Browse by
OJ 10/1, [36] - Handwritten letter from Dahms to Schenker, dated March 15, 1919
Seit 1 langem habe ich nichts mehr von Ihnen gehört, wie Sie sich gesundheitlich befinden und ob sich die neuen Verhältnisse nicht noch ungünstiger für Ihre Arbeit gestaltet haben, als es die alten zuletzt waren. An jedem Dienstag und Freitag bin ich bei Vrieslander in Ebersberg, und Sie stehen nachingemäss stets im Mittelpunkt unserer Gespräche, da wir jetzt Ihre " Harmonielehre " nahezu {2} beendet haben. Da kann ich selbstverständlich nicht genug von Ihnen, Ihren Meinungen über alle Fragen, die uns angehen usw hören. So stehe ich denn jetzt doch schon wenigstens in indirekten Fühlung mit Ihnen. Mögen sich nur die Verhältnisse in absehbarer Zeit so bessern, dass einmal an einen längeren Aufenthalt in Wien für mich zu denken ist. Ich sehne mich sehr danach. Wenigstens kann ich diese Zeit jetzt benützen, um mich auf das beste vorzubereiten {3} für eine Lehrzeit bei Ihnen. Ich finde hier wenigstens äusserlich meine Ruhe. Grösste Vorsicht im Lesen von Zeitungen, Vermeidung der Grossstadt, bewahren mich wenigstens einigermassen vor dem Widerwärtigen der heutigen Zeit und ihrer Erscheinungen. Dem Individualismus und der Geistigkeit scheint man jetzt endgültig das Grab graben zu wollen. Seies drum! Vielleicht oder besser: wahrscheinlich hat es so kommen müssen. Ich persönlich {4} empfinde nur eine Freude: die über die Zerschmetterung des deutschen Militarismus. So bleibt wenigstens der kommenden Generation unser Schicksal erspart. Vielleicht haben Sie einmal Zeit zu ein paar Zeilen an mich. Dafür wäre Ihnen sehr dankbar Ihr Sie herzlichst grüssender treuergebener [signed:] Walter Dahms Wasserburg a/Inn 15. III. 19. Villa Nixe © Transcription John Koslovsky, 2009 |
I 1 have not heard from you for a while, how your health is holding up and whether the new conditions have been any less conducive for your work than the previous ones were. On each Tuesday and Friday I am at Vrieslander's place in Ebersberg. You are the focus of our conversation most of the time, as we have almost {2} finished your Theory of Harmony . I just cannot hear enough of you and your views on all matters that interest us, etc.. So I remain (at the very least) connected to you in feeling, in an indirect way. If only conditions would improve in the foreseeable future, then a long sojourn in Vienna would finally be conceivable. I long so much for this. At the very least I can use this time to best prepare myself {3} for a period of study with you. Here I am finding peace, at least superficially. Taking the greatest caution in reading the newspapers and avoiding the city protect me to a certain degree from that which is disgusting in life today and its manifestations. Individualism and intellectualism are definitively digging their own grave. Never mind all that, though! Perhaps, or even better, most likely it had it coming. I personally {4} feel but a single joy: that of the crushing defeat of German militarism. The next generation will at least be spared our fate. If you have the time to write me but a few lines, I would certainly be grateful. Yours, with warmest greetings, ever-faithfully, [signed:] Walter Dahms Wasserburg on the Inn March 15, 1919 Villa Nixe © Translation John Koslovsky, 2009 |
Seit 1 langem habe ich nichts mehr von Ihnen gehört, wie Sie sich gesundheitlich befinden und ob sich die neuen Verhältnisse nicht noch ungünstiger für Ihre Arbeit gestaltet haben, als es die alten zuletzt waren. An jedem Dienstag und Freitag bin ich bei Vrieslander in Ebersberg, und Sie stehen nachingemäss stets im Mittelpunkt unserer Gespräche, da wir jetzt Ihre " Harmonielehre " nahezu {2} beendet haben. Da kann ich selbstverständlich nicht genug von Ihnen, Ihren Meinungen über alle Fragen, die uns angehen usw hören. So stehe ich denn jetzt doch schon wenigstens in indirekten Fühlung mit Ihnen. Mögen sich nur die Verhältnisse in absehbarer Zeit so bessern, dass einmal an einen längeren Aufenthalt in Wien für mich zu denken ist. Ich sehne mich sehr danach. Wenigstens kann ich diese Zeit jetzt benützen, um mich auf das beste vorzubereiten {3} für eine Lehrzeit bei Ihnen. Ich finde hier wenigstens äusserlich meine Ruhe. Grösste Vorsicht im Lesen von Zeitungen, Vermeidung der Grossstadt, bewahren mich wenigstens einigermassen vor dem Widerwärtigen der heutigen Zeit und ihrer Erscheinungen. Dem Individualismus und der Geistigkeit scheint man jetzt endgültig das Grab graben zu wollen. Seies drum! Vielleicht oder besser: wahrscheinlich hat es so kommen müssen. Ich persönlich {4} empfinde nur eine Freude: die über die Zerschmetterung des deutschen Militarismus. So bleibt wenigstens der kommenden Generation unser Schicksal erspart. Vielleicht haben Sie einmal Zeit zu ein paar Zeilen an mich. Dafür wäre Ihnen sehr dankbar Ihr Sie herzlichst grüssender treuergebener [signed:] Walter Dahms Wasserburg a/Inn 15. III. 19. Villa Nixe © Transcription John Koslovsky, 2009 |
I 1 have not heard from you for a while, how your health is holding up and whether the new conditions have been any less conducive for your work than the previous ones were. On each Tuesday and Friday I am at Vrieslander's place in Ebersberg. You are the focus of our conversation most of the time, as we have almost {2} finished your Theory of Harmony . I just cannot hear enough of you and your views on all matters that interest us, etc.. So I remain (at the very least) connected to you in feeling, in an indirect way. If only conditions would improve in the foreseeable future, then a long sojourn in Vienna would finally be conceivable. I long so much for this. At the very least I can use this time to best prepare myself {3} for a period of study with you. Here I am finding peace, at least superficially. Taking the greatest caution in reading the newspapers and avoiding the city protect me to a certain degree from that which is disgusting in life today and its manifestations. Individualism and intellectualism are definitively digging their own grave. Never mind all that, though! Perhaps, or even better, most likely it had it coming. I personally {4} feel but a single joy: that of the crushing defeat of German militarism. The next generation will at least be spared our fate. If you have the time to write me but a few lines, I would certainly be grateful. Yours, with warmest greetings, ever-faithfully, [signed:] Walter Dahms Wasserburg on the Inn March 15, 1919 Villa Nixe © Translation John Koslovsky, 2009 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 2/14, p. 2044, March 23, 1919: "Von Dahms (Br.): habe sich fern von Großstadt u. Zeitungen erholt, sei bereits zum Ende der Harmonielehre gekommen u. freue sich, schon einigermaßen vorbereitet nach Wien zu kommen. So schmerzlich ihn die Verhältnisse in Deutschland berühren, freue er sich doch über den Zusammenbruch des Militarismus." ("From Dahms (letter): has been recovering far from city and newspapers, has already reached the end of Harmonielehre and looks forward to coming to Vienna already somewhat prepared. However painful the conditions in Germany are to him, he is glad about the collapse of German militarism."). |
|
Commentary
Digital version created: 2009-01-30 |