony. The German spirit lies in those who were crushed not by their enemies, but by their own brothers. The German dictators, the officers, the military doctors, the war profiteers, the extortionists – they all discredited the German spirit so that it must depart this world with limbs that have become stiff from all-too much standing to attention and from blind obedience. Germany became the victim of its own character, its all-too-boastful discipline (the means of scoundrels always prevails over defenseless ones).

{5} I don't even believe that the Germans are only angels and the English only scoundrels. I believe they each hold themselves to their own morals, the difference being that in Germany (as I already said) every scoundrelly official, every porter has the right and the duty to concern themselves with the affairs of others, while this is not so in England. How Mendelssohn, who certainly had a very acute sense for nastiness and baseness, would have had to suffer and struggle in Germany if England had not smoothed the way for him? What a difference in treatment the master experienced from every single Englishman, in contrast to scandalous nastiness, know-it-all, and true Prussian vileness and deceitfulness that he as a mature man of the world had to endure from the riff-raff in Berlin. He himself clearly spoke of such things in his wonderful letters.

How could I be mistaken about something that I experienced, suffered, at first hand, what I for four bitter years, every day, every hour felt with my own body and with my own soul. Where has there ever once been raised a voice of compassion for the innocent and murdered millions upon millions of unlucky ones – the elderly, women, and children?? The farewell scenes in the train station, the curses of the slaves, who were having to go away yet again, what was called in the disgraceful press the "field of honor" – unforgettable memories for me. The appalling, nervously exhausting hope for the end prepared the ground for the question that is becoming ever-more turbulent: for whom? Here is where the peace process began and I took part in it. Because every person who could still be rescued from being massacred "for the honor of the coporate firm Krupp & Hohenzollern" 4 (as we the soldiers called it) was of more worth than all the rubbish of the "Fatherland" and "national honor" (and other such phrases). Now (and not because of hunger) the humiliation of the German dictators was resolved and secured. I feel pride when I think that it was the soldiers who chased away Hohenzollern and had the epaulets of the officers and their pests stripped. I wanted to keep working, to be at home once again, without superiors, without uniform. I had a right to that and they who prevented me from having it deserve my hatred. We tout our national honor; if we could only {6} have our human dignity once again. You write to me that I do not want to pardon any person or any idea. You concede that the people affected have something to pardon, that a crime has been committed against them. An appalling crime, the robbery of youth, the zest for life, hopes, goodness, trust, labor – in short, everything that has made our lives worthwhile. And that we are supposed to pardon?? Perhaps in Christian good-shepherdly fashion we should let ourselves be robbed of the other half of our lives by our German brothers?? – Right away the thought comes to me of abandoning Goethe, Jean Paul, Herder, Lessing, Beethoven; they and their spirits have been trespassed upon. Never should this noble German spirit, which I would call the spirit of the world because of its all-encompassing greatness, be identified today with the Germans of 1914, this barbarous mob, devoid of even the slightest breath of compassion for one's own brothers. I will cheer when my wife and I can shake the dust of Germany from our feet – Germany, which has besmirched, dishonored, and humiliated me for four years. You want to call this hatred towards Germany a psychosis. Whom do I have to thank for such a thing? Not the Entente powers, but only Wilhelm II and his "brothers." And we are a million in number. The misdeeds that have been done to us are so boundless that the earth would have to burst asunder for a pardon to be granted.

I ask only one thing: that you do not confuse me with Bahr 5 and his associates. These men were not Prussian soldiers, so they have no idea what we are talking about when we speak of guilt and atonement.

You do not believe how greatly we both lust to be free of Germany. Rather, we can't even begin to think about a recovery. Where we may be happy people once again, there can we think of ourselves as being in a homeland. Where we no longer hear the language in which we have for the past four years heard nothing but talk of detachment, renunciation, orders, humiliation, and killing people.

This is a chaotic letter. I had already written two others, but my indignation towards the "brotherhood" had gone too far, so I had to rip them up. When will one be able to think about things more important, better, and of greater worth ... about music? I am now getting down to Op. 110 and am immersing myself in your wonderful work. How infinitely more elevated that is than England and Germany and all the talk about these concerns. I owe you many thanks for it. I will attempt to pay this debt of gratitude back with tireless work for as long as my decimated powers hold up. Tomorrow I will visit Vrieslander. [continued in left margin, written sideways, including valediction and signature:] Then the dreadful politicizing will begin again. Only the two of us are of the same opinion as to the war and to Germany. Stay balanced, my dear master.


Your ever faithful and thankful
[signed:] Walter Dahms

Most sincere greetings also to your lady wife, and from my wife, too.

© Translation John Koslovsky, 2009


Wasserburg a/ Inn 340, 26.9.19

Lieber verehrter Meister!

Ihr 1 ausführlicher Brief 2 erreichte mich als ich von einer herrlichen Wanderung aus den Baÿr. Alpen heimkehrte. Viel Sonne – das war das Schönste.

Nie habe ich etwa behaupten wollen, dass Deutschland mit 1914 alle Roheit etc. erfunden habe. Die ist bei den Anhängern des Militarismus aller Völker von jeher gewesen, das diese Elemente andere Waffen als ihre Mordinstrumente nie gekannt haben. Deshalb – weil bei den Militaristen wie „Geist“ gewesen ist noch je sein wird – gibt es auch keine militarischen Genies, und was man so nennt, nenn das sind nur vorübergehend von irgend einem stupiden Glück begleitete Erscheinungen, vielleicht Talente in ihrem Fach. Auch Alexander, Cäsar, Hannibal, Napoleon, ganz zu schweigen von einem Hindenburg, dessen Gesicht ja schon jede Einreihung unter etwaige „Genies“ verbieten würde, sind nur Talente gewesen. Ihr Werk ist zerbröckelt. Nichts als etwa die Erzählung von Blutbädern „ehrt“ ihr Andenken. Sie sind nicht produktiv gewesen, können t es auch ihrer ganzen Tendenz nach, deren Keimzelle die Zerstörung ist, nicht sein. Millionen Riemanns und Bülows können Beethovens Werk nicht zerstören. Während weinge Politiker genügen, obendrein Dummköpfe, um das sogenannte „Werk“ eines Militaristen in Trümmer zu legen.

Es fragt sich also, soll sich die Menschheit immer wieder durch solche Abenteurer- und Verbrecher-Naturen das Blut abzapten lassen? Sollen diejenigen, deren Waffe der Geist ist, immer wieder zu Sklaven solcher Rohlinge gemacht werden? Meine Antwort darauf ist: nein! da ich am eigenen Leibe 4 Jahre lang die Sklaverei und Tÿrannei verspürt habe, die solche „Genies“ und ihre Helfershelfer auf an ihrem Ehrgeiz u. Streben gänzlich Unbeteiligte ausüben.

{2} Es unterliegt heute gar keinem Zweifel mehr, dass Deutschland genau so viel Schuld am Weltkrieg hat wie die Entente. Um einem Überfall kann gar keine Rede mehr sein. Mir persönlich war es völlig gleichgültig, ob der österr. Thronfolger in Sarajewo ermordet wurde oder nicht. 3 Ich habe nie einen Feind unter Franzosen und Engländern gehabt, habe mich nie angegriffen gefühlt — also stand für mich von vornherein meine völlige Uninteressiertheit an dem Kriege fest. Trotzdem bin ich eingerückt, erstens weil ich sonst – wie grotesk! – im Zuchthaus gesperrt worden wäre, zweitens weil ich in dem damaligen Nebel der Begriffe, unter der Flut von Lüge, die die deutsche Regierung über das deutsche Volk ausströmen liess, selbst kurze Zeit der Meinung war, die Gesamtheit der Deutschen wäre wirklich angegriffen. Und nun komme ich zur Frage der deutschen „Brüder[“]?

Ja, verehrtester Meister, wir waren Brüder, als wir das fel grdgraue Kleid anzogen. Doch kaum darin, wurde uns klar gemacht, dass wir doch nicht Brüder waren. Da waren zunächst einige Herren, die jedem Tag Sekt tranken, 200000 Mark im Jahr verdienten und die anderen dafür in den Tod jagten, ohne sich selbst einer Kügel auszusetzen, die hohe Generalität. Dann kam das unübersehbare Heer von Offizieren, denen wir Brüder (so sagten Sie doch) bedinglos gehorchen mussten. [cued from left margin, written sideways:] Es gibt heute noch Leute, die den Kadavergehorsam, die „Disziplin“ befürworten. Denen wäre nur eine vierjährige Kur beim preussischen Militarismus zu wünschen. Das „Gehorchen“ ist sehr schön, wenn es andere tun müssen.[end cue] Dann ein Heer von Peinigern, Schindern, Henkersknechten, die uns „abrichten“ sollten, nicht wie man Männer, Staatsbürger in der Stunde der Gefahr im Waffengebrauch unterweist, sondern unter Anwendung der empörendsten Gemeinheit, Roheit, Niedrigkeit wurden wir wie Sklaven, wie Verbrecher, wie Zuchthäusler von unseren eigenen Brüdern behandelt. 4 Jahre lang. Nein, millionenmal nein, alles was ich ja an Roheit, Niedrigkeit, empörendster Gemeinheit in meinem Leben kennen gelernt habe, das habe ich von meinen deutschen Brüdern {3} erfahren. Alles im Namen des Königs, der dafür verantwortlich ist, ebenso wie er für eine Rechtsprechung verantwortlich ist, die an Verkommenheit, Korruption, Gesinnungslosigkeit alles überhaupt Dankbare übertrifft. Sie haben keinen Begriff, was überhaupt deutscher Militarismus bedeutet, was es bedeutet, dass in Deutschland (im schroffen Gegensatz zu England) jeder Tagedieb, jeder Lump von Beamter das Recht hat, sich in die Privatangelegenheiten eines Staatsbürgers einzumischen, ja mehr noch, dass er sogar die Pflicht hat, es zu tun. Dies bricht einfach den Stab über Deutschland, in dem immer derjenige flariert hat, der die anderen an Gemeinheit noch übertraf. Jedes deutsche Genie ist eine einzige ungeheure Anklage gegen Deutschland – gegen seine „Brüder“.

Sie schreiben: „Glauben Sie, dass es unter Franz. Engl. möglich wäre, dass sie, vor dem Feind stehend, zunächst einmal einander wie Feinde bearbeiten würden?“ Das gerade ist ja meine ewige Anklage gegen Deutschland: warum sind wir denn nicht alles als Brüder behandelt worden, warum wurden wir denn zu wehrlosen, ohnmächtigen Sklaven von entmenschten, viehischen, sadistischen, brutalen Verbrechern (Offiziere, Militärärzte pp) gemacht? Warum schlossen diese Subjekte nicht mit uns die Reihen als Brüder? Deutschland wäre unüberwindlich gewesen!! Nein, lieber Meister, dass die deutsche Geistigkeit in Soldatenuniform auf den kotigen Damm treten und strammstehen musste, wenn das Offiziersgesindel mit ihren Dirnen den Bürgersteig einnahm, das ist ein Sÿmbol für die deutsche Brüderlichkeit, an dem wir nicht schuldig waren. Nie darf es ein Verzeihen, ein Vergessen dafür geben!! Nie!! Deutschland muss in den Dreck, genau so wie man uns auf höheren Befehl in den Dreck getreten hat. Das ist die einziger Genugtuung die wir haben, für das [,] was wir mit zusammengebissenen Zähnen 4 Jahre lang leiden mussten.

Blockade? Die widerlichste Schandtat? Noch viel widerlicher war die Aushungerung der Deutschen durch ihre eigenen Landsleute. Wissen Sie, dass Rathenaus Kriegsgesellschaften absichtlich Unmengen von Lebensmitteln haben verderben lassen, um {4} die Preise zu heben. Und heute noch? Die Engländer liefern, und die dunklen Wucherer treiben die Preise?

Und nun gar Bismarck?! Wer hat denn dessen Werk bewusst, absichtlich zerstört, wer hat dann dem Schöpfer des „Reiches“ Fusstritte gegeben und eine Reihe von Kretins an seine Stelle gesetzt? Doch nur der einzige W.II., dieser Mann, der die Stirn gehabt hat, von den an seinen Verbrechen Unschuldigen zu verlangen, sie sollen ihr Leben für ihn und sein in Sÿphilis versumpftes Haus opfern, für seine und Krupps Millionen, für das ganze Geschmeiss von Krämern und Industriellen usw. während er selbst, dieser widerliche Maulheld, feige entflicht und sogar noch zu feige ist, um seinem Schandleben durch eine Kugel ein Ende zu machen. Aber ich glaube, aus meiner reinern und gerechten Gesinnung heraus, dass sich selbst die Kugel noch sträuben würde, dieses Untier, an dem unsere Millionen Flüche aus Kasernen, Unterständen, Grenatlöchern kleben, zu durchbohren.

Ich stehe fern jeder Partei. Ich ergreife nur die Partei des deutschen Geistes, der Goethe, Jean Paul, Schopenhauer , Beethoven etc., des deutschen Geistes, der im Kriege besudelt worden ist. Nicht von der Entente, denn die recht ja an Goethe etc. nicht heran. Wohl aber durch unsere Machthaber. Was haben die W.II. Ludendorff, Hindenburg, Tirpitz, all die tapferen Hauptquartiershelden je mit dem „deutschen Geist“ zu tun gehabt?? Diese Kerle, die nie eine Sÿmph. von Beethoven gehört haben. Der deutsche Geist liegt bei denen, die in diesen Kriege, nicht vom Feinde, sondern von den eigenen Brüdern zertreten worden sind. Die deutschen Machthaber, die Offiziere, die Militärärzte, die Kriegsgewinnler, die Wuchere haben den deutschen Geist geschändet, sodass er jetzt in die Welt hinaus muss, mit Gliedern, die von allzuvielem Strammstehen und vom Kadavergehorsam steif geworden sind. Deutschland ist das Opfer seines eigenen Charakters geworden, seiner vielgerühmten Disziplin (das Mittel der Schurken um über Wehrlose zu herrschen.).

{5} Ich glaube eben nicht, dass die Deutschen nur Engel und die Engländer nur Schurcken sind. Ich glaube, sie halten sich in der Behandlung ihrer eigenen Geistigkeit die Wage, mit dem Unterschieds, dass in Deutschland wie ich schon sagte jeder Beamtenlumper jeder Portier das Recht und die Pflicht hat, sich um die Angelegenheiten des anderen zu kümmern und in England nicht. Wie hätte Meister Mendelssohn, der doch sicher eine sehr feine Empfindung für Gemeinheit und Niedrigkeit gehabt hat, in Deutschland leiden und kämpfen müssen, wenn ihm England nicht die Wege geebnet hätte? Welcher Unterschied in der Behandlung, die der Meister von jeden einzelnen Engländer erfahren hat und der empörenden Gemeinheit, Schulmeisterei und echt preussichen Niedertracht und Hinterlist, mit der er sich als reifer Mann von Weltruhm von dem Geheimratsgesindel in Berlin behandeln lassen musste. Er selbst hat ja in seinen wundervollen Briefen deutlich genug gesprochen.

Wie könnte ich mich irren in dem, was ich selbst erlebt, erlitten, vier bitter lange Jahre hindurch täglich und stündlich am eigenen Leibe und an der eigenen Seele gefühlt habe. Wo erhebt sich denn einmal eine Stimme das Mitleids für die unschuldig dahingemordeten Millionen, die Millionen unglücklicher Eltern, Frauen, Kinder?? Die Abschiedsszenen am Bahnhof, die Flüche der Sklaven, die wieder hinaus mussten dorthin, was in den Schandblättern das „Feld der Ehre“ genannt wurde – unvergessliche Erinnerungen für mich. Die entsetzliche, nervenzerrüttende Hoffnung auf das Ende bereitete den Boden für die immer stürmischer werdende Frage: für wen? Hier wurde das Friedenswerk begonnen und ich habe mitgetan. Denn jeder Mensch, der noch gerettet werden konnte vorn Tode auf der Schlachtbank „zu Ehren der Firma Krupp & Hohenzollern“ 4 (so hiess b es bei und Soldaten) war mehr wert, als all der Plunder von „Vaterland“ und „nationaler Ehre“ und ähnlichen Phrasen. Hier und nicht durch den Hunger wurde die Demütigung der deutschen Machthaber beschlossen und bewirkt und ich fühle Stolz bei dem Gedanken, dass die Soldaten es gewesen sind, die die Hohenzollern verjagt und den Offizieren, ihren Quälgeistern, die Achselstücke heruntergerissen haben. Ich wollte auch wieder arbeiten, wieder daheim sein, ohne Vorgesetzte, ohne Uniform. Denn dazu habe ich ein Recht gehabt und die mich daran gehindert haben, denen gebührt mein Hass. Wir pfeifen auf nationale Ehre, wenn wir nur {6} unsere Menschenswürde wieder haben. Sie schreiben mir, ich verzeihe es nicht, um keines Menschen, keiner Idee willen. Sie geben also immerhin zu, dass die Betroffenen etwas zu verzeihen haben, dass ein Verbrechen an ihnen begangen ist. Ja ein fürchterliches Verbrechen, der Raub der Jugend, der Lebensfreude, der Hoffnungen, der Güte, des Vertrauens, der Arbeitskraft, kurz alles dessen, was unser Leben wert gemacht hat. Und das sollen wir verzeihen?? Vielleicht noch nach christlicher Schafsgeduldmanier die andere Hälfte des Lebens hinhalten um uns die auch noch rauben zu lassen von unseren deutschen Brüdern?? — Gerade das Gedanken an Goethe, Jean Paul, Herder, Lessing, Beethoven gebietet es mir, dort zu lassen, – wo an ihnen und ihrem Geist frevelhaft gesündigt worden ist. Nie darf dieser edle deutsche Geist, den ich den Weltgeist nennen möchte, seiner umfassenden Grösse wegen, mit den Deutschen von 1914 – heute identifiziert werden, diesem Barbarengesindel, bar jedes Hauchs von Mitgefühl für die eigenen Brüder. Ich werde jauchzen, wenn ich mit meiner Frau den Staub Deutschlands von meinen Füssen schütteln kann, Deutschlands, das mich 4 Jahre und länger beschmutzt und entehrt und gedemütigt hat. Mögen Sie diesen Hass gegen Deutschland eine Psÿchose nennen. Wem habe ich sie denn zu verdanken? Nicht der Entente, sondern nur W.II. und seinen „Brüdern“. Und so sind wir Millionen. Was an uns verbrochen worden ist, das ist so grenzenlos, dass die Erde zerbersten müsste, wenn es dafür ja eine Verzeihung gäbe.

Nur eins bitte ich: mich nicht mit Bahr 5 u. Konsorten zu verwechseln. Die sind nicht preussische Soldaten gewesen, wissen also garnicht, um was sich es sich [sic] hier handelt, wenn von Schuld und Sühne gesprochen wird.

Sie glauben nicht, wie wir beide hier nach Befreiung von Deutschland lechzen. Eher ist auch an eine Gesundung nicht zu denken. Erst wo wir wieder glückliche Menschen sein dürfen, können wir glauben, in der Heimat zu sein. Wo wir nicht mehr die Sprache hören, in der uns 4 Jahre immer nur von Trennung, Entsagung, Gehorchen, Demütigung und Totschlag gesprochen worden ist.

Das ist ein wüster Brief. Ich hatte schon 2 andere geschrieben, in denen meine Entrüstung über die „Brüder“ aber zu sehr mit mir durchgegangen war, sodass ich sie zerreissen musste. Wann darf man denn wieder an Wichtigeres, Besseres, Grösseres denken, an die Musik? Ich bin jetzt bei op. 110 und vertiefe mich in Ihre wunderbare Arbeit. Wie unendlich viel erhabener ist das als England und Deutschland und alles was über diese Angelegenheiten zu reden ist. Zu wie viel Dank bin ich Ihnen verpflichtet. Ich werde diese Dankesschuld durch rastlose Arbeit, soweit meine dezimierten Kräfte reichen, abzutragen versuchen. Morgen fahre ich zu Vrieslander. [continued in left margin, written sideways, including valediction and signature:] Da geht das fürchterliche Politissieren wieder los. Nur sind wir beide in Bezug auf Krieg und Deutschland einer Meinung. Bleiben Sie gewogen, lieber Meister,


IIhren stets treuergebenen, dankbaren
[signed:] Walter Dahms

Auch an Ihre verehrte Frau Gemahlin ergebenste Grüsse auch von meiner Frau

© Transcription John Koslovsky, 2009


Wasserburg a/ Inn 340, September 26, 1919

Dear, revered Master,

I 1 received your very detailed letter 2 as I came home from a wonderful hike in the Bavarian Alps. So much sunshine – that was the most beautiful part of it.

Never for a moment have I wanted to suggest that Germany in 1914 was the instigator of everything that was brutal. In times past, brutality was the way for supporters of militarism of all peoples, because these groups never knew of other weapons than their own murderous instruments. Therefore (because for the militarists it will always be as it was, like a lingering "spirit") there is no such thing as military genius, and when one calls it that, it is but a guise accompanying some momentary and mindless bliss, perhaps talent in their line of work. Even Alexander the Great, Caesar, Hannibal, and Napoleon (to say nothing of Hindenburg, who would be prohibited right away from being counted among putative "geniuses") were only talented. Their work has crumbled; nothing other than perhaps their talk of bloodbaths "honors" their memory. They were not productive, they could not even be considered as approaching genius, since the very basis of their existence is destruction. A million Riemann>s and Bülows cannot destroy Beethoven's work, whereas it takes only a few politicians (on top of everything a bunch of idiots) to leave the so-called "work" of the militarist in ruins.

It begs the questions: Should mankind again and again allow blood to be shed at the behest of such madcap and criminal types? Should people, whose weapon is spirit, become slaves once again to such ruffians? My answer is: No! For four years I experienced for myself the slavery and tyranny that such "geniuses" and their accomplices carried out for their own ambitions and aspirations without ever being involved themselves.

{2} There is no longer any doubt today that Germany bears just as much guilt for the World War as do the Entente Powers. One can no longer speak solely of aggression against us. To me personally it was irrelevant whether or not the Austrian heir to the throne was murdered in Sarajevo. 3 I never had a Frenchman or an Englishman as an enemy, nor have I ever had any bad feelings towards them – thus I remained from the start completely uninterested in the war. Nevertheless I was called for duty, first of all because otherwise (how grotesque!) I would have been thrown into prison, and second because I was caught up in the wave of hazy notions and the torrent of lies with which the German State flooded the German people; in such a short period of time the opinion became that everything German would be attacked. And now I come to the question of my German "brothers."

Yes, most honorable master, we were brothers when we put on our field-gray military garb. Though it would hardly be made clear to us that we really were not brothers. There were certain men who everyday drank wine, earned 200,000 German Marks per year, and for whom others did their dirty work, without themselves ever firing a single shot (I'm referring of course to the high generals). Then came the grand army officers, whom we brothers (as you said) had to obey unconditionally. [cued from the left margin, written sideways:] There are still people today who approve of blind obedience, of "discipline." For those people only a four-year cure from Prussian militarism can be hoped. "Obedience" is so wonderful when it serves ulterior motives.[end cue] Then came an army of torturers, slavedrivers, hangmen, who were supposed to "train" us. They did so, however, not as one instructs men and citizens in their hour of danger in how to use weapons, but rather through the application of the most scandalous nastiness, brutality, and baseness – we were treated like slaves, criminals, and prisoners by our own brothers . For four years. No, a million times no, everything I have ever known about brutality, baseness, the most scandalous nastiness I have learned from my German brothers. {3} And all in the name of the King, who is responsible for this, just as he is accountable to a court of law for surpassing all depravity, corruption, lack of principle – everything imaginable. You have no idea at all what German militarism means, or that in Germany (in stark contrast to England) every loafer, every lump of an official has the right to meddle in the private affairs of a citizen. What's more, he has the duty to do it. This is simply the straw that breaks the back of Germany, when everyone claims someone else to be nastier than them. Every German genius is a single enormous denunciation of Germany – against his "brothers."

You write: "Do you think it would be possible among the French, the English, that, standing before the enemy, they would treat each other as enemies?" That is precisely my accusation against Germany: why were we not all treated like brothers, why were we made into helpless, powerless slaves of dehumanized, bestial, sadistic, and brutal criminals (officers, and military doctors by proxy)? Why did these depraved individuals not come and join us, the rank and file, as brothers? Germany would have been invincible!! No, dear master, the German morale in soldier uniform walked in filthy trenches and had to stand to attention, while the officer riff-raff and their proxies walked the sidewalks. That is a symbol of German brotherhood, of which we were not guilty. Never should a pardon be granted, nor should people ever forget!! Never!! Germany must be dragged through the mud, just as the high command dragged us through the mud. That is the only satisfaction that we have for what we had to endure ourselves with clenched teeth for four years.

Blockade? The most revolting act? What's more revolting was the starvation of the Germans by their own countrymen. You know that Rathenau's war commission have deliberately allowed vast quantities of food supplies to become spoiled in order {4} to raise the price. And even today? The English give supplies, while the shady profiteers control the prices?

And now even Bismarck?! Who consciously and deliberately destroyed his work? Who kicked the creator of the "Reich" out in order to replace him with a bunch of cretins? None other than Wilhelm II. This man had the nerve to demand of those who were innocent of his crimes that they sacrifice their lives for him and his syphilitic household, for his and Krupp's millions, for the whole vermin of grocers and industrialists etc. while he himself (this revolting loud-mouth) makes his cowardly escape and is thus too cowardly to end his disgraceful life with a bullet. But I believe, from my pure and just conviction, that the bullet itself would struggle to penetrate this monster, a bullet of our million curses, from the men stuck in the barracks, the bunkers, and the shell holes.

I stay away from all political parties. I associate only with the party of German spirit – Goethe, Jean Paul, Schopenhauer, Beethoven, etc. – of the German spirit that was besmeared in wartime. Not by the Entente powers, who hardly stand up to the likes of Goethe etc. No, they were besmeared by our own dictators. What did Wilhelm II, Ludendorff, Hindenburg, Tirpitz, and all the valiant heros of the main headquarters have to do with the "German spirit"?? These wretched people, who never even heard a single Beethoven symphony. The German spirit lies in those who were crushed not by their enemies, but by their own brothers. The German dictators, the officers, the military doctors, the war profiteers, the extortionists – they all discredited the German spirit so that it must depart this world with limbs that have become stiff from all-too much standing to attention and from blind obedience. Germany became the victim of its own character, its all-too-boastful discipline (the means of scoundrels always prevails over defenseless ones).

{5} I don't even believe that the Germans are only angels and the English only scoundrels. I believe they each hold themselves to their own morals, the difference being that in Germany (as I already said) every scoundrelly official, every porter has the right and the duty to concern themselves with the affairs of others, while this is not so in England. How Mendelssohn, who certainly had a very acute sense for nastiness and baseness, would have had to suffer and struggle in Germany if England had not smoothed the way for him? What a difference in treatment the master experienced from every single Englishman, in contrast to scandalous nastiness, know-it-all, and true Prussian vileness and deceitfulness that he as a mature man of the world had to endure from the riff-raff in Berlin. He himself clearly spoke of such things in his wonderful letters.

How could I be mistaken about something that I experienced, suffered, at first hand, what I for four bitter years, every day, every hour felt with my own body and with my own soul. Where has there ever once been raised a voice of compassion for the innocent and murdered millions upon millions of unlucky ones – the elderly, women, and children?? The farewell scenes in the train station, the curses of the slaves, who were having to go away yet again, what was called in the disgraceful press the "field of honor" – unforgettable memories for me. The appalling, nervously exhausting hope for the end prepared the ground for the question that is becoming ever-more turbulent: for whom? Here is where the peace process began and I took part in it. Because every person who could still be rescued from being massacred "for the honor of the coporate firm Krupp & Hohenzollern" 4 (as we the soldiers called it) was of more worth than all the rubbish of the "Fatherland" and "national honor" (and other such phrases). Now (and not because of hunger) the humiliation of the German dictators was resolved and secured. I feel pride when I think that it was the soldiers who chased away Hohenzollern and had the epaulets of the officers and their pests stripped. I wanted to keep working, to be at home once again, without superiors, without uniform. I had a right to that and they who prevented me from having it deserve my hatred. We tout our national honor; if we could only {6} have our human dignity once again. You write to me that I do not want to pardon any person or any idea. You concede that the people affected have something to pardon, that a crime has been committed against them. An appalling crime, the robbery of youth, the zest for life, hopes, goodness, trust, labor – in short, everything that has made our lives worthwhile. And that we are supposed to pardon?? Perhaps in Christian good-shepherdly fashion we should let ourselves be robbed of the other half of our lives by our German brothers?? – Right away the thought comes to me of abandoning Goethe, Jean Paul, Herder, Lessing, Beethoven; they and their spirits have been trespassed upon. Never should this noble German spirit, which I would call the spirit of the world because of its all-encompassing greatness, be identified today with the Germans of 1914, this barbarous mob, devoid of even the slightest breath of compassion for one's own brothers. I will cheer when my wife and I can shake the dust of Germany from our feet – Germany, which has besmirched, dishonored, and humiliated me for four years. You want to call this hatred towards Germany a psychosis. Whom do I have to thank for such a thing? Not the Entente powers, but only Wilhelm II and his "brothers." And we are a million in number. The misdeeds that have been done to us are so boundless that the earth would have to burst asunder for a pardon to be granted.

I ask only one thing: that you do not confuse me with Bahr 5 and his associates. These men were not Prussian soldiers, so they have no idea what we are talking about when we speak of guilt and atonement.

You do not believe how greatly we both lust to be free of Germany. Rather, we can't even begin to think about a recovery. Where we may be happy people once again, there can we think of ourselves as being in a homeland. Where we no longer hear the language in which we have for the past four years heard nothing but talk of detachment, renunciation, orders, humiliation, and killing people.

This is a chaotic letter. I had already written two others, but my indignation towards the "brotherhood" had gone too far, so I had to rip them up. When will one be able to think about things more important, better, and of greater worth ... about music? I am now getting down to Op. 110 and am immersing myself in your wonderful work. How infinitely more elevated that is than England and Germany and all the talk about these concerns. I owe you many thanks for it. I will attempt to pay this debt of gratitude back with tireless work for as long as my decimated powers hold up. Tomorrow I will visit Vrieslander. [continued in left margin, written sideways, including valediction and signature:] Then the dreadful politicizing will begin again. Only the two of us are of the same opinion as to the war and to Germany. Stay balanced, my dear master.


Your ever faithful and thankful
[signed:] Walter Dahms

Most sincere greetings also to your lady wife, and from my wife, too.

© Translation John Koslovsky, 2009

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/1, p. 2154, October 2, 1919: "Von Dahms (Br.): Eruption wildesten Hasses, bekennt sich mit Stolz dazu, selbst in der Armee gewühlt zu haben, pfeife auf das Vaterland, ginge am liebsten im Ausland; gibt mir zu verstehen, daß ich eigentlich kein Recht hätte, von diesen Dingen zu sprechen, da ich weder im Felde stand, noch in der Etappe verwendet worden sei. Auch sucht er mich mit einem Hinweis auf Mendelssohn zu kaptivieren, der mehr Anerkennung in England als in Berlin gefunden u. sich zu den Engländern in der Tat mehr hingezogen fühlte." ("From Dahms (letter): eruption of intense hatred, professes with pride that he himself was enraged while in the army, doesn't care a damn about Germany, would much prefer to be in another country; gives me to understand that I really had no right to speak of these matters since I neither fought on the front line nor was used in the rearguard. He even tries to win me over by pointing to Mendelssohn, who found greater recognition in England than in Berlin, and in fact felt drawn more to Englishmen.")

2 This letter is not known to survive but is recorded in Schenker's diary at OJ 2/14, p. 2145, September 16, 1919: "An Dahms (Br.): Abwehr der Psychose; – Nietzsche sei besser durch andere Führer zu ersetzen!" ("To Dahms (letter): put up defense against his psychosis; – Nietzsche is better replaced by other leaders.").

3 i. e. the assasination of Archduke Franz Ferdinand of Austria, heir to the Austrian throne and whose assasination in Bosnia on June 28, 1914 officially launched the start of the First World War.

4 Hohenzollern, German noble family that ruled the Kingdom of Prussia up to the end of World War I.

5 Dahms could be referring to Richard Bahr (1867-1936), author of Gewerbegericht, Kaufmannsgericht, einigungsamt: ein Beitrag zur Rechts- und Sozialgeschichte im XIX. Jahrhundert (Leipzig: Duncker & Humblot, 1905).

Commentary

Format
6p letter, three sheets recto/verso, continuation sheets headed "II." and "III.", holograph message and signature including marginalia
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)-- Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Walter Dahms, published here with kind permission.
License
Permission to publish granted by principal heir, Dahms's grand daughter, Cristina Texeio Coelho, August 12, 2009. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk.

Digital version created: 2010-06-08