[A photocopy of this letter exists as SBB Nachl.13, [5]]


Potsdam, 10. XII. 32.


Lieber verehrter Herr Schenker . 1

Erst heute habe ich ein ruhiges Stündchen, um Ihnen zu antworten. 2 Zunächst: Was Karpath betrifft, so hatte ich schon bei meinem Besuch bei ihm am vorletzten Tage meines Wiener Aufenthaltes einen ähnlichen Eindruck, wie Sie ihn mir von sich aus mitteilen. Nämlich den, daß er nur versucht, die ganze Angelegenheit in seine journalistischen Kanäle zu leiten und das ihm viel wichtiger ist als die Sache selbst, zu der er offenbar gar kein Verhältnis hat. Außerdem hat mir diesmal seine allzusehr auf Schritt und Tritt hervortretende Eitelkeit während des Gesprächs einen etwas unseriösen Eindruck gemacht; auch scheint mir, daß de facto in letzter Zeit sein Einfluß sehr nachgelassen hat. Jedenfalls bin ich darin durchaus Ihrer Meinung, daß ein Brief von mir über Sie, an ihn zur Veröffentlichung geschickt, schließlich praktisch gesehen nicht das gewünschte Ergebnis {2} haben dürfte. Ich habe einen solchen daher auch nicht geschrieben. 3

Hier habe ich inzwischen Erkundigungen einzuziehen versucht. Die Verhältnisse sind – oder waren – durch die beständigen Regierungskrisen sehr kompliziert. 4 Immerhin scheint mir eine Möglichkeit, daß man Ihnen eine sog. „Meisterklasse“ für Komposition [cued from left margin:]von der Akademie aus![end cue] anbietet, die im September 1933 frei wird. 5 Das wäre, wenn Kestenberg noch seine frühere Stellung im Ministerium innehätte, ohne weiteres zu realisieren gewesen; wieweit das unter den jetzt veränderten Verhältnissen der Fall ist, weiß ich noch nicht genau, ich werde aber versuchen, mir darüber noch vor Weihnachten Klarheit zu verschaffen. Dies würde Ihnen materiell eine Existenzgrundlage geben können. Sonstige Vorlesungen – entweder in der Hochschule oder bei Gräner (der sich über Sie begeistert aussprach) [–] von deren befruchtender Wirkung ich mir unter Umständen allerlei verspräche, könnten {3} dann leicht angeschlossen werden. Ich werde jedenfalls bald Ihnen mehr sagen können, als ich jetzt weiß; es geht das jedoch vielleicht nicht ganz so schnell, einmal wegen der wirklich im Moment sehr unübersichtlichen Verhältnisse hier, und dann weil ich auch nicht immer die nötige Zeit habe.

Von Weisse habe ich einen kurzen Brief bekommen. Es geht im gut, und er hat offenbar – wenn man die Verhältnisse bedenkt, unter denen er wirkt – viel Erfolg, was mich sehr freut.

Ich schreibe Ihnen bald wieder. Für heute mit den herzlichsten Grüßen wie immer – auch an Ihre Frau


Ihr
[signed:] Wilhelm Furtwängler

Anbei eine Kritik Ihres Schülers Roth aus Hamburg. 6 Er ist auch einer von jenen deutschen Intellektuellen – ohnedies eine von Neid nicht freie, in sich wenig wohlwollende Natur – die plötzlich anders zuhören, wenn einer das zweifelhafte Glück hat, „berühmt“ zu sein. Die letzte Bemerkung heißt doch geradezu: möge die Welt endlich über ihre falsche Furtwängler-Begeisterung aufgeklärt werden. Und sowas muß man sich gefallen lassen! Charakteristisch [cued from left margin:]auch was er lobt: den dirigierenden Fritz Stein , den „ Bruckner Muck ’s!![end cue]

© Transcription Christoph Hust, 2008

[A photocopy of this letter exists as SBB Nachl.13, [5]]


Potsdam, December 10, 1932


Dear revered Mr. Schenker, 1

Today is the first time I have had a quiet moment in which to answer you. 2 First: as concerns Karpath, I had a similar impression to that which you convey to me, when I visited him on the penultimate day of my stay in Vienna. Namely that he is only trying to divert the whole matter into his journalistic channels, and that that is much more important to him than the matter itself, for which he clearly has no affinity. In addition, his overweening vanity, which came out at every turn during our conversation, this time gave me the impression perhaps of untrustworthiness. It also seems to me that his influence has de facto very much diminished in recent times. At any rate, I am thoroughly of one mind with you that a letter from me about you, sent to him for publication, would not seem ultimately, from a practical point of view, to yield the desired outcome. {2} Accordingly, I have not written such a letter. 3

I have meanwhile been trying to do some exploration here. Conditions as a result of constant government crises are ‒ or were ‒ very complicated. 4 There seems to me to be at least a possibility that you may be offered a so-called "masterclass" in composition [cued from left margin:]emanating from the Academy![end cue], which would fall vacant in September 1933. 5 That could have been achieved without more ado, if Kestenberg still had his earlier post at the Ministry; to what extent that is the case under the present, altered conditions, I can't exactly say, but I will try and clarify the matter by Christmas. This could give you a financial basis for existence. Other lectures ‒ either at the Hochschule or with Graener (who declared himself enthusiastic about you) ‒ of the inspiring impact of which I would give sundry assurances should the occasion arise, could {3} then easily be added. I will at any rate soon be able to tell you more than I know now; things may however perhaps not go as fast as we would like, firstly because conditions here are really very unclear at the moment, secondly because I may not always myself have the necessary time.

I have had a short letter from Weisse. He is doing well, and has clearly ‒ bearing in mind the conditions under which he is working ‒ had much success, which pleases me greatly.

I shall write to you again soon. For today, with most cordial greetings as ever ‒ and to your wife,


Yours,
[signed:] Wilhelm Furtwängler

Enclosed [is] a review by your pupil Roth from Hamburg. 6 He is also one of those German intellectuals ‒ anyway, a personality in itself not all that benevolent, not devoid of envy ‒ who suddenly pay attention differently when one has the dubious fortune of being "famous." With this last remark, I really mean to say: may the world at long last be enlightened over its false enthusiasm for Furtwängler. And one has to put up with that sort of thing! [cued from left margin:]What he praises is characteristic, too: Fritz Stein as a conductor, [and] Muck's Bruckner!![end cue]

© Translation Ian Bent, 2008

[A photocopy of this letter exists as SBB Nachl.13, [5]]


Potsdam, 10. XII. 32.


Lieber verehrter Herr Schenker . 1

Erst heute habe ich ein ruhiges Stündchen, um Ihnen zu antworten. 2 Zunächst: Was Karpath betrifft, so hatte ich schon bei meinem Besuch bei ihm am vorletzten Tage meines Wiener Aufenthaltes einen ähnlichen Eindruck, wie Sie ihn mir von sich aus mitteilen. Nämlich den, daß er nur versucht, die ganze Angelegenheit in seine journalistischen Kanäle zu leiten und das ihm viel wichtiger ist als die Sache selbst, zu der er offenbar gar kein Verhältnis hat. Außerdem hat mir diesmal seine allzusehr auf Schritt und Tritt hervortretende Eitelkeit während des Gesprächs einen etwas unseriösen Eindruck gemacht; auch scheint mir, daß de facto in letzter Zeit sein Einfluß sehr nachgelassen hat. Jedenfalls bin ich darin durchaus Ihrer Meinung, daß ein Brief von mir über Sie, an ihn zur Veröffentlichung geschickt, schließlich praktisch gesehen nicht das gewünschte Ergebnis {2} haben dürfte. Ich habe einen solchen daher auch nicht geschrieben. 3

Hier habe ich inzwischen Erkundigungen einzuziehen versucht. Die Verhältnisse sind – oder waren – durch die beständigen Regierungskrisen sehr kompliziert. 4 Immerhin scheint mir eine Möglichkeit, daß man Ihnen eine sog. „Meisterklasse“ für Komposition [cued from left margin:]von der Akademie aus![end cue] anbietet, die im September 1933 frei wird. 5 Das wäre, wenn Kestenberg noch seine frühere Stellung im Ministerium innehätte, ohne weiteres zu realisieren gewesen; wieweit das unter den jetzt veränderten Verhältnissen der Fall ist, weiß ich noch nicht genau, ich werde aber versuchen, mir darüber noch vor Weihnachten Klarheit zu verschaffen. Dies würde Ihnen materiell eine Existenzgrundlage geben können. Sonstige Vorlesungen – entweder in der Hochschule oder bei Gräner (der sich über Sie begeistert aussprach) [–] von deren befruchtender Wirkung ich mir unter Umständen allerlei verspräche, könnten {3} dann leicht angeschlossen werden. Ich werde jedenfalls bald Ihnen mehr sagen können, als ich jetzt weiß; es geht das jedoch vielleicht nicht ganz so schnell, einmal wegen der wirklich im Moment sehr unübersichtlichen Verhältnisse hier, und dann weil ich auch nicht immer die nötige Zeit habe.

Von Weisse habe ich einen kurzen Brief bekommen. Es geht im gut, und er hat offenbar – wenn man die Verhältnisse bedenkt, unter denen er wirkt – viel Erfolg, was mich sehr freut.

Ich schreibe Ihnen bald wieder. Für heute mit den herzlichsten Grüßen wie immer – auch an Ihre Frau


Ihr
[signed:] Wilhelm Furtwängler

Anbei eine Kritik Ihres Schülers Roth aus Hamburg. 6 Er ist auch einer von jenen deutschen Intellektuellen – ohnedies eine von Neid nicht freie, in sich wenig wohlwollende Natur – die plötzlich anders zuhören, wenn einer das zweifelhafte Glück hat, „berühmt“ zu sein. Die letzte Bemerkung heißt doch geradezu: möge die Welt endlich über ihre falsche Furtwängler-Begeisterung aufgeklärt werden. Und sowas muß man sich gefallen lassen! Charakteristisch [cued from left margin:]auch was er lobt: den dirigierenden Fritz Stein , den „ Bruckner Muck ’s!![end cue]

© Transcription Christoph Hust, 2008

[A photocopy of this letter exists as SBB Nachl.13, [5]]


Potsdam, December 10, 1932


Dear revered Mr. Schenker, 1

Today is the first time I have had a quiet moment in which to answer you. 2 First: as concerns Karpath, I had a similar impression to that which you convey to me, when I visited him on the penultimate day of my stay in Vienna. Namely that he is only trying to divert the whole matter into his journalistic channels, and that that is much more important to him than the matter itself, for which he clearly has no affinity. In addition, his overweening vanity, which came out at every turn during our conversation, this time gave me the impression perhaps of untrustworthiness. It also seems to me that his influence has de facto very much diminished in recent times. At any rate, I am thoroughly of one mind with you that a letter from me about you, sent to him for publication, would not seem ultimately, from a practical point of view, to yield the desired outcome. {2} Accordingly, I have not written such a letter. 3

I have meanwhile been trying to do some exploration here. Conditions as a result of constant government crises are ‒ or were ‒ very complicated. 4 There seems to me to be at least a possibility that you may be offered a so-called "masterclass" in composition [cued from left margin:]emanating from the Academy![end cue], which would fall vacant in September 1933. 5 That could have been achieved without more ado, if Kestenberg still had his earlier post at the Ministry; to what extent that is the case under the present, altered conditions, I can't exactly say, but I will try and clarify the matter by Christmas. This could give you a financial basis for existence. Other lectures ‒ either at the Hochschule or with Graener (who declared himself enthusiastic about you) ‒ of the inspiring impact of which I would give sundry assurances should the occasion arise, could {3} then easily be added. I will at any rate soon be able to tell you more than I know now; things may however perhaps not go as fast as we would like, firstly because conditions here are really very unclear at the moment, secondly because I may not always myself have the necessary time.

I have had a short letter from Weisse. He is doing well, and has clearly ‒ bearing in mind the conditions under which he is working ‒ had much success, which pleases me greatly.

I shall write to you again soon. For today, with most cordial greetings as ever ‒ and to your wife,


Yours,
[signed:] Wilhelm Furtwängler

Enclosed [is] a review by your pupil Roth from Hamburg. 6 He is also one of those German intellectuals ‒ anyway, a personality in itself not all that benevolent, not devoid of envy ‒ who suddenly pay attention differently when one has the dubious fortune of being "famous." With this last remark, I really mean to say: may the world at long last be enlightened over its false enthusiasm for Furtwängler. And one has to put up with that sort of thing! [cued from left margin:]What he praises is characteristic, too: Fritz Stein as a conductor, [and] Muck's Bruckner!![end cue]

© Translation Ian Bent, 2008

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/6, p. 3798, December 16, 1932: "Von Furtwängler (Brief u. ein Roth-Aufsatz): denkt an eine Meisterklasse für Komposition in Berlin an der Akademie; Gräner begeistert; Roth bengelhaft, „falscher Deutscher“!" ("From Furtwängler (letter and a Roth article): is thinking of a masterclass in composition at the Academy in Berlin; Gräner is excited; Roth uncouth, 'false German'!"). This letter is included in Heinrich Schenker: Selected Correspondence, eds. Ian Bent, David Bretherton, and William Drabkin (Woodbridge: Boydell Press, 2014), pp. 213‒14.

2 No item of correspondence from Schenker to Furtwängler is recorded in Schenker's diary between his previous meeting with Furtwängler on November 16 and this date. The subject at hand is the attempt by Ludwig Karpath during 1932‒33 to procure for Schenker ‒ with Furtwängler's support ‒ a professorship in Vienna.

3 No paragraph-break in source.

4 1932 was the last year of the Weimar Republic; and the rise to power of the National Socialist Party was only seven weeks away.

5 The Akademie der Künste in Berlin, which had since 1869 included a Hochschule für Musik the Director of which was from 1920 to 1932 Franz Schreker, and from 1932 Georg Schünemann. The idea came to nothing because of a newly applied residential eligibility (diary entry March 2, 1933).

6 Perhaps Herman Roth, "Bekenntnis zu Schenker," Hamburger Nachrichten, September 17, 1931, a clipping of which appears in Schenker's scrapbook at OC 2/p.84, though one would have expected Schenker to have encountered this long before now.