18, rue Las Cases
Paris (7.)
7. Februar 1931.

Lieber, verehrter Meister Schenker: 1

herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief, 2 der mich über Mailand hier erreichte. Ich hoffe, dass das von Ihnen angekündigte Exemplar des neuen "Jahrbuches" auch in diesen Tagen eintreffen wird. Auf die Lektüre freue ich mich schon sehr und verspreche mir die schönsten Anregungen davon.

Es freut mich aufrichtig zu hören, dass man sich in Berlin für Ihre Lehre interessiert. Und vor allem freue ich mich, dass Herr Furtwängler so tapfer für Ihre Sache kämpft, Das ist wirklich nett und anerkennenswert. Ich persönlich bin ja nun allerdings den Berliner Verhältnissen und Personen im besonderen und den deutschen im allgemeinen so sehr entwachsen, ich habe mich von allen diesen Dingen so losgelöst, um nicht zu sagen: losgesagt, dass ich nicht weiss, wie weit die von Ihnen erwähnten Berliner Persönlichkeiten Ihrer Sache wirklich nützen können und werden. Aber mögen Ihre grossen Hoffnungen in Erfüllung gehen! das wünsche ich aufrichtig.

In diesen Tagen ist nun endlich meine persönliche Angelegenheit, d.h. meine Ehesache, in Berlin erledigt worden. Die lieben Deutschen haben mich, nach dem Justizfrevel, den sie an mir begangen haben, 18 Jahre lang auf meine elementarsten Menschenrechte warten lassen. Jetzt endlich war ich in der Lage den Leuten so unangenehm zu werden, dass sie das Unrecht gutmachen mussten. Das heisst: von Gutmachen kann ja keine Rede sein, denn die durch die Schuld der deutschen Gesetze und der deutschen Richter verlorenen kostbaren Jahre, kann man mir doch nicht ersetzen. Jedoch sind meine Aussichten gerade in diesem Jahre und infolge meiner Uebersiedlung nach Paris wesentlich andere geworden und ich hoffe auf eine sehr bald bevorstehende grosse Wendung in meinem Leben, das ich meiner tapferen Frau und Kameradin und unserem Kinde so sonnig und deshalb so nibelungenfern wie nur möglich machen will.

Ich bin sehr gespannt auf das "Jahrbuch." Haben Sie den weiteren Band des Kontrapunktes schon abschliessen können, d.h. die Ueberleitung zum Freien Satz?

Für heute will ich schliessen mit den allerbesten Wünschen und Grüssen für Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin ‒ auch im Namen meiner Frau


immer Ihr treuergebener
[signed:] Walter Dahms

© Transcription John Koslovsky, 2012


18, rue Las Cases
Paris (7.)
February 7, 1931

Dear, revered Master Schenker: 1

Many thanks for your kind letter, 2 which reached me here via Milan. I hope that your announced copy of the new Yearbook will arrive in the coming days. I already look forward to reading it very much and I promise myself to take the most wonderful ideas from it.

It pleases me greatly to hear that people in Berlin are interested in your teachings. And more than anything I am delighted that Furtwängler fights so courageously for your cause ‒ that is really nice and commendable. Admittedly I have grown so far away from Berlin connections and people in particular and from Germans in general that I have detached – not to mention dissociated – myself from all these things to the point that I do not know how far the Berlin people you mentioned can and will truly be of use to help your cause. But may your great hopes come to fruition! I sincerely wish this.

In recent days my personal affairs in Berlin, i.e., my marital situation, have finally been settled. The wonderful Germans have, after the crime of justice they committed against me, made me wait eighteen years for my basic human rights. Finally I had made the situation so unpleasant for people that they had to repay the injustice. That means: repayment is hardly the case, since having lost precious years through the fault of the German legal system and German judges one cannot possibly compensate me. However, my prospects this year have changed as a result of my emigration to Paris, and I hope for a large upcoming turn of events in my life, as I want to make my courageous wife and friend and our child happy and thereby as free as possible from the Nibelungen.

I am very excited about the Yearbook . Have you been able to complete the last volume of Counterpoint , the Bridge to Free Composition ?

For today I close with the very best wishes and greetings for you and your dear wife ‒ also on behalf of my wife. ‒


ever your truly devoted
[signed:] Walter Dahms

© Translation John Koslovsky, 2012


18, rue Las Cases
Paris (7.)
7. Februar 1931.

Lieber, verehrter Meister Schenker: 1

herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief, 2 der mich über Mailand hier erreichte. Ich hoffe, dass das von Ihnen angekündigte Exemplar des neuen "Jahrbuches" auch in diesen Tagen eintreffen wird. Auf die Lektüre freue ich mich schon sehr und verspreche mir die schönsten Anregungen davon.

Es freut mich aufrichtig zu hören, dass man sich in Berlin für Ihre Lehre interessiert. Und vor allem freue ich mich, dass Herr Furtwängler so tapfer für Ihre Sache kämpft, Das ist wirklich nett und anerkennenswert. Ich persönlich bin ja nun allerdings den Berliner Verhältnissen und Personen im besonderen und den deutschen im allgemeinen so sehr entwachsen, ich habe mich von allen diesen Dingen so losgelöst, um nicht zu sagen: losgesagt, dass ich nicht weiss, wie weit die von Ihnen erwähnten Berliner Persönlichkeiten Ihrer Sache wirklich nützen können und werden. Aber mögen Ihre grossen Hoffnungen in Erfüllung gehen! das wünsche ich aufrichtig.

In diesen Tagen ist nun endlich meine persönliche Angelegenheit, d.h. meine Ehesache, in Berlin erledigt worden. Die lieben Deutschen haben mich, nach dem Justizfrevel, den sie an mir begangen haben, 18 Jahre lang auf meine elementarsten Menschenrechte warten lassen. Jetzt endlich war ich in der Lage den Leuten so unangenehm zu werden, dass sie das Unrecht gutmachen mussten. Das heisst: von Gutmachen kann ja keine Rede sein, denn die durch die Schuld der deutschen Gesetze und der deutschen Richter verlorenen kostbaren Jahre, kann man mir doch nicht ersetzen. Jedoch sind meine Aussichten gerade in diesem Jahre und infolge meiner Uebersiedlung nach Paris wesentlich andere geworden und ich hoffe auf eine sehr bald bevorstehende grosse Wendung in meinem Leben, das ich meiner tapferen Frau und Kameradin und unserem Kinde so sonnig und deshalb so nibelungenfern wie nur möglich machen will.

Ich bin sehr gespannt auf das "Jahrbuch." Haben Sie den weiteren Band des Kontrapunktes schon abschliessen können, d.h. die Ueberleitung zum Freien Satz?

Für heute will ich schliessen mit den allerbesten Wünschen und Grüssen für Sie und Ihre verehrte Frau Gemahlin ‒ auch im Namen meiner Frau


immer Ihr treuergebener
[signed:] Walter Dahms

© Transcription John Koslovsky, 2012


18, rue Las Cases
Paris (7.)
February 7, 1931

Dear, revered Master Schenker: 1

Many thanks for your kind letter, 2 which reached me here via Milan. I hope that your announced copy of the new Yearbook will arrive in the coming days. I already look forward to reading it very much and I promise myself to take the most wonderful ideas from it.

It pleases me greatly to hear that people in Berlin are interested in your teachings. And more than anything I am delighted that Furtwängler fights so courageously for your cause ‒ that is really nice and commendable. Admittedly I have grown so far away from Berlin connections and people in particular and from Germans in general that I have detached – not to mention dissociated – myself from all these things to the point that I do not know how far the Berlin people you mentioned can and will truly be of use to help your cause. But may your great hopes come to fruition! I sincerely wish this.

In recent days my personal affairs in Berlin, i.e., my marital situation, have finally been settled. The wonderful Germans have, after the crime of justice they committed against me, made me wait eighteen years for my basic human rights. Finally I had made the situation so unpleasant for people that they had to repay the injustice. That means: repayment is hardly the case, since having lost precious years through the fault of the German legal system and German judges one cannot possibly compensate me. However, my prospects this year have changed as a result of my emigration to Paris, and I hope for a large upcoming turn of events in my life, as I want to make my courageous wife and friend and our child happy and thereby as free as possible from the Nibelungen.

I am very excited about the Yearbook . Have you been able to complete the last volume of Counterpoint , the Bridge to Free Composition ?

For today I close with the very best wishes and greetings for you and your dear wife ‒ also on behalf of my wife. ‒


ever your truly devoted
[signed:] Walter Dahms

© Translation John Koslovsky, 2012

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/4, p.3576, February 9, 1931: "Von Dahms (Br): bestätigt den Brief, wo bleibt das Buch?" ("From Dahms (letter): confirms [receipt of] of my letter, where is book?").

2 Schenker's diary at OJ 4/4, p. 3565, January 1, 1931, records: "Lie-Liechen verpackt das Jhrb. III. für Hammer u. Dahms. ‒ An Dahms (Br.): zum Jhrb. III." ("Lie-Liechen packs Yearbook III for Hammer and Dahms. ‒ To Dahms (letter): re: Yearbook III."). The letter is not known to survive.